funk über das Format:
Viele Musiker müssen erleben, wie ihre Leidenschaft im Alltag zum immer gleichen Frage-Antwort-Spiel im Promo-Tour-Spektakel wird. Gossip dominiert die Schlagzeilen. Ein Werbetermin jagt den nächsten. «Bongo Boulevard» ist eine Promo-Pause. Ein Ort voller Instrumente – an dem die Werbung draußen bleiben muss. Und es wieder um das geht, um was es bei Musikern gehen sollte: Musik. Und echte Momente zwischen Menschen. Alle zwei Wochen jammen die Gastgeber Marti Fischer und Marie Meimberg mit Stars von großen Bühnen und spannenden Hinterhof-Tonstudios und gewährt in den Wochen dazwischen Einblicke hinter die Kulissen von «Bongo Boulevard». 2017 wurde «Bongo Boulevard» für den Grimme-Preis in der Kategorie "Kinder & Jugend" nominiert.Worum geht es in Ihrem Format und wer ist daran beteiligt?
Marie Meimberg: Wir haben uns dort, wo früher die Berliner in der Spree badeten, wo der hölzerne Sprungturm vor der Liebesinsel aus dem Wasser ragte - eine Oase für Musiker gebaut. Hier machen wir die Tür auf und lassen dieses immer gleiche Frage-Antwort-Spiel im Promo-Tour-Spektakel draußen. Und kümmern uns um das, worum es uns eigentlich geht: Musik. Und echte Momente zwischen Menschen. Je Episode laden wir, also das Team «Bongo Boulevard» und die Gastgeber Marti Fischer und ich einen musikalischen Gast oder eine Band zu uns ins «Bongo Boulevard»-Studio an die Spree. Hier steht eine 30qm große Sonderanfertigungs-Schallkabine gefüllt mit Instrumenten. Glühbirnen. Und Martis Loopstation. Was dann passiert, weiß niemand.
Es ist eine ehrliche, ungeskriptete Begegnung von Menschen, die ihre Liebe zur Musik teilen. Wir lernen Musiker auf völlig neue Weise kennen, wenn sie mit uns ihre eigenen Songs in einer spontanen «Bongo Boulevard» Jam-Session spielen, beobachten, wie sie unbekannte Instrumenten entdecken, sind dabei wie völlig neue Songs entstehen und lauschen Gesprächen, die von der Wärme der strahlenden Glühbirnen leben. Dafür haben und nehmen wir uns das, was vielen anderen solcher Plattformen fehlt: Zeit. Und einen Rahmen, der zwar klar «Bongo Boulevard» - aber gleichzeitig sehr flexibel ist. Je nachdem, wer zu Besuch kommt. Mal ist es totale Eskalation, mal ist es zart, mal mehr Quatsch, mal mehr Inspiration…
Wie kam die Idee zum Format zustande?
funk wollte Musik und ich wollte schon immer ein Format für Musikerinnen und Musik, welches wieder das in den Fokus rückt, worum es wirklich geht - nicht den Tratsch und Klatsch, nicht die immer gleichen Fragen im Promo-Spektakel, sondern Musik. Und echte Momente zwischen Menschen. Und wer könnte dafür ein besserer Partner sein, als Marti Fischer? Er hatte Bock, ich hatte Bock - und so entwickelte ich «Bongo Boulevard». Und bin bis heute auf die wirklich schönste Art und Weise verwundert, dass funk diese Utopie mit uns umsetzt. Und genauso Bock hatte, wie wir.
Warum gehört das Format zu FUNK und zur Zielgruppe, die FUNK ansprechen will?
Weil funk mutig ist. Und Mut braucht man, um Ideen außerhalb der Box umzusetzen. Oder in unserem Fall - in einer Box. Voller Instrumente und Glühbirnen. Und die Community hat einfach keine Lust mehr auf Plastik-Interviews und gefakte Geschichten. Außerdem gibt es in Deutschland für die Zielgruppe viel zu wenige Plattformen für spannende MusikerInnen.
Interviewreihe 'What the funk?!'
