Kein Alltagskrimi: In «Der Chef ist tot» wird der Kölner Filialleiter eines Logistikunternehmens tot aufgefunden – und alle Mitarbeiter haben ein Motiv, worauf die Ermittlerin mit amüsiertem Grinsen antwortet.
Cast und Crew
- Regie: Markus Sehr
- Darsteller: Petra Kleinert, Götz Schubert, Fritzi Haberlandt, Julia Hartmann, Lucas Prisor, Daniel Christensen, Guido Lambrecht, Rudolf Kowalski
- Drehbuch: Stefan Rogall
- Kamera: Stephan Schuh
- Schnitt: Renata Salazar-Ivancan
- Produktionsfirma: Zieglerfilm Köln
Filmkritiker, Romanautor und Drehbuchautor Stefan Rogall («Wir haben gar kein Auto») ergänzt das riesige Krimiaufgebot des deutschen Fernsehens durch «Der Chef ist tot» um einen Film, der den Genrestandards amüsiert entgegen tritt. Zumindest streckenweise. Aber der Reihe nach: In der Kölner Filiale der Firma "Heitere Logistik International" wird morgens der Chef tot im Flur liegend vorgefunden. Alle sind sich sicher: Es muss sich um Mord handeln. Und wovon ebenfalls alle unausgesprochen ausgehen: Es muss jemand aus der Firma gewesen sein. Schließlich kündigte der Chef an, dass er am Ende der Woche eine Kündigung aussprechen muss.
Was ein konventioneller "Whodunit" mit beschränktem Täterkreis und Motivabklopfen nach Schema F werden könnte, wird nicht nur durch den lakonischen Galgenhumor der potentiellen Mörder aufgelockert. Vor allem ist es Kommissarin Maxi Schweiger, die diesen Neunzigminüter von der Norm distanziert: Fritzi Haberlandt («Nebel im August») spielt die Ermittlerin mit einem süffisanten Grinsen und leichtfüßiger Arbeitshaltung – nicht aber im typischen Schmunzelkrimistil, wo die gern mal gemütlichen Ermittler keine Eile empfinden und sich die ungewollte Arbeit mit Scherzen verschönern. Stattdessen ist Schweiger sympathisch-emsig: Es ist der erste Mordfall, in dem man sie ermitteln lässt, was ihr einen gehörigen Motivationsschub gibt.
Haberlandt tänzelt fast schon durch die karge Bürolandschaft der Logistikfirma, macht ihre Figur damit aber nicht zu einer weltfremden Wolkentänzerin: Mit einem gelegentlich durchblitzenden, strengen Blick macht die Schauspielerin klar, dass ihre Figur einfach nur ihren ersten Fall genießt und es noch ein weiter Weg sein wird, bis diese unverbrauchte Art einer Routine weicht. Für die Zuschauerschaft ist diese lockere Art ein Vergnügen, für die Verdächtigen hingegen nicht: Das Quintett reagiert glaubwürdig auf diese Gute-Laune-Polizistin und ist misstrauisch oder genervt.
Die Figurenzeichnung der fünf Angestellten ist solide, jeder entspricht einem Büroklischee, mal leicht abgewandelt, mal nicht: Da wäre der frisch getrennte Michael Baumgartner (Götz Schubert), der mit dem (Ex-)Chef im Clinch lag. Die attraktive Gesa Porizkova (Julia Hartmann), die ihre Minderwertigkeitskomplexe mit tiefen Ausschnitten vertuscht und wegen der lockeren Büroaffäre zum nervösen Sören (Lucas Prisor) ein schlechtes Gewissen hat. Benno (Daniel Christensen) ist ein schüchterner Kerl – und zudem ein furchtbar mies bezahlter Freier. Und dann ist da noch die ebenso laute wie freche Buchhalterin Doris Meller (Petra Kleinert).
Der von Markus Sehr («Heiter bis tödlich: Zwischen den Zeilen») kompetent, aber etwas konturlos inszenierte Krimi funktioniert am besten, so lange er sich als Kammerspiel präsentiert und davon handelt, wie sich im Büro Unsicherheit breit macht. Ständig entstehen und brechen Allianzen zwischen den Verhörten, was Schweiger nicht entgeht – es macht ihr sogar sichtlich Freude. Wenn der Krimi von diesem Thema abschweift und auch das Privatleben der Angestellten zeigt, entsteht wiederum Leerlauf. Michael Baumgartner beim Streit mit seiner einst besseren Hälfte zu sehen, verleiht der Figur weder zusätzliches Profil, noch ist es so amüsant wie der Krimiplot. Solche Alltagspassagen nehmen dem Film etwas von seiner Einzigartigkeit, sie wirken wie Kompromisse, die nicht hätten geschlossen werden sollen: "Gut, für den Fall, dass dieses Krimischmunzelkammerspielkonzept den Leuten zu eigen ist, hier was Normalität."
Wenn Haberlandt mit hochgezogenen Mundwinkeln den Fall löst, bleibt vor diesem Hintergrund eine Frage offen: Sollte «Der Chef ist tot» als einmaliger Film stehen bleiben, selbst wenn er nicht so einzigartig geraten ist, wie es möglich gewesen wäre? Oder sollten wir uns wünschen, dass Schweiger ihre unverbrauchte Art beibehält, ein zweiter Film folgt und dieser dann die Grundidee von «Der Chef ist tot» stringenter durchzieht?
«Der Chef ist tot» ist am 22. Mai 2017 ab 20.15 Uhr im ZDF zu sehen.
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