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Der Kompass zeigt in Richtung Materialschlacht
Immerhin: Rønning und Sandberg finden Wege, die auf dem ersten Blick ausgeleiert erscheinende Idee einer verfluchten, schurkischen Mannschaft so in Szene zu setzen, dass sie sich als sinnvolle Ergänzung der bisherigen «Pirates of the Caribbean»-Mythologie erschließt. Die Skelettpiraten aus dem Originalfilm waren unsterblich, konnten aber verletzt, zerteilt und behindert werden. Davy Jones' widerliche Crew war kompetenter und somit bedrohlicher als die teilweise chaotische Schurkenbesatzung aus «Fluch der Karibik», jedoch auch leichter zu verletzen. Blackbeards Zombiebesatzung aus «Pirates of the Caribbean – Fremde Gezeiten» war schwer zu besiegen, aber auch sehr passiv – wie aber sollen sich die Helden dieses neuen Piratenepos gegen wutentbrannte, zielstrebige Geister wehren? Von Säbeln, Pistolen und Kanonen lassen sie sich zumindest nicht aufhalten, und visuell sind sie auch eine bemerkenswerte Bereicherung dieser (gewohnt-prächtig ausgestatteten) Filmwelt: Salazar und seine Mannen sehen genauso aus, als seien sie in dem Moment eingefroren, in denen sie vor Jahrzehnten durch einen Geniestreich Jacks übertölpelt wurden und tödlich verunglückten.
Vielen Crewmitglieder fehlen Teile ihres Körpers, Salazars Haar und Uniform wabern stets vor sich hin, als befände er sich unter Wasser – sowohl vom Design her als auch in der Umsetzung sind diese Geisterfieslinge sehr gelungen. Die am nachhaltigsten beeindruckende Effektarbeit leisteten die Computeranimatoren aber in einem (etwas langen, aber faszinierenden) Rückblick auf Jack Sparrows Jugendjahre: Die digitale Verjüngung Johnny Depps ist täuschend echt und schlägt locker ähnliche Effekte, wie sie etwa in Marvel-Filmen zuletzt gehäuft zu sehen waren. In Sachen Materialschlacht hält sich «Pirates of the Caribbean – Salazars Rache» dafür an anderer Stelle zurück: Rønning und Sandberg opfern vergleichsweise wenig der rund 130 Filmminuten für aufwändig choreografierte, unmissverständlich auf See gedrehte Schiffskämpfe.
Viel mehr setzen sie auf mehrere, über den gesamten Film verteilte Actionspitzen, die von Geisterhaiattacken hin zum möglicherweise seltsamsten Bankraub der Blockbustergeschichte reichen. Für Abwechslung ist nicht bloß durch die große Bandbreite gesorgt, sondern auch aufgrund der variierenden Tonfälle der diversen Actioneinlagen. Diese bringt das Regieduo zumeist relativ zügig hinter sich, statt den Abenteuertrubel mit der Seelenruhe ihres direkten Vorgängers Rob Marshall zusammenzustellen oder in die exzentrisch-ausschweifende Manie seines Vorläufers Gore Verbinski auszubrechen.
Bildästhetisch hält sich Kameramann Paul Cameron («Déjà Vu», «Westworld») derweil nah an der visuellen Sprache von Dariusz Wolski, der den vorherigen vier Teilen der Reihe ihre schmissig-edle Optik verlieh. Er versucht sich dabei in den Tagesszenen an einem leicht goldfarbenen Stich, wie er aus den Farbillustrationen früher Abenteuerromane bekannt ist. Nacht- und Unterwasserszenen hingegen gibt Cameron ein sehr dominantes Schwarz mit, was die (eher mau mit der zusätzlichen Dimension spielende) 3D-Version des Films auf die Probe stellt.
Ein Norwegerduo erzählt keine harmlosen Geschichten
Obwohl die Actionsequenzen vergleichsweise zügig ablaufen, ist ihre Fallhöhe groß: Die «Pirates of the Caribbean»-Reihe ist seit jeher erstaunlich harsch für ein Franchise, das unter der Disney-Flagge segelt, und der im Original «Dead Men Tell No Tales» untertitelte Teil rückt von diesem Kurs kein Stück ab. Die Norweger Rønning und Sandberg lassen ihre nordisch-makabre Ader aufleben und veranstalten fast schon ein Massaker an Rand- und Nebenfiguren, so dass auch ohne explizite Gewaltspitzen die Bedrohung für die Protagonisten spürbar wird. Ebenso nimmt das Dialogbuch Kurs auf die Grenzen dessen, was unter dem Disney-Namen möglich ist: Den Piraten waren gewagte Sprüche zwar noch nie fremd, aber in derart rauer Menge wie hier wurde in der «Pirates of the Caribbean»-Saga noch nicht mit Zoten, schroffen Wortspielen und schamlos-spritzigen Andeutungen um sich geworfen.
