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Mit Anlauf und Bravour: Amazons Original «Patriot»

Im Mittelpunkt: Michael Dorman als Nachrichtenoffiziers John Tavner, der den Iran hindern soll, Atomwaffen zu entwickeln. Daraus entspinnt sich eine Serie, ausgestattet mit liebevollen Details, die sich in Sachen Erzählstruktur einiges traut und emotionale Tiefe besitzt.

Es weht ein frischer Wind durch Amazon Primes Angebot. «Patriot» heißt die neue Amazon-Original Produktion, die ab dem 24. März auf Amazon Prime Video in deutscher Synchronfassung zu sehen ist. Es geht um John Tavner, seines Zeichens Ex-Geheimagent für die USA. Dieser hat eigentlich keine Lust mehr aufs Spionieren. Nachdem bei einer vorherigen Übergabe etwas schief lief, hat dieser es satt. Er verschanzt sich in Amsterdam, kifft, spielt Gitarre und beobachtet Vögel. Zumindest, bis er für eine kritische Operation aus dem Ruhestand geholt wird. Bis jetzt, klingt das ganze erst mal nach einem 08/15 Spionage-Drama. Das ist es aber nicht. Das Klischeethema Spione und Nachrichtendienste wirkt auf den ersten Blick ebenso bombastisch und überzogen wie «Hand of God». Eine gewisse Grundskepsis stellt sich ein, insbesondere, nachdem die zweite Staffel von «Hand of God» keinen guten Eindruck hinterließ. Doch wer es schafft, die Serie unvoreingenommen zu betrachten und ihr etwas Zeit gibt, wird positiv überrascht.

Offiziell beschrieben wird das Genre von «Patriot» als Mischung zwischen Thriller und Komödie. Doch wer Spannung im Übermaß und einen Lacher nach dem nächsten erwartet, ist bei «Patriot» fehl am Platz. Das klingt erst mal nach „Thema verfehlt, 6, setzen.“ Es stellt sich nun die Frage: Welches Genre möchte «Patriot» wirklich sein? Denn was genau die Schreiber mit «Patriot» erreichen wollen, klärt sich, wie so vieles innerhalb der Serie, erst im Nachhinein.

Der Begriff „Meta-Serie“ ist der Wahrheit wohl am nächsten. Denn die tatsächliche Handlung, die Geschichte die hier im Vordergrund erzählt wird, wird fast schon zur Nebensache. Die Abweichungen und das erneute Aufgreifen vergangener Ergebnisse rücken in den Vordergrund und verleihen der Serie ihren Charme. Zugegeben, die Serie präsentiert sich auf den ersten Blick als dunkle Komödie, doch der Schein trügt. Während die ersten paar Folgen den Zuschauer an die Serie heranführen, ziehen die Schreiber im Hintergrund einen roten Faden durch die Serie. Auf kunstvollste Weise werden hier Themen und Umstände mit einer Nebensächlichkeit eingeführt, die der fingerfertigste Taschenspieler beneiden würde.

Im Vergleich dazu steht die BBC-Produktion «Sherlock». Der Zuschauer begleitet den Detektiv, wie er Hinweise sammelt, und rätselt mit. Doch oftmals hängt die Auflösung des Falles an einem Detail, einer Nebensächlichkeit, die der Zuschauer nicht nur nicht beobachtet hat, sondern gar nicht beobachten konnte. Das ist bei weitem keine Kritik an den Stilelementen von «Sherlock». Es ist vielmehr ein Kompliment an die Schreiber von «Patriot». Denn hier entgehen dem Zuschauer keine wichtigen Details. Alles ist ersichtlich, wenn man nur hinschaut, doch der Bezug zur Haupthandlung bleibt vorerst verborgen. Kleines Beispiel gefällig? Aber gerne.

Um seinen neuen Auftrag zu erfüllen, muss sich Tavner bei einem industriellen Rohrleitungsbauunternehmen einschleusen. Das klingt erst mal nach einer Nebensächlichkeit. Zu Beginn der Serie könnte man sicherlich argumentieren, dass es völlig austauschbar ist, wovon Johns Tarnung bedroht wird. Ob es nun Rohre oder Pfannenwender sind, bei denen er sich nicht auskennt, ist egal. Bis eine Nebenfigur, die nichts von der übergreifenden Thematik der Serie erahnen kann, einen Monolog über Rohre hält, der die Essenz der Serie brillant einfängt, ohne sie jemals beim Namen zu nennen.

