Wichtiger als die Quoten vom Vortag sei die langfristige Pflege der Marke des Senders, sagt der Chairman von NBC Entertainment. Die gelebte Realität im deutschen Fernsehen ist das reine Gegenteil.
„Wir müssen uns endlich verabschieden von der Betrachtung der Einschaltquoten vom Vorabend. Sie sagen nicht genug darüber aus, wie erfolgreich ein Programm mittelfristig sein kann. Die lineare Einschaltquote hat heute eine viel geringere Bedeutung für den kulturellen Effekt einer Show.“
Dieser bemerkenswerte – vielleicht gar erstaunliche– Satz findet sich
in einem Bericht zur diesjährigen NAB Show in Las Vegas von DWDL. Bemerkenswert deshalb, weil es sich hier um das Zitat des Chairmans von NBC Entertainment Robert Greenblatt handelt.
Ein Senderchef, der die Bedeutung der Einschaltquoten vom Vortag als allgemeine Währung der Branche kleinredet? In den USA vielleicht aufgrund der geringeren Bedeutung der
Overnight Ratings zugunsten einer Einbeziehung des zeitversetzten Konsums noch vorstellbar, wenn auch in dieser Konsequenz nicht minder überraschend. In Deutschland wären solche Äußerungen dagegen blinde Utopie.
Viel wichtiger, so Greenblatt, sei die Schärfung der Marke NBC und ihre Assoziation mit inhaltlich starken Formaten, von «The Voice» bis «Saturday Night Live». Vor allem wie die (derzeit zumeist hochpolitischen) Sketche letzterer Sendung konsumiert werden, ob in der hauseigenen Mediathek oder bei YouTube, sei sekundär – solange sie nur als Produkt von NBC identifizierbar sind.
Der Kern dieser Argumentation ist die Langfristigkeit – ob sie in der amerikanischen
Corporate-Welt auch in der Realität so gelebt wird, die sich nicht viel anders als die deutsche zumindest auf Konzernebene von Quartalszahlen zu Quartalszahlen hetzt, steht vielleicht auf einem anderen Blatt. Doch vergleicht man Greenblatts Grundsätze und die ihnen zugrunde liegende wirtschaftliche Kernausrichtung, die er für NBC anstrebt, mit der Außenwirkung der großen deutschen Privatsender, offenbaren sich zahlreiche Gegensätze.
Während Greenblatt für seinen Sender den Markenkern und den kulturellen Effekt seiner Sendungen als das Wichtigste erachtet – weitaus wichtiger als die Quoten vom Vortag – sieht die gelebte Realität von Sat.1 nach dem Gegenteil aus: Seit Jahren kaum inhaltliches Profil, ein widersprüchliches Mäandrieren zwischen leidenschaftlichem Fernsehen («Genial Daneben». Die NFL-Berichterstattung.) und einem Wühlen in den Niederungen boulevardesker Gefilde, und nicht nur am Vorabend die gelebte Ideenlosigkeit. Drüben bei RTL wirken die kaputtoptimierten Shows auch eher auf den maximalen kurzfristigen Effekt hin produziert, vom verantwortungslosen Scripted-Reality-Nachmittagsprogramm einmal ganz zu schweigen.
Ob man Robert Greenblatt vielleicht mal «Verdachtsfälle» zeigen sollte?
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