Quotenmeter.de wird 15 Jahre alt – und begeht dieses Jubiläum auf seine ganz eigene Art und Weise: Sechs Redaktionsmitglieder geben Lesetipps und berichten von Ärgernissen sowie von Artikeln, die nicht wie geplant angekommen sind.
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Timo Nöthling
Ressort/Position: Schwerpunktthemen, USA, Interviews, Quoten, TV und Vermischtes
Mein schwierigster Artikel: Zugegeben: Einen YouTube-Kanal mit damals 150.000 Abonnenten als die Zukunft des deutschen Fernsehen zu verkaufen, war im September 2014 überaus gewagt. Im Rahmen einer Themenwoche unter der Überschrift „Modernes Fernsehen“ organisierte ich mit einem Kollegen eine sehr aufwendige, aber umso interessantere Artikelreihe. Es ging um nicht weniger als die Zukunft des Mediums Fernsehen, das deutsche Bürger 2014 noch mit durchschnittlich 240 Minuten pro Tag konsumierten. Nun bin ich kein Prophet, musste mir aber trotzdem irgendwie anmaßen, eine Richtung vorzugeben, in die sich das Fernsehen in den nächsten Jahren entwickeln könnte.
Der angesprochene YouTube-Kanal, den ich damals beleuchtete, nennt sich übrigens Rocket Beans TV. Knapp vier Monate später starteten sie Deutschlands ersten Internetsender, der mittlerweile über YouTube verbreitet wird, 350.000 Abonnenten zählt, gerade einen Deutschen Fernsehpreis gewann und über 80 Mitarbeiter beschäftigt. Kurz vor Senderstart führte ich das erste Interview mit Daniel Budiman, ein Teil der sehr sympathischen Truppe, die schon die MTV-Show «Game One» produzierte und nun tolle Inhalte allerlei Art.
Ich bin sehr froh, heute sagen zu können, dass ich Recht gehabt habe – nicht weil ich mich nun doch für einen Propheten halte, sondern weil ich Projekte wie Rocket Beans TV mittlerweile wirklich für die Zukunft des deutschen Fernsehen halte und auch selbst sehen will. Lese ich mir den Artikel noch einmal durch, hat sich die Situation der etablierten deutschen Sender unterdessen kaum verändert. Nur ein Unterschied ist wesentlich: Die linearen Sehdauern sind weiter gesunken.
Ein von mir verfasster Klickhit, bei dem ich bis heute nicht verstehe, weshalb er so ungewöhnlich oft aufgerufen wurde: Natürliche und überzeugte Frühaufsteher gibt es in meinem Umfeld kaum, trotzdem zwingt einen die Arbeit natürlich des Öfteren, früh das warme Bett zu verlassen. Auf die Idee, dann erst einmal den Fernseher einzuschalten, kam ich jedoch in meinem Leben noch nie, was sicherlich auch mit den Gewohnheiten zu tun hat, die man in seiner Kindheit im Umfeld der Familie etablierte. Umso erstaunter war ich über den außerordentlichen Erfolg meines
Quotenchecks über das «Sat.1 Frühstücksfernsehen» im Januar 2015, der sich tatsächlich recht weit oben im Allzeit-Ranking aller Quotenmeter-Artikel befindet. Der Job der Moderatoren, die in aller Herrgottsfrühe aufstehen, um andere Frühaufsteher zu unterhalten, ringt mir schon seit langer Zeit Respekt ab. Es scheint sich zu lohnen!
Ein Klickflop von mir, der jetzt zum 15-jährigen Jubiläum von Quotenmeter.de gerne wiederentdeckt werden darf: Schon in meinem ersten Quotenmeter-Jahr 2013 stellte ich mir die Frage:
„Können Internet-Abrufe die Fernsehquote ersetzen?“. Zu diesem Zeitpunkt war diese Angelegenheit eher Zukunftsmusik, lediglich beim «Neo Magazin Royale» fand sich eine große Schere zwischen linearen Sichtungen und Abrufen in der Mediathek, daher diente das ZDFneo-Format auch als Aufhänger. Zwar erhielt der Artikel durchaus Aufmerksamkeit, allerdings können auch fast dreieinhalb Jahre später gerne noch ein bisschen Klicks hinzukommen. Der Artikel hat in dieser langen Zeit nämlich kaum an Aktualität eingebüßt, an Relevanz gewonnen und die Frage in der Überschrift ist immer noch offen. Seit dieser Zeit erhöhten sich die Abrufe deutscher Fernsehformate über mobile Endgeräte oder im Internet massiv, Netflix und Amazon Prime starteten in Deutschland ihre Streaming-Dienste und trotzdem scheint es, als sei der Marktanteil im linearen Fernsehen noch immer die einzige echte Währung.
