2014 schwappte ein Trend in die norwegischen Kinos, der Jahre zuvor die deutschen Privatsender dominierte: Der Gedanke, die «Fast & Furious»-Fans mit eigenproduzierter Autorennaction anzusprechen.
Norwegisches Kino ist im deutschen Fernsehen ein seltener Gast – zumindest, wenn es sich nicht zufällig um eine Oscar-nominierte Produktion wie «Kon-Tiki» handelt. RTL Nitro traut sich allerdings an das Filmschaffen der Nordlichter heran und zeigt mit «Börning - The Fast & The Funniest» einen norwegischen Actionfilm aus dem Jahr 2014. In seinem Heimatland gewann die temporeiche, humorvolle Produktion vier der angesehenen Amanda Awards (Norwegens Pendant zur Lola) und lockte annähernd 400.000 Besucher in die Kinos – womit sie unter anderem mehr Menschen erreichte als «Guardians of the Galaxy», «Deadpool» oder «Zoomania». Eine Fortsetzung raste 2016 sogar zu noch höheren Besucherzahlen.
Wie der für den deutschen Markt hinzugefügte Untertitel bereits verrät: «Börning» ist als Antwort auf die US-Blockbusterreihe «Fast & Furious» gedacht – zumindest, wenn man den Film sehr oberflächlich betrachtet. Immerhin geht es um illegale Straßenrennen. Da aufgeweckte Publikum wird einwerfen, dass dies seit dem dritten Teil des Universal-Pictures-Franchises kaum noch Thema ist. Für Vermarkter ist diese Parallele aber ausreichend genug – Neugier beim ahnungslosen Zuschauenden weckt es jedenfalls. Und es dürfte mehr Leute beim Durchscrollen des Programmguides auf RTL Nitro achten lassen als würde der Film ohne den Untertitel eingespeist.
Inhaltlich steht «Börning» aber mehr in der Tradition von Wettrenn-Actionkomödien vergangener Jahrzehnte, während es die Optik allein ist, die an «Fast & Furious» erinnert. Die Story dreht sich nämlich um eine Bande von Autofreaks, die ein Rennen quer durch Norwegen plant. Auf dieser über 2200 km langen Strecke stoßen die Fahrer allerdings nicht nur technisch, sondern auch persönlich an ihre Grenzen – zu lustigen, aber auch aufreibenden Folgen ...
Die «Crazy Race»-Saga
Und darf sich «Börning - The Fast & The Funniest» als ernstzunehmende, späte Antwort auf eine nunmehr nahezu vergessene Filmreihe aus Deutschland verstehen. m März 2003 kombinierte RTL nämlich zwei Kinoerfolge aus dem Jahr 2001: Man nehme das illegale Straßenrennen aus «The Fast and the Furious» und den schrill-albernen Humor aus der Wettrennkomödie «Rat Race – Der nackte Wahnsinn». Mit prominenten Namen wie Ludger Pistor, Dolly Buster, Dirk Bach, Ingolf Lück, Ottfried Fischer und Sissi Perlinger bestückt, raste die Michael-Keusch-Regiearbeit zu 6,15 Millionen Zuschauern (17,5 Prozent Marktanteil) und Rang zwei des Tages – direkt hinter dem «Tatort». Bei den Umworbenen landete die damals teuerste fiktionale Eigenproduktion der RTL-Historie bei 4,76 Millionen und 28,6 Prozent, was den Tagessieg nach sich zog – sowie grünes Licht für eine Fortsetzung.
Diese schwamm 2003 zudem auf der Ostalgie-Welle mit (passend zum Kinostart von «Good Bye, Lenin!»). Erneut waren 4,76 Millionen Werberelevante mit an Bord, was beim Sequel aber sogar für starke 29,2 Prozent genügte. Insgesamt wurden 6,67 Millionen Actionfans gemessen, womit der dritte Teil 2007 nicht mehr mithalten konnte: «Crazy Race 3 – Sie knacken jedes Schloss» sprach trotz Castmitgliedern wie Mario Barth, Nazan Eckes und Herbert Feuerstein oder den Wildecker Herzbuben nur 3,17 Millionen Fernsehende an, was mauen 10,0 Prozent glich. Bei den 14- bis 49-Jährigen wiederum wurden immerhin 2,20 Millionen und sehr gute 18,3 Prozent erreicht. Ironisch: Als "«Ocean's Eleven» mit schnellen Autos" lässt sich dieser von der Fachpresse als infantil verschriener Film als geistiger Vorvater von «Fast & Furious Five» betrachten, welcher der «Fast & Furious»-Reihe einen heftigen Popularitätsschub bei Kritikern und zahlenden Kinogängern gleichermaßen verpasst hat.
«African Race – Die verrückte Jagd nach dem Marakunda» führte die RTL-Reihe am Neujahrstag 2008 von überraschend positiven Kritiken begleitet weiter, und mit 4,00 Millionen Interessenten wurden immerhin passable 11,4 Prozent eingefahren. Bei den Umworbenen winkten 2,80 Millionen Filmfreunde und sehr gute 18,4 Prozent.
Michael Keusch legte in der Zwischenzeit übrigens einen Misserfolg hin: Der «Crazy Race»-Regisseur brachte 2004 mit «Autobahnraser» eine sehr deutlich an «The Fast and the Furious» angelegte Rennspielverfilmung in die deutschen Lichtspielhäuser. Von der Kritik verrissen lockte der mit einem proppenvollen Hit-Soundtrack ausgestattete Film bei einem Budget von 7,2 Millionen Euro nicht einmal 250.000 Menschen in die hiesigen Kinos. Zum Vergleich: Ein Jahr zuvor kam «2 Fast 2 Furious» auf 1,69 Millionen verkaufte Tickets.
ProSiebens Serie, die beim Start 'nen Kolbenfresser bekommt
Siehe auch unsere Kino-Kritiken zu:
Auf diesen Autofilmen sollte es die hiesige Branche nicht beruhen lassen. 2008 hatte die ProSiebenSat.1-Gruppe etwas richtig Großes vor: Sie ließ einen 95-minütigen Pilotfilm für eine Actionserie namens «Fast Track: No Limits» produzierten, der mit Blick auf den Auslandsmarkt mit einem internationalen Cast in englischer Sprache gedreht wurde. Mit ins Boot wurde action concept geholt, die Firma, die hinter dem RTL-Dauerrenner «Alarm für Cobra 11» steht, Regie führte «Crazy Race 3»-Macher Axel Sand. Mit einer farbintensiven Ästhetik sollte der TV-Film über eine Gruppe befreundeter Autonarren, die liebend gern illegale Rennen fahren, eine internationale Erfolgsserie begründen – doch dem Titel zum Trotz wurde keine unbegrenzte Serienbestellung auf die Überholspur geschickt.
Die von «Monk»-Autor Lee Goldberg geschriebene Actionstory lockte nur 1,58 Millionen Menschen an, was 5,3 Prozent Marktanteil entsprach – und dies trotz eines immens gefragten Fußballspiels im direkten ProSieben-Programmvorlauf. 1,22 Millionen Werberelevante entsprachen zudem mageren 9,7 Prozent Marktanteil, was die mit großen Hoffnungen über den Äther geschickte Sendung hinter VOX landen ließ, wo Eddie Murphys «Dr. Dolittle» wiederholt wurde. Auch in anderen Märkten lief es eher bescheiden, weswegen es keine Fortsetzung gab.
«Börning - The Fast & The Funniest» ist am 16. Mai 2017 ab 20.15 Uhr bei RTL Nitro zu sehen.
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