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Die glorreichen 6: Animationsfilme für Erwachsene (Teil VI)

Im letzten Teil unserer Reihe über erwachsenenorientierte Animationsfilme gehen wir auf Charlie Kaufmans melancholischen «Anomalisa» ein.

Die Handlung


Filmfacts: «Anomalisa»

  • Regie: Duke Johnson, Charlie Kaufman
  • Produktion: Duke Johnson, Charlie Kaufman, Dino Stamatopoulos, Rosa Tran
  • Drehbuch: Charlie Kaufman
  • Musik: Carter Burwell
  • Kamera: Joe Passarelli
  • Schnitt: Garret Elkins
  • Veröffentlichungsjahr: 2015
  • Laufzeit: 90 Minuten
  • FSK: ab 12 Jahren
Der erfolgreiche Motivationstrainer und Bestsellerautor Michael Stone (David Thewlis) reist durch Amerika und begeistert mit seinen Vorträgen unzählige Menschen. Viele hoffnungslose Fälle hat er durch sein Buch erlöst, doch nun scheint er selbst in eine große Krise zu geraten. Während er anderen Menschen hilft, wird sein Leben immer leerer und bedeutungsloser. Müde vom vielen Reisen, lustlos über sein Leben als Familienvater, kommen ihm alle Menschen gleich vor. Als plötzlich in einer weiteren einsamen Nacht die schöne und lebhafte Stimme einer Frau in sein Hotelzimmer dringt, schöpft er neue Hoffnung. Die unwiderstehliche Stimme gehört Lisa (Jennifer Jason Leigh), die in einem Call-Center arbeitet und extra für Michaels Vortrag von weit her angereist ist. Michael ist überzeugt: Mit Lisa kann er einen Neustart wagen…

Der Verantwortliche


Regie-Exzentriker Charlie Kaufman («Synecdoche, New York») liefert mit seinem erst zweiten Werk als Regisseur (und nicht nur Autor) «Anomalisa» das endgültige Totschlagargument, weshalb Animationsfilme mitnichten ausschließlich auf familientaugliche Unterhaltung abzielen. Der Schöpfer von solch verschrobenen Meilensteinen wie «Being John Malkovich», «Adaption» und «Vergiss mein nicht» taucht gemeinsam mit Co-Regisseur Duke Johnson («Community» in einem melancholischen Selbstfindungstrip in die Welt der Puppenanimation ein und beweist, dass sich auch ein Intellektuellendrama hervorragend mit der Stilistik eines Stop-Motion-Films vereinbaren lässt. Die Geschichte eines Mannes, der in der Einsamkeit zu sich selbst und seiner Umgebung zu finden versucht, ist bei aller personenbezogenen Abwesenheit ein durch und durch menschlicher Film, der das Publikum manchmal mehr zum Nachdenken zu bringen vermag, als ähnlich gestrickte Pendants des Realfilms.



Die 6 glorreichen Aspekte von «Anomalisa»


Trotz seiner FSK-Freigabe ab zwölf wird sich «Anomalisa» vermutlich erst dann voll und ganz seinem Zuschauer erschließen, wenn dieser die Volljährigkeit längst überschritten hat. Der Grund dafür ist die Tiefe jener Gedanken, von der sich Hauptfigur Michael in seiner Lethargie durch die Nacht treiben lässt, denn je mehr Lebenserfahrung das Publikum mitbringt, desto eher lassen sich die einzelnen Gedankengänge des Protagonisten nachvollziehen. Inszenatorisch ist «Anomalisa» ein Kammerspiel: Mit Ausnahmen kurzer Sequenzen in Flugzeug, Taxi und Bar spielt sich das Gros der Laufzeit in den vier Wänden von Michaels Hotelzimmer ab, wo die Hauptfigur die meiste Zeit damit verbringt, über sich, sein Leben, vor allem aber über seine doch eigentlich so unbegründete Traurigkeit zu sinnieren. Das Skript von «Anomalisa», für das ebenfalls Charlie Kaufman verantwortlich zeichnet, skizziert Michael als erfolgreichen Geschäftsmann mit Frau und Kind, doch dass die Schwermut seiner selbst auch gerade darin begründet sein könnte, offenbart sich dem Zuschauer erst nach und nach. Die Geschichte möchte nicht zwingend Lösungsansätze bieten, geschweige denn den Hauptcharakter von Punkt A nach Punkt B – also an ein gewisses Ziel – führen. Stattdessen versteht sich der Film als Beobachtung einer einzigen Nacht, die alles ändern könnte und die letztendlich doch nur den Stillstand unterstreicht.

Der Film erzählt zwar vom sukzessiven Entstehen zwischenmenschlicher Gefühle, die sich gar in explizit vor der Kamera gezeigtem Sex entladen, doch über den Willen, so etwas wie ein leises Knistern zwischen den Hauptfiguren Michael und Lisa wahrzunehmen, wird man als Zuschauer nicht hinauskommen. Beide Figuren hegen den Wunsch nach einer liebevollen Beziehung; vielleicht sogar einer gemeinsamen Zukunft. Doch Charlie Kaufman wählt den unbequemen Weg der Erkenntnis, dass auf ein einmaliges Abenteuer eben auch die große Ernüchterung folgen kann. Trotzdem geht es dem Regisseur und seinem Film nicht um das Thema der Desillusion. Bei aller Interaktion zwischen den Protagonisten bleibt «Anomalis»“ ein Film über Michael. Schlussendlich symbolisiert Michael nämlich uns alle und die Frage, wer wir sind, ob wir das bleiben, was wir jetzt gerade zu sein glauben und ob es überhaupt möglich ist, daran etwas zu ändern, sich von dem Ist-Zustand zu lösen und neu anzufangen. Dass wir uns genau davor fürchten, auch darauf geht Charlie Kaufman in einer Filmsequenz ein, von der keiner im ersten Moment so genau weiß, ob sie nun Realität oder Albtraum ist. Eines aber ist ganz sicher: «Anomalisa» ist ein Meisterwerk, das uns den Menschen selbst, und damit uns, so nahe bringt wie kein anderer Film zuvor.

«Anomalisa» ist auf DVD und Blu-ray erhältlich und zudem via Amazon, Maxdome, Google Play, Microsoft, Videoload, Juke, Sony, CHILI und Wuaki abrufbar.
23.04.2017 15:15 Uhr Kurz-URL: qmde.de/92655
Antje Wessels

super
schade


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Tags

Adaption Anomalis Anomalisa Being John Malkovich Community Synecdoche New York Vergiss mein nicht

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