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Die Kritiker: «Tatort - Amour fou»

Ein homosexueller Lehrer, der im Berliner Brennpunkt an einer Gesamtschule unterrichtet hat, wird ermordet aufgefunden. Ein Milieu-«Tatort» ohne Milieustudie.

Cast & Crew

Vor der Kamera:
Meret Becker als Nina Rubin
Mark Waschke als Robert Karow
Jens Harzer als Armin Berlow
Lisa Vicari als Jasna Nemec
Aaron Hilmer als Stipe Rajic
Justus Johanssen als Duran Bolic
Angela Winkler als Ann-Marie

Hinter der Kamera:
Produktion: Real Film Berlin
Drehbuch: Christoph Darnstädt
Regie: Vanessa Jopp
Kamera: Judith Kaufmann
Produzenten: Sibylle Stellbrink und Michael Lehmann
Nina Rubin (Meret Becker) und Robert Karow (Mark Waschke) werden in einen Berliner Schrebergarten gerufen. Dort liegt die völlig verbrannte Leiche von Enno Schopper, einem homosexuellen Gesamtschullehrer. Homosexuell und Gesamtschullehrer ist dabei von Anfang an das Oxymoron, auf das sich dieser «Tatort» einschießen will. Denn die Schule, an der Schopper unterrichtet hatte, liegt freilich im sozialen Brennpunkt. Achtzig Prozent der Schüler haben einen Migrationshintergrund, hauptsächlich aus dem türkisch-arabischen oder jugoslawischen Raum, und die klare Mehrheit von ihnen ist homophob bis ins Mark, fasst der Schulleiter die Lage zusammen. Gewaltbereit sowieso, denn schon vor Jahren war Enno Schoppers Auto in Flammen aufgegangen. „Erst die Schwuchtelkarre, dann die Schwuchtel“, so der eloquente Schlachtruf der damaligen Täter.

Am Tag vor seiner Ermordung war Enno Schopper vom Dienst suspendiert worden. Er soll in einer Umkleidekabine Oralsex mit dem Schüler Duran Bolic (Justus Johanssen) gehabt haben. Bisher nur ein Gerücht aus zweifelhafter Quelle, aber der Berliner Schulleiter steht lieber auf der sicheren Seite und suspendiert in solchen Fällen großzügig. Noch dazu, da Schopper Duran schon länger unter seine Fittiche genommen hatte. Der Junge war bei seinem Lehrer ein- und ausgegangen.

Schoppers Partner Armin Berlow (Jens Harzer) ist ein leise und bedächtig sprechender, feinfühliger Mann, der eine solche Katastrophe, so der erste Eindruck, nur schwer wird bewältigen können. Gleichzeitig entspricht seine Aussage, wie Karow und Rubin rasch feststellen, nicht den tatsächlichen Begebenheiten.

Währenddessen ist Duran Bolic spurlos verschwunden. Die naheliegendste Hypothese: Er hat sich wohl mit seinem schwerkriminellen Vater, zu dem die Beziehung seit langem angespannt ist, nach Kroatien abgesetzt. Während das Berliner LKA sich mit den dortigen Strafverfolgungsbehörden auseinandersetzt, versucht auch eine von Durans Mitschülerinnen ihn ausfindig zu machen. Sie erwartet ein Kind von ihm.

Dieser «Tatort» hat kein Problem mit seiner Oberflächlichkeit: Der Dualismus aus einem kultivierten homosexuellen Lehrer und unterdurchschnittlich gebildeten Schülern aus sozial schwachen und entsprechend reaktionären Milieus muss als schwelender Hintergrund und sinniger Anhaltspunkt für ein mögliches Mordmotiv ausreichen. Ein Minimum an Differenzierung wird zwar angedeutet, – Schoppers Schüler, die seine Schwuchtelkarre angezündet haben, seien heute nicht mehr so gewaltbereit-menschenverachtend drauf, heißt es – doch es bleibt eben bei dieser einen Andeutung.

Das Gros der Laufzeit wird mit zwei anderen Handlungs- und Themenstrukturen bespielt, eine von ihnen gelungen, die andere weniger: einer psychologischen, einnehmenden Annäherung an den Hinterbliebenen Armin Berlow (großartig gespielt von Jens Harzer), und einem ermüdenden Abgrasen von Mordmotiven und infrage kommenden Tätern im Was-haben-wir-bis-jetzt-Modus, noch dazu unterfüttert von den stumpfsinnigen Privatproblemen des ungleichen Ermittlergespanns.

Die werden derweil immer trivialer und abstruser: Nina Rubins Partner kann sich zwar mittlerweile mehr oder weniger damit arrangieren, dass sie in aller Regelmäßigkeit die Nächte in Berliner Clubs durchbumst; er will seiner Beziehung und der Familie mit einem Umzug in die bayerische Provinz jedoch eine neue Richtung, hin zu mehr Stabilität, geben. Und Robert Karow fühlt sich natürlich ein bisschen zu Armin Berlow hingezogen. Natürlich, weil die weitgehend ideenlose Struktur der Dramaturgie von „Amour fou“ nichts Anderes erwarten lässt. Eine dem Titel entsprechende Hingebung an diesen Film lässt sich leider nicht erfühlen.

Das Erste zeigt «Tatort – Amour fou» am Pfingstmontag, de 5. Juni um 20.15 Uhr.
04.06.2017 12:04 Uhr Kurz-URL: qmde.de/93567
Julian Miller

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Amour fou Tatort Tatort – Amour fou

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