Im Andenken an Max Frisch inszeniert Regielegende Volker Schlöndorff auf Basis des gleichnamigen Originaldrehbuchs die bittersüße Romanze «Rückkehr nach Montauk», deren Leidenschaft noch nicht einmal von den gestelzten Dialogen gebrochen werden kann.
«Rückkehr nach Montauk»
- Kinostart: 11. Mai 2017
- Genre: Drama/Romanze
- FSK: o.Al.
- Laufzeit: 106 Min.
- Kamera: Jérôme Alméras
- Buch: Volker Schlöndorff, Colm Tóibín
- Regie: Volker Schlöndorff
- Darsteller: Stellan Skarsgård, Nina Hoss, Bronagh Gallagher, Niels Arestrup, Susanne Wolff, Robert Seeliger, Rebecca Knox
- OT: Return to Montauk (DE 2017)
Schriftsteller Max Frisch hat 1975 eine Erzählung mit dem Namen «Montauk» geschrieben, Regisseur Volker Schlöndorff («Diplomatie») will seinen Film jedoch nicht als Adaption derselben verstanden wissen. Stattdessen beruht seine melancholische (Anti-)Liebesgeschichte auf einem Drehbuch von Colm Tórbin («Brooklyn – Eine Liebe zwischen zwei Welten»), das sich nur äußerst vage an den Ereignissen des Romans orientiert. Darüber hinaus soll «Rückkehr nach Montauk» in erster Linie dem Andenken an Max Frisch gewidmet sein und so ist der Film letztendlich zwar gespickt mit vielen kleinen Anspielungen an die Novelle, steht jedoch gleichermaßen komplett für sich. Erzählerisch mag das dem Zuschauer durchaus hölzern vorkommen, denn trotz klar definiertem Anfangs- und Endpunkt plätschert «Rückkehr nach Montauk» die meiste Zeit über recht lethargisch vor sich hin. Das macht aber gar nichts denn in diesem Fall spricht hieraus nicht etwa erzählerisches Unvermögen, sondern die Besinnung auf den Wert des Hier und Jetzt. «Rückkehr nach Montauk» beobachtet drei Menschen dabei, wie diese am Ist-Zustand etwas ändern wollen, ohne dabei in die Vergangenheit eingreifen zu können. Dahinter steckt das Verlangen danach, Fehler wieder gut zu machen, aus selbigen zu lernen und sich endlich dem hinzugeben, wonach man dürstet – in diesem Fall der Liebe.
Das Ganze geschieht zwar unter zumeist ziemlich gestelzten Dialogen, aus denen selbst die talentierten Darsteller nicht immer das Optimum an Emotion herausholen können, doch es ist schon erstaunlich, mit welcher Präzision die Geschehnisse hier beobachtet werden, sodass am Ende immer noch viel Leidenschaft beim Zuschauer ankommt.
Die eine Liebe, die man nie vergisst
Es gibt eine Liebe im Leben, die du nie vergisst. Der Schriftsteller Max Zorn (Stellan Skarsgård) kommt zu seiner Buchpremiere nach New York. Seine junge Lebensgefährtin Clara (Susanne Wolff) ist ihm vorausgereist, um an der US-Veröffentlichung mitzuarbeiten. In seinem Roman schreibt Max vom Scheitern einer Liebe in dieser Stadt. Nicht ganz zufällig trifft er Rebecca wieder, die Frau von damals (Nina Hoss). Sie ist inzwischen eine sehr erfolgreiche Anwältin, ursprünglich aus Ostdeutschland und seit 20 Jahren in New York. Sie beschließen, noch einmal ein Wochenende miteinander zu verbringen. Es ist Winter in Montauk, dem kleinen Fischerhafen mit dem berühmten Leuchtturm am Ende von Long Island. Zwei Strandstühle am windgepeitschten Meer. Sie warten auf zwei Menschen, die einander für lange Zeit verloren hatten. Nun kehren sie zurück, voller Trauer um das versäumte Leben und Hoffnung auf die Zukunft. Die Körper erinnern sich, aber sie wissen nicht, ob sie die Zeit ungeschehen machen können. In Montauk werden sie es herausfinden.
Es kann sehr reizvoll sein, Menschen dabei zuzuhören, wie diese über die Liebe reden, anstatt sie einfach auszuleben. Gleichzeitig tut man einem so emotionalen Thema Unrecht, wenn man es verkopft – und die Gefühle bleiben schnell auf der Strecke. «Rückkehr nach Montauk» geht kühn und kalkuliert an die Frage heran, wann man liebt, wen man liebt und warum man überhaupt liebt. Dadurch theoretisiert der Film hier und da mehr, als es gut für die Figuren ist, denn auch deren Interaktion beschränkt sich allzu oft darauf, zu analysieren, anstatt einfach zu machen. Wer immer nur in seiner Vergangenheit herumstochert und sich so davor verschließt, in die Zukunft zu blicken, der kann seinem Umfeld (und in diesem Fall ist damit der Kinozuschauer gemeint) schon mal auf den Zeiger gehen.
