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Sülters Sendepause: Mehr Alles von Allem! Der Wahlwahnsinn grassiert auch in Deutschland

Politik mag immer noch ein beliebtes Thema in Talkshows, Nachrichten und am Stammtisch sein, erzeugt bei vielen Deutschen aber auch latente Abwehrreaktionen. Zu undefiniert stellen sich die Parteien dar, zu wenig Vertrauen setzen die Wähler in die handelnden Personen. Und irgendwo dazwischen machen die Frust- und Protestwähler ihre Kreuze. Ein Fall für die Sendepause.

Leere allerorten


Es ist ja nun nicht so, dass es aktuell an Vorbildern für vages oder gar fragwürdiges Auftreten mangeln würde. So wurden durch den Willen des Volkes zuletzt einige Spitzenpositionen durchaus fragwürdig besetzt. Bestes Beispiel: Den Clinton-Clan wollte man in den USA 2016 nicht so recht mit einem deutlichen Stimmenplus bedenken und nahm stattdessen sogar Holzhammer-Rhetoriker und Establishment-Crasher Trump in Kauf. Was daraus wird, ist auch nach einigen Monaten noch nicht wirklich absehbar.

In Deutschland schafften die Piraten einst ohne erkennbare Inhalte den Durchmarsch in die Parlamente – und verschwanden in der Folge schneller als ihnen lieb war wieder in der Versenkung der eigenen Identitätsbefreitheit. Im Eiltempo vom heißen Scheiß zur Randerscheinung kurz vor dem Knockout. Eine bittere Eintagsfliege mit gutem Ende für das Land könnte man meinen. Besser wurde es danach jedoch irgendwie auch nicht. En contraire. Die AfD möchte zwar immer noch gerne die Illusion von Inhalten vermitteln, ergeht sich dabei aber ausschließlich in stumpfen Parolen und brauner Propagandasoße. Während man über die Piraten somit hier und da noch Schmunzeln konnte, darf man bei der AfD nicht geteilter Meinung sein. Dennoch reicht es immer wieder zu astronomischen Werten quer durch Deutschland. Warum ist das so? Was kommt danach?

Schnell spricht man in solche Fällen von Frust- und Protestwählern, die ihrem Herzen durch ein Kreuz an unmöglichster Stelle Luft machen. Doch machen es sich die Vertreter der großen Volksparteien da eine Spur zu einfach, wenn sie die Gründe für den Frust eben nicht bei sich selber suchen. Ein gutes Beispiel bietet zurzeit der laufende Wahlkampf in Schleswig-Holstein.

Leere zwischen den Meeren


Dort, wo Möwen und Wellen das Bild einer verträumten Urlaubsidylle prägen, steht just mal wieder die Landtagswahl vor der Tür. Die SPD um Torsten Albig würde gerne weitermachen, die CDU mal wieder regieren und viele kleinere Parteien auch ein Stück vom Regierungskuchen abbekommen.

2012 holten die Christdemokraten zwar die meisten Stimmen, letztlich wurde es aber dann doch die Dänen-Ampel aus SPD, Grünen und dem SSW (der dänischen Minderheitspartei, die von der 5%-Hürde befreit ist). Man sollte meinen, dass die Parteien nun mit geschliffenen Wahlkampfmethoden um Wählerstimmen buhlen würden, um ihre Ziele zu erreichen. Doch weit gefehlt. Längst sind wir bei einer Wahlkultur angekommen, die zwischen Banal und Anal kaum mehr unterscheidet. So herrscht bei den Giganten von SPD und CDU inzwischen gepflegte Kampagnenangst vor. Oder sollte man eher von Selbstsicherheit auf der einen und Hoffnungslosigkeit auf der anderen Seite sprechen?

So versteigen sich die Genossen rund um Ministerpräsident Albig dabei aktuell mal wieder in schlichteste Phrasen. Mehr Gerechtigkeit für alle! Mehr Arbeit für alle! Mehr Geld für alle! Mehr Alles für alle! Vielleicht sollte man bei den hochbezahlten Kampagnenstrategen mal eine Kreativitätsanalyse machen lassen?

Die CDU als Herausforderer schickt nach einigen internen Querelen den unverbrauchten Sympathen Daniel Günther ins Rennen, der mit einer markigen Anpack-Kampagne einen verwirrenden Gegenpol zu seinem Schwiegersohn-Auftreten aufgedrückt bekam. Nun gut – die CDU wird ohnehin nicht in Regierungsverdacht kommen, dafür fehlt es den Freunden der FDP schlicht an Wählergunst und auch sonst an weiteren potentiellen Koalitionspartnern. Dennoch wäre eine dem Profil des Kandidaten angepasste Strategie vielleicht trotzdem eine gute Idee gewesen.

Die FDP hingegen weiß wie so oft alles besser und rät davon ab, wichtige Entscheidungen zukünftig in die Hände derer zu legen, die auch bisher schon immer alles verkackt haben. Einem Wolfgang Kubicki mag man dabei sogar eine Menge zutrauen, eine Partei, die aktuell selten weiß, ob es eher zwei oder gerade so fünf Prozent werden und deren größte Leistung der vergangenen zehn Jahre das Einführen der Farbe Magenta ins Parteilogo war, würde ich jedoch auch nicht mit wichtigen Entscheidungen konfrontieren wollen. So ist das eben: Der großen CDU fehlen die Gesichter, dem idealen Gesicht die richtige Partei. Da wird irgendwie kein Schuh draus.

Entspannter geht es bei der unaufgeregten Kampagne der Grünen zu, die zurecht auf ihre starke Nordbasis bauen und damit ziemlich sicher erneut ein klar zweistelliges Ergebnis holen werden.

