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Die Kino-Kritiker: «The Boss Baby»

Grell, schnell, gewollt-albern: «The Boss Baby» ist ein computeranimierter Cartoon in abendfüllender Länge.

Filmfacts «The Boss Baby»

  • Regie: Tom McGrath
  • Produktion: Ramsey Ann Naito
  • Drehbuch: Michael McCullers; basierend auf dem Kinderbuch von Marla Frazee
  • Musik: Hans Zimmer, Steve Mazzaro
  • Schnitt: James Ryan
  • Laufzeit: 97 Minuten
  • FSK: ab 6 Jahren
So hyperaktiv und kindisch-nervig einige der Trailer zur neuen DreamWorks-Trickkomödie sein mögen – die lose Kinderbuchadaption «The Boss Baby» ist letztendlich ein temporeicher Spaß für junge und ältere Kinogänger geworden. Gewiss: Das cleverste Drehbuch in der Filmriege der Produktionsfirma, die unter anderem «Shrek» und «Drachenzähmen leicht gemacht» verantwortete, hat die in den USA von Kritikern verrissene Produktion nicht zu bieten. Emotionale Tiefe oder überraschende Erkenntnisse sind hier mit der Lupe zu suchen. Allerdings ist «The Boss Baby» auf sogleich dreierlei Weisen zugänglich. Angesichts dessen, dass etwa «Trolls» bemüht undramatisch daherkam und «Home – Ein smektakulärer Trip» all seine Pokerchips auf das Witzpotential einer naiven Alienrasse setzte, ist dies eine klare Verbesserung gegenüber den jüngsten DreamWorks-Trickfilmen, die nicht einfach bereits bestehende Kinomarken weitererzählen.

Babys, diese quengelnden Bosse


Frei nach dem gleichnamigen Kinderbuch von Marla Frazee nimmt «The Boss Baby» die Perspektive des siebenjährigen Tim Templeton ein. Dieser führt ein sorgenfreies Dasein: Seine Eltern verhätscheln ihn, Schule scheint nahezu inexistent für ihn zu sein und mit seiner blühenden Fantasie macht er sich seine Freizeit zu einem großen Abenteuer. Nur das Fahrradfahren ohne Stützräder hat Tim noch nicht ganz raus. Eines Tages wird Tims Leben aber auf den Kopf gestellt – so, dass dieses Stützradproblem plötzlich verschwindend klein wirkt: Tims Eltern kommen mit einem kleinen Bruder angetanzt. Dieser trägt einen Businessanzug und kommandiert die gesamte Familie herum. Wenn er essen will, wird ihm Essen gebracht. Wenn alle schlafen und ihn etwas plagt? Beruft er halt Meetings ein. Und Tims wertvolle Zeit mit seinen Eltern? Die wird gnadenlos wegrationalisiert, damit sich dieses Boss Baby an der ihm geschenkte Aufmerksamkeit ergötzen kann.

Tims Reaktion auf seine Luxusprobleme mag mitunter an seinem Sympathiewert sägen: Der Siebenjährige wird eingangs völlig von seinen Eltern verwöhnt, so sehr, dass sich die Frage aufdrängt, ob sie überhaupt irgendetwas anderes zu tun haben. Die Selbstgefälligkeit, mit der Tim diese Verhätschelung einfordert, kann nicht zuletzt wegen der dauerstrahlenden Grinsebacken, die ihm die Dreamworks-Animatoren geben, anstrengend sein. Sie ist aber auch konsequent: Ein unglaubwürdiger Erzähler fasst rückblickend die Zeit vor der Ankunft des neuen Babys zusammen – und mit der "Vorher war alles besser!"-Einstellung sowie der galligen Eifersucht auf den Familienzuwachs dürften sich viele ältere Geschwister identifizieren können.

Da Tims sprunghafte Fantasie mit sketchartigen Einlagen umgesetzt wird, bleibt Tim auch für jene, die sein Rumgewinsel nicht nachvollziehen können, indes wenigstens ein spaßiger Protagonist – und einer, der felsenfest davon überzeugt ist, dass dieses Boss Baby sprechen kann. Und einen abgedrehten Plan verfolgt. Als aus Tims Perspektive erzählter Film macht sich «The Boss Baby» diesen kindischen Irrsinn zu eigen und spinnt rasante verbale Schlagabtausche zwischen Tim und dem mit markantem Stimmvolumen radebrechenden Baby, das die Befehle verbalisiert, die wohl jeder bereits in die Mimik und das Gebrabbel von Kleinkindern hineininterpretiert hat.

