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«Dear White People»: Netflix am Puls der Zeit

Ein Coup für Netflix: Die neue Serie um das komplizierte Verhältnis zwischen weißen und schwarzen Studenten an einer amerikanischen Elite-Universität ist nicht nur wichtig und aktuell, sondern auch gut erzählt.

Cast & Crew

Produktion: Sisterlee Productions, Culture Machine, Code Red, Homegrown Pictures, Roadside Attractions, Lionsgate Television
Schöpfer: Justin Simien
nach seinem gleichnamigen Film
Darsteller: Logan Browning, Brandon P. Bell, DeRon Horton, Antoinette Robertson, John Patrick Amedori, Ashley Blaine Featherson, Giancarlo Esposito u.v.m.
Executive Producer: Yvette Lee Bowser, Stephanie Allain und Julia Lebedev
Die fiktive Winchester University ist eine der besten Universitäten des Landes – und damit: eine kosmopolite, weltoffene, moderne, linksliberale Insel der jungen Elite Amerikas, die ihre Zukunft an den exponierten Stellen der Gesellschaft verbringen wird.

Was zu diesem Umfeld nicht passt: Alltagsrassismus, der bei der ersten sich bietenden Gelegenheit voll durchschlägt. Ein Haufen weißer Studenten veranstaltet eine Blackface-Party, die von der schwarzen Studentenschaft zügig auseinandergenommen wird, bis die Campuspolizei die Auseinandersetzung auflöst.

Für die schwarze Studentin Samantha White (Logan Browning) bietet das Ereignis einen gelungenen Aufhänger für ihre studentische Radiosendung „Dear White People“, in deren Rahmen sie regelmäßig die komplexen Race Relations an ihrer Bildungseinrichtung analysiert. Unter ihren Kommilitonen polarisiert sie: Für die Einen spricht sie überspitzt, aber folgerichtig wichtige Missstände aus und offenbart, dass Bildung die alltagsrassistischen Brandherde zwar kaschieren, aber nicht beseitigen kann. Für die Anderen ist sie eine wichtigtuerische Spalterin. Ein Punkt, an dem sich der kunstvolle Erzählduktus von Schöpfer Justin Simien zeigt: Die Trennlinien zwischen diesen beiden Gruppen korrespondieren nicht mit den ethnischen.

Simien und seine Autoren nähern sich ihren Themen mit großem Feingefühl und einem scharfen Beobachtungssinn – und es gelingt ihnen, die Stufen der Eskalation so graduell zu erzählen, dass der kumulative Siedepunkt nicht nur für die Charaktere wie für den Zuschauer überraschend kommt, sondern als ein erschütterndes Spiegelbild die realen Verhältnisse haltungsvoll und frei von verwässernder Didaktik kommentiert.

Doch «Dear White People» hat trotz seiner Beschäftigung mit „Black Lives Matter“ und den häufigen Debatten seiner Charaktere über die Bürgerrechtsbewegung, ihre Helden und ihre Bedeutung als Vorbild für heutige Aktivisten und gesellschaftliche Veränderungen nicht nur eine politische Agenda. Sie interessiert sich nicht minder auch auf psychologischer Ebene für das Thema Identität – sei sie ethnisch, intellektuell, sexuell oder sozial. Hilfreich ist da das breit gefächerte Figurenpersonal der Serie und ihr dramaturgisches Paradigma, das jede Folge aus dem Blickwinkel einer anderen Figur erzählt. Dabei bemüht sich «Dear White People» ambitioniert um die Vermeidung jedweder Stereotypisierung, was allerdings aufgrund ihres komödiantischen Genres, das bis zu einem gewissen Punkt von einer solchen Stereotypisierung und Generalisierung leben muss, nicht vollends glückt.

Doch Netflix ist hier ein Coup gelungen: eine heitere, aber nicht minder provokante Serie, aktuell und mit Haltung erzählt. Dass reaktionäre Trolle wegen angeblich antiweißer Tendenzen zu ihrem Boykott aufgerufen haben, zeigt, dass Netflix und ihre Macher auf dem richtigen Weg sind.
30.04.2017 12:00 Uhr Kurz-URL: qmde.de/92801
Julian Miller

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Dear White People

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