Die Interviewreihe "What the funk?!" von Quotenmeter.de befasst sich alle zwei Wochen mit der öffentlich-rechtlichen Internetplattform funk. Welche Formate sind bei funk abrufbar? Wer steckt dahinter? Und wie arbeitet es sich eigentlich beim neuen Angebot? Die Teams der funk-Formate beantworten je einen Katalog aus standardisierten und individuellen Fragen.Welche Vorteile bietet Ihnen persönlich die Plattform FUNK und wie unterscheidet sich die Arbeit mit FUNK von Ihrer bisherigen Arbeit?
funk ermöglicht uns, mit Zeit und Leidenschaft etwas aufzubauen, das im Click-Bait-Challenge-Umfeld von YouTube sonst keine Chance hätte, den Kühlschrank aller Beteiligten zu füllen. Wir müssen das Influencer-Spiel nicht mitspielen und können uns darauf konzentrieren, was uns wichtig ist: Inhalte. Und geilen Scheiß. Der im Besten Fall auch noch einen Unterschied macht und andere inspiriert, eine Webvideo-Karriere jenseits von Produktplatzierungen und Kooperationen anzustreben. Sich bei der Wahl zwischen Influencer und Creator für das Kreieren zu entscheiden, auch wenn es der schwerere Weg ist. Genau deswegen passt funk so gut zur Meimberg GmbH. Weil es das bisherige Tun der Firma nicht verändert, sondern unterstützt. Weil hier zwei Partner zusammen kommen, die ähnliche Visionen und Haltungen haben.
Wo sehen Sie das Format inhaltlich in einem Jahr?
«Bongo Boulevard» soll das Online-Zuhause für MusikerInnen und Bands sein. Für die, die wir alle kennen - aber so nah noch nicht erlebt haben, und für die, die wir in der Box erst entdecken. Denn es gibt sie, die, die jenseits der Plastikmusik, jenseits des Kommerz-Sounds eine Bühne verdient haben. Wir möchten diese Bühne sein.
Sie sind Vorsitzende von 301+, einem Verbund von YouTubern, der sich für die Emanzipation von YouTubern von Netzwerken und für die Originalität von Inhalten einsetzt. Inwiefern passt «Bongo Boulevard» zu den Zielen von 301+ und wie hat Sie Ihre Zeit beim YouTube-Netzwerk Mediakraft in Ihrer Überzeugung bezüglich der Unabhängigkeit von YouTube-Produktionen bestärkt?
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Ich habe mich oft gefragt, was ich tun würde, wenn meine Haltung, meine Prinzipien at stake sind. Wir hoffen wahrscheinlich alle, dass wir nicht käuflich sind.
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Marie Meimberg über Unabhängigkeit auf YouTube
Das stimmt so nicht - zumindest nicht mehr.
Ich habe letztes Jahr den Verein darüber informiert, dass ich als Vorsitzende nicht mehr zur Verfügung stehe und meine Mitgliedschaft im Verein dieses Jahr gekündigt. Und meine Zeit bei Mediakraft hat mich menschlich viel mehr bestärkt, als inhaltlich. Ich war weniger als vier Monate dort als Head of Creation, das ist die kürzeste Zeit, die ich in meiner gesamten beruflichen Laufbahn irgendwo angestellt war - und habe noch in der Probezeit aufgrund unüberbrückbarer Differenzen fristlos gekündigt. Aber auch wenn das inhaltlich keinen Einfluss auf mich, meine kreative Arbeit und Überzeugungen hatte - war das, was ich in dieser kurzen Zeit über mich selbst gelernt habe nicht minder wertvoll. Ich habe mich oft gefragt, was ich tun würde, wenn meine Haltung, meine Prinzipien at stake sind. Wir hoffen wahrscheinlich alle, dass wir nicht käuflich sind. Dass wir auch dann Haltung bewahren, wenn wir Angst haben, was das für Konsequenzen hat. Wenn wir keinen Plan B haben. Aber wirklich wissen, tun wir es nicht. Nicht, bis wir in eine Situation kommen, in der genau das passiert.