Bosse, diese weinerlichen Kleinkinder


Aber selbst all jenen, denen Babys nicht gleichgültiger sein könnten, wird eine Gagattacke geboten. Denn als großtuerischer Vertreter des mittleren Managements ist das Boss Baby nicht nur eine wandelnde Vorstellung dessen, dass Babys die Chefs in ihren Familien sind. Er ist auch eine auf zwei Beinen watschelnde Boss-Karikatur. Wenn Tim in Recherchearbeiten versinkt und die Titelfigur nur spielt, aber behauptet, schwer mit dem Delegieren beschäftigt zu sein, ist dies nur einer von vielen gezielten Attacken auf alltägliche Bürosituationen.

Und so manövriert sich die Animationskomödie in eine cartoonige, naive eigene Welt, in der es ein von Babys geleitetes Unternehmen gibt, das Angst vor der schweren Konkurrenz durch Hundewelpen hat und daher sowohl auf lachhafte Marktforschung als auch auf Industriespionage setzt. Während dessen weist der Plotfaden um Tims Kampf um die alleinige Liebe seiner Eltern ähnlich absurde Komik auf, bleibt jedoch in einer familiäreren Situation verankert. Die Verschmelzung dieser Ansätze gelingt Drehbuchautor Michael McCullers mittels rasanter Überleitungen und einer selbstbewusst verteidigten Spielkind-Logik – nur einige Anflüge von Vorschulhumor und "Hihi, das Baby hat 'Furzpupskacka' gesagt"-Dialogpassagen stören diese kurzweilige Mischung. Auch die ausführlichen Popkulturreferenzen sollten die Geister scheiden – sie sind zwar stimmig in den Handlungsverlauf eingewoben, allerdings überreizt McGrath diese Gags zuweilen.

UPA für das Jahr 2017


Im Laufe von «The Boss Baby» können aufmerksame Trickfreunde ein «Mr.Magoo»-Comicheft entdecken – womit Regisseur Tom McGrath auf eine Ära in der Trickunterhaltung verweist, deren Einfluss in diesem Film wiederholt zu spüren ist. Die Cartoonreihe über einen starrsinnigen, blinden, reichen Herren war vor allem in den mittleren und späten 50er-Jahren populär, als die verantwortlichen UPA-Trickstudios aus der Not eine Tugend machten und ihr knappes Budget durch eine stark stilisierte Ästhetik kaschierten. UPA trat somit eine ganze Riege an temporeichen, visuell ähnlich gearteten Cartoonserien los, die oft sehr irren Grundkonzepten folgten.

«The Boss Baby» ist quasi der kreative Enkel dieser Trickreihen aus den 50er- und 60er-Jahre. Nicht nur, dass die Grundidee "Was, wenn sich ein Baby wie ein Boss aufführen würde?" genauso gut aus jener Zeit stammen könnte – die Tagtraumsequenzen des Protagonisten Tim sind visuell mit ihren starken Farbkontrasten, scharfen geometrischen Formen und sattschwarzen Außenlinien eng an die UPA-Vorzeigeproduktionen und deren Trittbrettfahrer angelehnt. Auch die "realen" Szenen in «The Boss Baby» bedienen sich an der UPA-Ästhetik, wenngleich deutlich subtiler: Es herrscht eine dezente Asymmetrie vor, sei es in der Architektur oder auch in den Frisuren der Figuren. Die Farbgebung ist satter, cartoonhafter als bei den eher an Realismus orientierten, kostspieligeren Produktionen von Disney oder Pixar – und durch diese simple Stilisierung fällt die Detailarmut von «The Boss Baby» direkt weniger ins Gewicht, auch wenn sie nicht vollauf über die laschen Texturen hinwegtäuscht.

Und auch erzählerisch mutet «The Boss Baby» wie ein abendfüllender UPA-Cartoon: McGrath setzt auf ein sehr hohes Tempo und hakt Gags mit großer Zügigkeit ab. Kaum droht die "Großer Bruder ist vom Aufmerksamkeit auf sich ziehenden Baby genervt"-Dynamik, alt zu werden, lassen McGrath und Drehbuchautor McCullers sie links liegen, woraufhin die zwei Brüder an einem Strang ziehen. Und mittels Kapriolen schlagender Storyverwicklungen bleibt auch diese Dynamik frisch. Aufgrund mancher etwas lang geratener Verschnaufpausen, wovon manche nicht einmal inhaltlich gerechtfertigt sind, reicht «The Boss Baby» dennoch nicht am ähnlich irren, letztjährigen Trickspaß «Störche – Abenteuer im Anflug» heran, der auf einer vergleichbaren Logik funktioniert, sie aber noch etwas stringenter verfolgt.

Fazit: Flott, einfallsreich und mit hoher Gagdichte: «The Boss Baby» suhlt sich in seiner Albernheit.

«Boss Baby» ist ab sofort in vielen deutschen Kinos zu sehen – in 2D und verspieltem 3D.
30.03.2017 13:45 Uhr Kurz-URL: qmde.de/92151
Sidney Schering

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