Passend zu Ostern veröffentlichte Netflix vor wenigen Wochen «The Discovery», einen Film über ein Leben im Jenseits - mit vielen dramaturgischen Schwächen.
Die Frage aller Fragen ist beantwortet: Es gibt ein Leben nach dem Tod. Das hat der Wissenschaftler Thomas Harbor (Robert Redford) zweifelsfrei beweisen können. Als diese Nachricht der Öffentlichkeit mitgeteilt wird, führt sie zu einer beispiellosen Selbstmordwelle.
An der gibt Harbors Sohn Will (Jason Segel) ihm die Schuld, hält aber trotzdem noch Kontakt. Als er seinen Vater besucht, ist er von seinen neuen Lebensumständen ziemlich entsetzt: Harbor wohnt mittlerweile in einem alten, opulenten Anwesen, umringt von einer Schar ihm ergebener Jünger, deren Selbstmordversuche gescheitert sind und die nun gelbe Kutten tragen, während sie für ihn allerhand Hilfsdienste leisten. Um Thomas Harbor ist eine Art Sekte entstanden, was Will gruselt, aber seinem Bruder Toby (Jesse Plemons) die Möglichkeit eröffnet, einmal in seinem Leben eine Leitungsfunktion zu übernehmen.
Will fühlt sich derweil zu Isla (Rooney Mara) hingezogen, die er auf dem Weg zum neuen Domizil seines Vaters auf einer Fähre kennengelernt hatte. Sie ist eine jener nihilistischen Selbstmordkandidatinnen, für die der Suizid nach Harbors Entdeckung einen neuen Reiz entwickelt hat. Nachdem er sie eine Weile später von einem weiteren Freitodversuch erfolgreich abhalten konnte, bringt er sie zur Villa seines Vaters. Der hat derweil von einem neuen Durchbruch zu berichten: Es sei ihm gelungen, eine Maschine zu bauen, die die Erlebnisse im Jenseits eines Toten aufzeichnen könne. Im kleinen Kreis will er das Gerät zügig ausprobieren, um neue Erkenntnisse zu erlangen.
Das Erstaunliche an diesem Film ist der grundsätzliche dramaturgische Fehler, den er begeht: Denn anstatt die persönlichen wie gesellschaftlichen Auswirkungen von Thomas Harbors lebensrevolutionärer Erkenntnis philosophisch und soziologisch zu betrachten, macht er aus diesem Thema einen auf Thriller getrimmten Genrestoff, der zeitweise gar Gefahr läuft, zu einem tumben Mitknobelfilm zu degenerieren. Das liegt nicht so sehr an der Reduzierung der Geschichte auf das Exemplarische, sondern vielmehr an ihrer ambitionslosen Erzählung.
Wenn die Frage nach einem Leben nach dem Tod nicht mehr bestenfalls ein Ausgangspunkt für philosophische Diskussionen ist, sondern eine wissenschaftlich fundierte, zweifelsfreie Antwort liefert, hat das die größten Konsequenzen: für die Gesellschaft als Ganzes, wie für ihre Mitglieder als Individuen. Es wäre vermutlich die größte Revolution der Menschheitsgeschichte.
Doch dafür interessiert sich «The Discovery» nicht besonders. Stattdessen schleicht Riley Keough mit grimmigem Blick im gelben Overall um Thomas Harbors tristes Anwesen, während der konsternierte Will die psychisch labile Isla vom Suizid abhalten will, der aus ihrer Sicht die meisten ihrer Probleme lösen dürfte, und der guruhafte Übervater Harbor mit seinen Experimenten eine alte Schuld tilgen will.
Dramaturgisch ist dieser Film also vor allem gewöhnliche Massenware – und damit genau das Gegenteil dessen, was die Erkenntnis eines Lebens nach dem Tod wäre: ein ganz neues Phänomen.
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