Generell zählt dieses fünfte Piratenspektakel von Disney und Produzent Jerry Bruckheimer zu den humorbetonteren Einträgen in der Jack-Sparrow-Chronik: Nathanson, Rønning und Sandberg wiegen die harschen Momente sehr gekonnt mit Dialogspäßen und Situationskomik auf, ohne es dabei auf schlagartige Stimmungswechsel ankommen zu lassen. Narrativ ist dieser grobe, launige Abenteuersrabatz derweil schlichter und geradliniger, als die meisten seiner Vorgängerfilme: Die Geschichte ist einfach strukturiert und ist eher wenig darum besorgt, die Seemannsgarnmythologie der Reihe auszuarbeiten oder erzählerische Spielereien zu spinnen. Henry will den Fluch brechen, der auf seinem Vater liegt, und tut sich mit dem gejagten Jack Sparrow und der belesenen Carina Smyth zusammen – das war's. Ergänzt, verlängert, bereichert oder gestreckt (je nach Standpunkt) wird diese Geschichte durch ein paar sketchartige Einlagen, in denen die bunt zusammengewürfelten Figuren mit ihren Eigenarten glänzen. Dabei kommt auch Fanliebling Barbossa (Geoffrey Rush) zum Zuge, der sich zur Piratenausgeburt der Dekadenz weiterentwickelt hat und seine Hassfreundschaft mit Jack Sparrow unter gänzlich neuen Vorzeichen auflodern lässt.
Das veränderte Barbossa-Sparrow-Zusammenspiel gehört konsequenterweise zu den Fanservice-Elementen des Films, genauso wie die mal kessen, mal passionierten Einsätze früherer Musikthemen, die Komponist Geoff Zanelli clever in seinen wuchtigen, eingängigen Score einbindet. Gemeinhin versuchen alle Beteiligten, mit «Pirates of the Caribbean – Salazars Rache» einen Film abzuliefern, der dem Franchise einen würdigen, runden Schlusspunkt verleiht, sollte es (wie Disney in einigen Promomaterialien andeutet) nicht weitergehen. Für eingefleischte Fans hält das Abenteuer daher auch einige Gänsehaut-Momente bereit – die mystische, neue Rolle der Meereshexe Shansa (Golshifteh Farahani in faszinierend-bizarr-schauriger Aufmachung) und ein obligatorischer Abspannbonus lassen aber Fäden offen, die optional weiterverfolgt werden oder schlicht als Hinweis auf die sich weiter drehende Piratenwelt stehen bleiben können.
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Produzent Jerry Bruckheimer, Regisseur Espen Sandberg, die Darsteller Brandon Thwaites, Geoffrey Rush und Johnny Depp, «Fluch der Karibik»-Veteran Orlando Bloom, Schauspielerin Kaya Scodelario und Regisseur Joachim Rønning.
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Schauspieler Brenton Thwaites posiert mit piratig eingekleidetem Fan.
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Schauspieler Alexander Scheer, der eine kleine Gastrolle im Film hat, in Begleitung seiner Freundin, der Modedesignerin Esther Perbandt.
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Hauptdarsteller Johnny Depp schmeißt sich in Pose.
«Pirates of the Caribbean – Salazars Rache»: US-Premiere
Fazit
Alle, die noch nie etwas mit der «Pirates of the Caribbean»-Reihe anfangen konnten, werden auch beim fünften Anlauf fehl im Kinosaal sein – «Salazars Rache» ist stilistisch zu sehr als Geflecht aus den Vorgängerfilmen angelegt, als dass dieser Teil zugleich dienlich sein könnte, um Piratenallergiker zu bekehren. Innige Fans bekommen hingegen ein stringent erzähltes, neues Kapitel mit allerhand dezent eingeflochtenem, starkem Fanservice kredenzt (selbst wenn die Vereinbarkeit mancher Filmdetails mit dem erweiterten «Pirates of the Caribbean»-Kosmos zu Diskussionen einladen dürfte).
Allgemein gesprochen ist dieses Seeräubererlebnis ein sehr guter Anwärter, um sich in persönlichen Ranglisten zu den besseren Teilen der «Pirates of the Caribbean»-Reihe zu gesellen, selbst wenn es bei den wenigsten für den ersten Rang reichen dürfte: Für Anhänger der verqueren und bombastischen Filme wird er genug Tempo und ein pompöses Finale aufweisen, aber insgesamt zu stringent und bodenständig sein. Für diejenigen, die ihre Piratenabenteuer geradliniger bevorzugen, könnte dieses stellenweise zu mystisch-epochal sein, um an die Spitze zu segeln, dafür sind das Storytelling und die Action schnörkellos genug.
Der zielsicheren Inszenierung der Regisseure Rønning und Sandberg ist es zu verdanken, dass sich «Pirates of the Caribbean – Salazars Rache» angesichts dessen nicht etwa wie ein riesiger Kompromiss ohne Gewinner anfühlt, sondern als konsequenter Mittelweg: Freunde der übernatürlichen Abenteuerepik und des kauzigen Abenteuerspaßes, Fans der Reihe und "Normalos" – sie alle werden zu ähnlich großen Teilen bedient. Darauf 'ne Buddel voll Rum.
«Pirates of the Caribbean – Salazars Rache» ist ab dem 25. Mai 2017 in vielen deutschen Kinos zu sehen, zudem gibt es in zahlreichen Orten schon am 24. Mai Vorpremieren – in 2D und 3D.
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