Entsprechend schleppend gestaltet sich die erste halbe Stunde von «Rückkehr nach Montauk», in der es hauptsächlich darum geht, zu zeigen, dass Hauptfigur Max trotz der Beziehung zu seiner Freundin Clara in Gedanken bei einer längst erloschenen Liebe ist, die er hier in New York nach langer Zeit wiedersehen könnte. Stellan Skarsgård («Verräter wie wir») dabei zuzusehen, wie dieser bedrückt durch den Big Apple schlendert und sein Business-Programm professionell am Laufen hält, ist daher nicht von größtem Unterhaltungswert. Aber es bildet immerhin die Grundlage für eine allgegenwärtige Verunsicherung, die später die Interaktion mit ihm und den beiden wichtigsten Frauen seines Lebens dominiert.
Leidenschaft im Detail, gestelzte Dialoge an der Oberfläche
Angefangen bei seiner Freundin. Susanne Wolff («Morgen hör ich auf») versieht diese Clara mit einem ansteckenden Optimismus. Trotz des mehrere Jahrzehnte umfassenden Altersunterschiedes stellt sich die Frage, ob sie und ihr Max zusammen passen, nicht. Als Paar funktionieren sie und Skarsgård gut, agieren harmonisch und auf Augenhöhe. Doch diese Selbstverständlichkeit im gegenseitigen Austausch wird gehemmt, als man Max mit Rebecca interagieren sieht. Nina Hoss («Barbara») spielt zunächst kühl und distanziert, doch die emotionale Nähe zwischen ihrer Figur und jener von Max ist ab dem ersten Aufeinandertreffen der beiden spürbar. Das berühmte „unsichtbare Band“ ist es, das beide verbindet und was der Zuschauer in jedem kleinen Blick registriert. Dagegen wirken die Dialoge fast schon grobschnittig; betonen diese doch immer wieder Dinge, die man ohnehin spürt. Fast scheint es, als würde Volker Schlöndorff seinem Publikum nicht trauen, das Knistern zwischen den Figuren selbst zu entdecken. Stattdessen lässt er diese aussprechen, was man mit Blicken eigentlich viel subtiler sagen könnte. Dasselbe gilt für die punktuell eingesetzten Rückblenden, die Teile der Vergangenheit offenbaren, von denen es ebenfalls nicht alle gebraucht hätte. Viel vom Reiz, den die Figuren ausmachen, entsteht nämlich vor allem durch die sie umgebenden Geheimnisse.
Eine Sache ist dann allerdings doch bemerkenswert: Wenngleich «Rückkehr nach Montauk» sowohl durch die Dialoge selbst, als auch durch die krude Übersetzungspolitik (der Film wurde auf Englisch gedreht, obwohl die meisten der Figuren eigentlich gebürtige Deutsche sind; gleichzeitig wird der Film ausschließlich in einer synchronisierten Fassung in den Kinos zu sehen sein) fängt Volker Schlöndorff das Gebaren seiner Charaktere so kongenial ein, katapultiert sie in absolut authentische Situationen und lässt sie entsprechend realistisch damit umgehen, sodass sich alles an «Rückkehr nach Montauk» trotzdem echt anfühlt. Das Drehbuch setzt sich intensiv mit der Gefühlswelt der Protagonisten auseinander und steuert damit nicht auf ein einfaches Happy-End-Szenario zu. Tatsächlich wird es irgendwann sogar egal, wer diese Reise anschließend mit wem im Arm beenden wird. «Rückkehr nach Montauk» befasst sich mit dem Wert der Auseinandersetzung und betont, wie wichtig es ist, Unausgesprochenes endlich auszusprechen. Das erfordert Muße vom Publikum, denn mit großem technischen Schnickschnack kann (und muss) der Film nicht glänzen. Aber nach dem Kinobesuch fühlt man sich immerhin ein Stückweit mehr verstanden, als vorher.
Fazit
Eigentlich bemüht Volker Schlöndorffs melancholische, gerade zu Beginn zähe Liebesgeschichte «Rückkehr nach Montauk» viel zu oft den Holzhammer, um dem Zuschauer seine Botschaften einzutrichtern. Doch gleichzeitig ist der Regisseur so genau und detailliert in seinen Beobachtungen, dass man das Gezeigte trotzdem als wahrhaftig empfindet.
«Rückkehr nach Montauk» ist ab dem 11. Mai in ausgewählten deutschen Kinos zu sehen.
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11.05.2017 10:46 Uhr 1