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Stefan Scheider: Über die Kunst, die Ruhe zu bewahren

Im Rahmen unserer neuen Reihe „2017 – Ihre Wahl“ sprachen wir mit BR-Moderator Stefan Scheider über heikle Fernsehmomente, den Kampf gegen „Fake News“ und dem Zeigen von Haltung.

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„In der Sekunde war mir ehrlich gesagt sehr unwohl"


5 kurze Fragen - 5 kurze Antworten: (Teil 2)

  1. Wie können Sie als Politikjournalist gegen Politikverdrossenheit vorgehen? Haben wir denn Politikverdrossenheit? Ich habe das Gefühl, dass eine Generation heranwächst, die sehr wohl drauf achtet, ob nachhaltig regiert wird, ob sozial regiert wird, ob die Abgehängten und Benachteiligten mitgenommen werden.
  2. Haben Sie jemals selbst überlegt, in die Politik zu gehen? Der Job eines Politikers würde mich zwar mal interessieren, aber nicht reizen.
  3. Was würden Sie tun, wenn Sie einen Tag lang Bundeskanzler wären? Ich bin ein großer Freund der Interaktion. Deshalb würde ich in der Früh in das Bundeskanzleramt gehen und in den sozialen Medien überall posten: ‚Hey Leute, ich bin für einen Tag Bundeskanzler. Was kann ich für euch tun?‘ Das würde ich einsammeln und dann die Dinge rauspicken, die man an einem Tag schaffen kann.
Ganz im Gegensatz zum ‚Alltagsgeschäft‘ muss Stefan Scheider auch immer wieder ARD-Brennpunkte übernehmen, die weit über Bayern hinausgehen. Solche Breaking News-Situationen wie im Falle des Amoklaufs in München sind für Politikjournalisten eine Gratwanderung zwischen der dünnen Informationslage und dem Informationsbedürfnis der Zuschauer. Wichtig in solchen Situationen, so Scheider, sei eine offene Kommunikation über noch ungesicherte Informationen mit dem Zuschauer.

So agierte er beispielsweise auch, als ihm damals während der Sendung zu den Geschehnissen im OEZ ein Smartphone ins Studio gereicht wurde, auf dem der mögliche Amokläufer vor dem McDonald’s zu sehen war – er sollte das Handyvideo in die Kamera halten. „In der Sekunde war mir ehrlich gesagt sehr unwohl. Das habe ich den Zuschauern dann auch gesagt.“ Doch in diesem Moment hat er seinem Team im Hintergrund vertraut. Und bis heute bekommt er für seine ruhige und besonnene Moderation an diesem Abend positives Feedback seitens des Publikums.

Und vielleicht ist genau diese transparente Kommunikation einer der Wege, um „Fake News“ adäquat begegnen zu können. Ein neuer Begriff für ein Phänomen, das es schon seit der Existenz des Journalismus gebe. Stefan Scheider geht trotzdem davon aus, dass wir künftig mehr mit „Fake News“ zu tun haben werden. Doch der Moderator glaubt, „dass mehr Bundesbürger als gedacht selber einen Sensor haben, ob sie eine Nachricht zum Beispiel auf Facebook oder Twitter für voll nehmen sollen oder nicht.“ Auf Lügenpresse-Vorwürfe reagiere man am besten wiederum mit Ruhe und Besonnenheit – bloß „nicht genauso laut zurückbellen“, sondern sachlich bleiben und sich an die Fakten halten.