«Patriot» nimmt sich Zeit, schafft es aber trotzdem, den Zuschauer bei der Stange zu halten. Es meistert die feine Linie zwischen Dramatik, Humor und erzählerischen Kniffen. Der Humor der Serie ist schwarz, absurd und elegant. Zu keinem Zeitpunkt fühlt sich ein Witz erzwungen an. Stattdessen punktet die Serie mit Situationen, die echte Lacher hervorrufen.

Amazons Casting-Team fuhr für «Patriot» die schweren Geschütze auf: Michael Cernus («Orange Is the New Black»), Terry O’Quinn («Lost») und Kurtwood Smith («Die wilden 70er»). Zwar verkörpern sie alle nur Nebenfiguren, helfen dadurch aber Michael Dorman, der die Hauptrolle spielt, zu einer sehr authentischen Darbietung. Kurtwood Smith spielt die Rolle des Leslie Clarets. Das macht den Schauspieler zu Tavners Vorgesetztem. Eine Rolle die Kurtwood, bekannt als Familienvater Red Foreman, auf den Leib geschneidert scheint. Denn Claret, genau wie Foreman, ist nicht gut auf seinen Schützling zu sprechen. Er versucht Tavner zu integrieren, scheitert jedoch, da Tavner durch sein Doppelleben abgelenkt ist. Die Szene, in der Claret Tavner erneut die Hand der Freundschaft reicht, spielt Kurtwood überragend. Dies verhilft seiner Figur zu einer emotionalen Tiefe die nicht nur aufgesetzt wirkt. Doch auch Dorman brillierte in der Hauptrolle, als trauriger Mann im Anzug. Seine überragende Mimik vermittelt dabei, dass Tavner sichtbar unter der moralischen Last seiner Taten leidet.

Auch besonders hervorzuheben ist die musikalische Untermalung. Diese befindet sich auf dem Niveau einer Hollywood Produktion. «Patriot» punktet mit einer Vielzahl an verschiedensten Stücken. Egal ob bei langsamen Szenen, in denen Tavner eigenkomponierte Gitarren Songs in die Nacht flüstert, oder während der Spannungshöhepunkte, in denen ein volles Orchester die Geschehnisse unterstreicht: die Musik passt. Besondere Hervorhebung gebührt hier „American Pie.“ Das Lied wird genau zweimal gespielt, einmal laut und aufdringlich, während das andere Mal sich von hinten an den Zuschauer anschleicht. Die Beiläufigkeit des zweiten Males trügt, denn während das Lied leise im Hintergrund anschwellt, erinnert sich nicht nur Tavner, sondern auch der Zuschauer an das letzte Mal als dieses Lied spielte. An dieser Stelle soll nicht allzu viel verraten werden, allerdings ist die resultierende Szene eine der besten die «Patriot» zu bieten hat.

«Patriot» schafft etwas, dass in der modernen Fernsehlandschaft schon längst zur Rarität geworden ist: Clever zu sein, ohne den Zuschauer für dumm zu verkaufen. Es sind die kleinen, liebevollen Details, die das Gesamtbild so überzeugend erscheinen lassen. Diese wurden offensichtlich mit Sorgfalt und Bedacht platziert, wie zum Beispiel die wechselnden Endszenen des Vorspanns. Näher betrachtet ist «Patriot» ein durchaus cleveres Experiment in Sachen Erzählstruktur und Humor. Doch auch im Gesamtbild überzeugt die neue Amazon-Produktion. Schauspieler, Schreiber, Produzenten, Kameramänner und Komponisten arbeiteten bei «Patriot» auf ein gemeinsames Ziel zu. Die einzelnen Elemente fügen sich reibungslos zu einem runden Gesamtbild zusammen. «Patriot» ist erfrischend anders und gewagt. Bleibt nur zu hoffen, dass Amazon diesen Kurs beibehalten kann und so schnell wie möglich eine zweite Staffel in Auftrag gibt.

Ab 24. März steht das Amazon Original «Patriot» bei Amazon Prime Video in deutscher Synchronfassung zur Verfügung. Die Serie feierte ihre Weltpremiere am 14. Februar auf der Berlinale.
24.03.2017 10:02 Uhr Kurz-URL: qmde.de/91996
Lukas Brübach

super
schade

93 %
7 %

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Tags

Die wilden 70er Hand of God Lost Orange Is the New Black Patriot Sherlock

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Es gibt 1 Kommentar zum Artikel
Blue7
25.03.2017 13:13 Uhr 1
wurde auch Zeit, fand den Pilot letztes Jahr schon klasse
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