Eigentlich sollte erst am 9. Juni die fünfte Staffel der Netflix-Serie veröffentlicht werden, doch schon Ende April kam ein Hacker dem Streaming-Dienst zuvor. Wie viel Schaden nehmen Dienste wie Netflix durch Hacks?
«Orange is the New Black»-Facts
- Genre: Dramedy
- Schöpfer: Jenji Kohan
- Vorlage: "Orange is the New Black: My Year in a Women's Prison" von Piper Kerman
- Darsteller: Taylor Schilling, Laura Prepon, Michael J. Harney, Michelle Hurst, Kate Mulgrew, Jason Biggs, Uzo Aduba u.w.
- Episodenzahl: 52 (4 Staffeln)
- Produktionsstudios: Lionsgate Television & Titled Productions
- Premiere: 11. Juli 2013 (Netflix)
Die Dramedy-Serie «Orange is the New Black» steht als Sinnbild für den Erfolg des Streaming-Riesen Netflix. Als eine der ersten großen Eigenproduktionen des Video-on-Demand-Dienstes eroberte die Adaption der gleichnamigen Memoiren von Piper Kerman Serienliebhaber ab Juli 2013 im Sturm. Zwar sind die Abrufzahlen bei Netflix weiterhin ein gut gehütetes Geheimnis, mehrfach betonte das US-Unternehmen jedoch, dass «Orange is the New Black» seine erfolgreichste Produktion darstelle. Dabei ist die Serie nicht nur ein Zuschauermagnet, sondern auch ein Kritikerliebling – das zeigen mehrere Emmy-Auszeichnungen und bereits sechs Golden Globe-Nominierungen eindrücklich. «Orange is the New Black» ist Netflix. Netflix ist «Orange is the New Black». Doch Ende April wurde ein heimtückischer Versuch unternommen, diese Erfolgsgeschichte zu beenden.
«Orange is the New Black», Netflix‘ Baby, wurde Ende April gekidnappt. Dem Streaming-Dienst wurde daraufhin eine Lösungsforderung gestellt. In diesem Fall drohte der Kidnapper jedoch, seine Geisel freizulassen, sollte man seinen Forderungen nicht nachkommen. Derartig absurd anmutende Szenarien lesen sich im digitalen Zeitalter, in dem plötzlich Hacker Panik allerorten auslösen. In der Politik, wo vermeintlich russische Hacker in die Präsidentschaftswahlkämpfe in den USA und Frankreich eingriffen, bei privaten Nutzern, deren Daten zuletzt von nordkoreanischen Hackern geklaut wurden und eben in der Wirtschaft, wo sich zuletzt vor allem die Unterhaltungsindustrie um womöglich negative Folgen auf ihren Umsatz fürchteten.
Hacks & Leaks: Gefahr für die Unterhaltungsindustrie?
Nachdem beispielsweise bereits Sony im November 2014 Opfer eines Hack-Raubs wurde, der unter anderem Kopien noch unveröffentlichter Filme enthielt oder «Game of Thrones» noch vor der linearen Erstausstrahlung Pressekopien der ersten Hälfte von Staffel fünf entwendet und im Internet veröffentlicht wurden, war also auch Netflix dran: Ende April veröffentlichten Personen unter dem Pseudonym „thedarkoverlord“ auf der Social-Media-Plattform Twitter Links zu zehn neuen «Orange is the New Black»-Episoden, deren Veröffentlichung erst für den 9. Juni geplant war. In einer Mitteilung eröffneten sie dem Internet, dass Netflix nicht auf ihre Forderung eingegangen sei, einen hohen Betrag der Online-Währung Bitcoin dafür zu überweisen, dass man die Folgen unter Verschluss halte. Die Hacker, die in der jüngeren Vergangenheit ähnliche Praktiken nutzten, um kleine oder mittelgroße Unternehmen aus dem Gesundheitssektor auszunehmen, drohten in der Folge auch TV-Sendern wie ABC, National Geographic oder Fox.
Hat der sogenannte ‚Leak‘, also die vom Urheber nicht vorgesehene Veröffentlichung, der neuen «Orange is the New Black»-Episoden bleibenden Schaden bei Netflix hinterlassen? Noch vor wenigen Jahren, als legale Streaming-Angebote nicht ansatzweise so etabliert waren wie heute, wäre ein derartiger Vorfall einer mittleren Katastrophe für den Anbieter gleichgekommen. «Orange is the New Black» wäre dann vermutlich bei einem TV-Sender gelaufen, neue Folgen wären millionenfach heruntergeladen worden. Eventuell hätten Studio und Sender mit dem Gedanken gespielt, den Ausstrahlungstermin vorzuverlegen. Aber was ist mit den Werbepartnern, die sich für bestimmte Zeiten und hohe Beträge beim Sender eingekauft haben? Die vermutlich stark gesunkenen Einschaltquoten hätten den Aufwand der Werbetreibenden wohl nicht mehr gerechtfertigt. Und Schuld hätten nur die TV-Studios selbst aufgrund von Sicherheitslücken – ein immenser Imageschaden, der sich wohl auch finanziell sehr negativ ausgewirkt hätte.