Ein Artikel, der mir aufgebrummt wurde – und letztlich sehr wohl Spaß machte: Als Bayer habe ich die Faszination Karneval im Rheinland nie ganz durchdringen können. Wir verkleiden uns zwar auch in der fünften Jahreszeit und nehmen dies als Anlass zum Feiern, bei uns hat das aber deutlich weniger Tradition und heißt „Fasching“ – ein Wort, bei dessen Nennung wohl irgendwo im Kölner Dom ein rotes Alarmlicht anfängt wild zu blinken.
Trotzdem sprach ich Anfang 2016 mit Karnevals-Koryphäe Bernd Stelter über die Lage des Karnevals im Fernsehen, was meinen Horizont in dieser Hinsicht ein gutes Stück erweiterte. 2017 folgte dann auch mein erster Fasch… äh, Karneval in Köln, der sicher nicht der letzte bleiben wird.
Mir egal, wie negativ die Kommentare ausfielen, ich stehe weiterhin hinter diesem Artikel: Das Mediennutzungsverhalten des Fernsehpublikums zu verwissenschaftlichen, ist sicher nicht immer zweckdienlich, manchmal unsinnig. Trotzdem setzte ich im Oktober 2016 meinen Plan in die Tat um, mein gesammeltes Wissen aus dem Studium gewinnbringend für eine Artikelreihe einzusetzen, die unsere Medienauswahl aus medienpsychologischer Sicht beäugt.
Zunächst befasste ich mich damit, warum eigentlich so viele Personen «Bauer sucht Frau» schauen, wo doch die Kritiken so verheerend ausfallen und keiner zugeben will, das Format zu schauen. Einige Leser fühlten sich angesprochen und wiesen trotz der sensationellen Einschaltquoten des RTL-Hits entschieden zurück, irgendwas mit der Bauern-Kuppelei zu tun haben. Andere fanden die Erklärungen einfach blöd.
Ich dagegen, als Redakteur, der nun schon seit knapp vier Jahren Quoten analysiert, finde es langweilig und problematisch, das Zuschauerinteresse immer nur anhand der gleichen Faktoren zu erklären (Konkurrenzprogramme, Lead-In, etc.) und hoffe, mir gelingt es, Beobachtern auch andere Blickwinkel zu eröffnen.
Ein Artikel eines Kollegen, der sich so liest, als hätte ich ihn geschrieben: Kino und Serien stellen zwei meiner großen Leidenschaften dar, deshalb lese ich stets aufmerksam die Beiträge meiner Kollegen aus dieser Themenecke. Mein Kollege Jan Schlüter, der sich regelmäßig mit neuen US-Serien oder Entwicklungen im Streaming-Bereich befasst, hat dabei wohl die höchste Treffsicherheit in Bezug auf Themen entwickelt, die mich interessieren, sodass seine Artikel fast schon Pflichtlektüre für mich sind. Daher will ich an dieser Stelle gar nicht unseren Schreibstil oder unsere Meinungen vergleichen – seine Artikel lesen sich so, als hätte ich ihn geschrieben, weil Jan schlicht das thematisiert, was mich interessiert.
Beispielhaft soll an dieser Stelle einfach seine Kritik zur zauberhaften Netflix-Serie «Eine Reihe betrüblicher Ereignisse genannt werden».
Es gibt 11 Kommentare zum Artikel
21.03.2022 10:19 Uhr 9
21.03.2022 23:58 Uhr 10
22.03.2022 00:45 Uhr 11
Du bist schon alt.