Die chancenlosen Linken hingegen bedienen sich der gewohnt derben Zielgruppenattraktivität für Menschen „da unten“ oder „am Rande“. Deine Arbeit muss sich lohnen! Dein Kind darf nicht hungern! Jeder verdient einen neuen LED-Fernseher! Klappt in anderen Bundesländern allerdings deutlich besser als im hohen Norden – womit wir aber trotzdem wieder beim Thema Frustwähler wären.

Diese werden dieses Mal zumindest die Piraten nicht abgreifen können. Hatten sie 2012 noch irritierende 8,2 Prozent erbeutet, dürfte ein erneuter Einzug ins Parlament nun ausgeschlossen sein. Was die AfD hingegen betrifft, muss man wie in vielen anderen Bundesländern abwarten. Ein Einzug in den Landtag gilt hier als sicher.

Am Ende wird also vermutlich erneut die Dänen-Ampel stehen – oder SPD und Grüne machen es gegebenenfalls alleine. Auf Wechsel stehen die Zeichen im Norden jedoch nicht. Dafür fehlt es dem Herausforderer schlicht an Profil und in der Gesellschaft an Unzufriedenheit. 2022 ist dann die Zeit aber sicher wieder reif für etwas Neues.

Was wählen sprach Zeus?


Die Erwartungen und Vorstellungen der Wählergemeinde sind aber auch bundesweit und somit insgesamt ähnlich nebulös wie die profilschwachen Parteien selbst. So wählt man im Zweifel dann eigentlich doch nur den Kopf. Will man den oder die haben? Oder eben weiterhin? Oder ist es Zeit für den Wechsel? Dabei handelt es sich beim stetigen Hin und Her zwischen den Big Playern ohnehin um die größte Konstante in Ländern wie den USA oder Deutschland. Drüben zwischen Republikanern und Demokraten, hier zwischen CDU und SPD. Ist einer zu lange an der Macht, darf der andere mal wieder. Kann ja nur besser werden? Oder eben doch nicht. Solange die Parteien nicht bereit sind, ihre Profile zu schärfen und eindeutige Positionen einzunehmen und durchzusetzen (oder schlicht per knappen Wahlergebnissen daran gehindert werden, überhaupt etwas zu entscheiden), spielt es eben nur noch eine Luxusrolle wer, was, wo oder wie lange. Was uns bleibt ist dann nur der gesunde Shake-up, damit es sich niemand zu bequem macht. Stillstand haben wir schließlich genug.

Und wer nicht weiß, ob Wählen überhaupt noch Sinn macht, der möge diesen Gedanken ganz schnell wieder verwerfen. Nicht-Wählen ist nie eine Lösung, solange all die geistig Schwachen zu den Wahlurnen torkeln und ihre Kreuze im intellektuellen Nirvana setzen. Hier hilft nur dagegenhalten, auch wenn die Auswahl oft die zwischen Pest und Cholera zu sein scheint.

Conclusio


Steckbrief

Björn Sülter ist bei Quotenmeter seit 2015 zuständig für Rezensionen, Interviews & Schwerpunkte. Zudem lieferte er die Kolumne Sülters Sendepause und schrieb für Die Experten und Der Sportcheck.
Der Autor, Journalist, Podcaster, Moderator und Hörbuchsprecher ist Fachmann in Sachen Star Trek und schreibt seit 25 Jahren über das langlebige Franchise. Für sein Buch Es lebe Star Trek gewann er 2019 den Deutschen Phantastik Preis.
Er ist Headwriter & Experte bei SYFY sowie freier Mitarbeiter bei Serienjunkies, der GEEK! und dem FedCon Insider und Chefredakteur des Printmagazins TV-Klassiker und des Corona Magazine.
Seine Homepage erreicht ihr hier, seine Veröffentlichungen als Autor auf seiner Autorenseite.
Zugegeben: Verbalerotik erwarte ich von politischen Kampagnen schon lange nicht mehr. Ein bisschen mehr Mühe dürften sich unsere Möchtegernanführer aber schon geben, um an die Fleischtöpfe zu kommen oder dort zu verweilen. Unser Werkzeug als Wähler bleibt hier am Ende des Tages nur der Gang zur Wahlurne - oder direkt in die Politik. Solange wir diese Instrumente ausnutzen, um unsere Führungskräfte zumindest daran zu erinnern, dass sie durch und für uns regieren dürfen, erfüllen wir zumindest unser Minimum an Mitbestimmung.

Der Sülter hat für heute Sendepause, ihr aber bitte nicht – Wie sind eure Erfahrungen? Herrscht Politikverdrossenheit oder gar Wahlfrust? Haben die Parteien zu wenig Profil oder Mut? Und welche Rolle spielen bei all dem die Medien? Denkt darüber nach und sprecht mit anderen drüber. Gerne auch in den Kommentaren zu dieser Kolumne. Ich freue mich drauf.

«Sülters Sendepause» kehrt in vierzehn Tagen zurück.

Die Kolumne «Sülters Sendepause» erscheint in der Regel alle 14 Tage Samstags bei Quotenmeter.de und behandelt einen bunten Themenmix aus TV, Film & Medienlandschaft.

Für Anmerkungen, Themenwünsche oder -vorschläge benutzt bitte die Kommentarfunktion (siehe unten) oder wendet euch direkt per Email an bjoern.suelter@quotenmeter.de.
22.04.2017 10:40 Uhr Kurz-URL: qmde.de/92549
Björn Sülter

super
schade


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Sülters Sendepause

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