Ich weiß dank meiner kurzen Zeit bei Mediakraft, dass ich Haltung habe. Und dass man mich, meine Stimme und Überzeugung nicht kaufen kann. Das hat meine Haltung, Stimme und Überzeugung nicht verändert oder verstärkt - aber mich. Und das ist wahnsinnig viel wert. Weil ein gestärktes Rückgrat hilft, wenn man ungemütliche Dinge anspricht - wenn man Kollegen darauf aufmerksam macht, dass man ihren Umgang mit Werbung und Kennzeichnung kriminell findet - wenn man Freunde und andere Webvideoproduzenten auf ihr sexistisches Verhalten anspricht - oder wenn man entlarvt, dass sich in der Szene viele als AktivistInnen präsentieren und dann ausgerechnet die vermeindlichen KritikerInnen hinter den Kulissen keinen Finger rühren… wer da kein Rückgrat hat, hält seinen Mund. Und spielt es mit, das Influencer-Spiel. Daher bin ich Mediakraft auf eine seltsame Weise sehr dankbar, dass ich seit meiner Zeit dort weiß, dass ich mich auch dann einsetze, wenn es ungemütlich für mich wird - weil ich einfach nicht so wichtig bin wie die Themen. Und weil mein Ego hinterm Tun Verschwindet.
Sie und Herr Fischer sind beide leidenschaftliche Musiker. Sie veröffentlichten nicht nur zahlreiche Musikstücke auf Ihrem YouTube-Kanal, sondern arbeiten auch für das Fernsehen. Mit «Bongo Boulevard» wollten Sie ein Format aufziehen, dass Künstler und ihre Musik in den Mittelpunkt stellt, aber ohne den klassischen PR-Talk auskommt. Wird Musik Ihrer Meinung nach heutzutage zu sehr als Wirtschaftsgut verstanden? Wäre ein Format wie «Bongo Boulevard» im Fernsehen mit dem Verzicht auf Promo überhaupt möglich? Und wie schwer fällt Ihnen die Akquirierung von Künstlern für «Bongo Boulevard» unter der Prämisse, dass nicht geworben werden darf?
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Wir machen natürlich auf unsere bongoboulevardeske Art Promo für unsere Gäste - und wir wünschen allen, dass sie auch finanziellen Erfolg haben - aber Musik, die nur für den finanziellen Erfolg entsteht, interessiert uns einfach nicht.
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Marie Meimberg
Die Frage ist doch vielmehr - mache ich Musik, der Musik wegen? Genügt sich die Kunst hier selbst - oder denke ich schon im Machen an den Markt? Ist das Gespräch, welches wir (über Musik) führen, ein Gespräch aus wahrem Interesse – oder aus Vermarktungsgründen? Sind es die immer gleichen Standard-Fragen und Antworten - oder lerne ich hier einen Menschen kennen? Wenn ich Musik der Musik wegen mache - wenn wir Gespräche führen, weil uns die Menschen interessieren - dann ist es doch total super, wenn die Musik auch noch kommerziell erfolgreich ist, oder die Gespräche zur Bekanntheit der KünstlerInnen führen. Denn wir machen natürlich auf unsere bongoboulevardeske Art Promo für unsere Gäste - und wir wünschen allen, dass sie auch finanziellen Erfolg haben - aber Musik, die nur für den finanziellen Erfolg entsteht, interessiert uns einfach nicht. Genau so, wie uns Gespräche nicht interessieren, die nur auf Promo aus sind.
Und genau deswegen machen wir sehr gerne abschließend voller Überzeugung steckende Promo für funk, weil funk uns die Möglichkeit gibt, so zu arbeiten. Unser Kühlschrank ist voll - und der Kopf frei. Gepaart mit Rückgrat sind das drei sehr wertvolle Zutaten, um jenseits vom kommerziellen Druck eine Bühne zu bauen, für das was uns wirklich interessiert: Musik.
Vielen Dank für das Interview, Marie Meimberg!
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