„Ich habe mir in diesem Moment erlaubt, Haltung zu zeigen“


Den Begriff ‚Populismus‘ möchte er On Air allerdings nicht mehr in den Mund nehmen. „Allein dieses Wort ist für all diese Menschen, die die Populisten eingefangen haben, ein rotes Tuch.“ Auch Stefan Scheider merkte in den letzten Jahren zunehmend, dass sich das Klima verändert hat. Dem gebürtigen Regensburger mag gerade das durchaus schwerfallen, schließlich ist es ihm auch wichtig, Haltung zu zeigen. Aber genau das scheint dann nicht bei jedem Zuschauer gut anzukommen. Scheider moderierte vor über anderthalb Jahren den ARD-Brennpunkt nach der Grenzöffnung für Flüchtlinge. „Ich habe mir in diesem Moment erlaubt, ein bisschen Haltung zu zeigen und es für gut zu heißen, dass Deutschland Herz, humanitäre Größe und Nächstenliebe zeigt. Ich finde es bis heute richtig, was wir da gemacht haben. Vieles was danach kam, hätte man besser und anders handhaben können. Aber in diesen Stunden haben wir das einzig richtige gemacht und Herz gezeigt und die Tore geöffnet. Das habe ich im Brennpunkt ein bisschen spüren lassen.“

Die Folge waren zahlreiche erboste E-Mails von Zuschauern, teilweise mit konkreten Drohungen wie ‚Ich hau dir in die Fresse und ich finde dich‘. Die ein oder andere Zuschrift hat Stefan Scheider dann auch sachlich beantwortet, um zu erklären, warum er Haltung zeigte. „Ich habe aber gemerkt, dass ich komplett gegen eine Wand rede. Da kamen nur purer Hass und Hetze zurück. Ich fürchte auch, dass bei diesen Leuten zum Teil mit der Kraft der Argumente nur noch wenig auszurichten ist.“

Dank des ebenfalls vorhandenen guten Zuschauer-Feedbacks nach solchen Brennpunkten bleibt Stefan Scheider aber positiv gestimmt. „Im Grunde genommen habe ich das Gefühl, dass noch nicht alles zu spät ist.“ Trotz seiner ernüchternden Erfahrungen bleibe das erste Mittel gegen Populismus immer noch eine ruhige und sachliche Debatte. „Aber es gibt keine große Formel, kein Patent-Rezept, um den Populismus zu bekämpfen.“ Vor allem der journalistische Umgang damit ist definitiv nicht einfach. „Ich glaube, da findet noch eine Suche statt, wie wir mit Populismus umgehen. Aber ich weiß noch nicht, wie die Lösung aussehen könnte.“

Die Ruhe bewahren


Es sind die zentralen Fragen des nahenden Bundestagswahlkampfes, doch „Fake News“ und Populismus schienen zu Beginn des Jahres durch Martin Schulz‘ Kanzlerkandidatur für die SPD etwas in den Hintergrund gerückt. Stefan Scheider freut sich jedenfalls über die Entwicklung. „Als Politikjournalist sagt man natürlich ‚Wow, jetzt wird es aber nochmal spannend, wenn die SPD im Superwahljahr plötzlich ihre Spitze verändert.‘ Ich glaube, mit diesem Wechsel haben die Bundesbürger mit der Entscheidung zwischen Merkel und Schulz, vor allem im Hinblick auf Frankreich oder die USA, eine sehr gute Wahl.“

So stehen für Politikjournalisten bis zur Bundestagswahl einige interessante Monate ins Haus, nachdem mit 2016 ein Jahr langsam in Ferne rückt, das von zahlreichen Hiobsbotschaften und Extremsituationen geprägt war. Doch auch in solchen Zeiten müssen Journalisten in hitzigen Situationen einen kühlen Kopf bewahren. Es ist vielleicht die Botschaft, die Stefan Scheider uns allen mitgeben möchte. Sich nicht von der allgemeinen Aufregung mitreißen lassen. Keine Angst vor „Fake News“ oder Politikverdrossenheit. Nicht aufgrund der Nachrichtenlage in der Welt in Hysterie verfallen. Einfach einen Gang runterschalten und die Ruhe bewahren.
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03.05.2017 11:00 Uhr Kurz-URL: qmde.de/92818
Robert Meyer

super
schade

92 %
8 %

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Tags

ARD-Mittagsmagazin Rundschau

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