Doch wir schreiben das Jahr 2017. Die Gegebenheiten sind mittlerweile ganz andere und auch die Ansprüche und Gewohnheiten der Internetnutzer haben sich massiv geändert. Hatten mit dem Leak der Episoden über Twitter einige Beobachter noch einen Gau befürchtet, der die Industrie in ihren Grundfesten erschüttert, ja womöglich die Geburtsstunde einer neuen und weitreichenden Form von Cyber-Kriminalität begründet, kehrte Anfang Mai Beruhigung ein. Nur wenige Tausend Nutzer teilten die Dateien über die Download-Portale, der Netflix-Aktienkurs stieg in den Tagen nach dem Leak sogar um zwei Prozent.
Kein Coup: Wie der anspruchsvolle Serienfan die Leaks egalisiert
Die Serienfans scheinen heutzutage schlicht zu verwöhnt zu sein von der Qualität, die ihnen legale Streaming-Angebote servieren. Bei den zehn Folgen, die knapp fünf Wochen vor dem offiziellen Start der neuen «Orange is the New Black» ins Netz geladen wurden, handelte es sich nicht um die fertigen Versionen, die letztlich bei der Streaming-Plattform abrufbar sein werden. Stattdessen waren die Leaks nur in 720p-Bildqualität verfügbar und enthielten dabei noch etliche Ton- und Bildfehler. Außerdem umfasst die kommende Staffel der Knastserie zwölf statt zehn Episoden, die letzten zwei Folgen fehlten also.
Zwar verlieren die sogenannten Bittorrent-Portale, über die auch die «Orange is the New Black»-Folgen angeboten wurden, ohnehin kontinuierlich an Beliebtheit. In Zeiten, in denen Streaming-Portale längst auf HD, teilweise sogar 4K-Auflösung setzen, mit Synchronisation oder Untertiteln, birgt der Download fehlerhafter, niedrigauflösender Serienepisoden aber scheinbar kaum noch Reize. Zumal auch legales Streaming dieser Tage erschwinglich ist. Über die Hälfte aller US-Haushalte besitzt mittlerweile einen Netflix-Zugang. In Deutschland, wo das Angebot erst vor wenigen Jahren an den Start ging, wachsen die Zahlen rasant und auch ähnliche Abonnement-Modelle wie beispielsweise Amazon Prime Video erfreuen sich immer größerer Beliebtheit. Legal ist in diesem Fall attraktiver als illegal. So teilte Netflix kurz nach den Leaks lediglich mit, man arbeite mit den Behörden in diesem Fall zusammen. Eine Reaktion, die wirkt wie ein uninteressiertes Schulterzucken.
Wie angreifbar ist das lineare Fernsehen?
Müssen Kriminelle, die mit Hacks und illegalen Veröffentlichungen von Streaming-Angeboten Geld machen wollen, also eine deutlich höhere Qualität bieten als zuletzt im «Orange is the New Black»-Fall, sieht die Lage für das lineare Fernsehen noch anders aus. Im Segment, das seit Jahren kontinuierlich sinkende Zuschauerzahlen vermeldet, ticken die Uhren noch anders. Zwar verschob sich die Bedeutung der Einschaltquote auch dort in der jüngeren Vergangenheit deutlich und man bezieht nun stärker zeitversetzte Abrufe und die von Formaten generierte Aufmerksamkeit in seine Erfolgsrechnungen mit ein, noch immer sind Privatsender aber abhängig von den Investitionen ihrer Werbepartner.
Tatsächlich setzte „thedarkoverlord“ seine Drohung, wonach bald auch Fernsehsender Opfer von Leaks werden könnten, bereits in die Tat um. Am 28. Mai 2017 lud das Hacker-Kollektiv acht Folgen der ABC-Gameshow «Funderdome» auf ein Download-Portal hoch und teilte diese Nachricht über Twitter. Das Format mit dem beliebten Moderator Steve Harvey, soll erst am 11. Juni seine Premiere bei ABC feiern. ABC teilte bereits mit, dass das Format wie geplant auf dem dafür vorgesehenen Sendeplatz laufen werde, weitere Stellungnahmen behielt sich das Network vor. Es werden Fälle wie diese sein, die zeigen werden, wie lohnend derartige Hacks von Unternehmen aus der Unterhaltungsindustrie wirklich sind und ob sich künftig mehr Hacker aufmachen, TV-Sender, Studios oder Streaming-Anbieter zu erpressen. Zumindest im Streaming-Segment scheint für die Hacker jedoch wenig zu holen sein.
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09.06.2017 19:07 Uhr 1