Es ist die Preisverleihung schlechthin – trotzdem sinken seit Jahren die Quoten der Oscarverleihung. Wir präsentieren Quoten-Trends und die Kriterien für einen Quoten-Erfolg.
Der Goldjunge krönt die Karriere eines jeden Hollywood-Schauspielers – schon seit 1929 wird die prestigeträchtige Trophäe in Los Angeles vergeben. Seit jeher zeigten nicht nur Branchenvertreter, sondern auch Filmfans aus aller Welt großes Interesse an der Awardshow, die ab 1930 erstmals über Radio und seit 1953 per Fernsehübertragung begleitet wurde. Mittlerweile übertragen über 200 verschiedene Länder die Verleihung der Academy Awards. Als älteste Preisverleihung in der Unterhaltungsindustrie, die bis jetzt 3.048 Oscar-Trophäen vergeben hat, findet am 26. Februar 2017 die nunmehr 89. Academy Awards-Zeremonie statt.
Eine besonders hohe Aufmerksamkeit erhält die Oscarverleihung natürlich im Heimatland, den USA, wo das Medienereignis schon Wochen im Voraus über sämtliche Kanäle hinweg kommentiert wird. Angesichts eines unvergleichlichen Starauflaufs, der in gewisser Weise auch einen Blick hinter die Kulissen des mystifizierten Hollywoods gewährt, fielen die Zuschauerzahlen und Einschaltquoten im Rahmen der Fernsehübertragungen schon immer hoch aus und führen zuverlässig zum jährlichen Bestwert einer Unterhaltungssendung. Doch immer wieder schleichen sich Unregelmäßigkeiten bei den Reichweiten und Quotentrends ein. Wir stellen die wichtigsten Indizien für einen Quotenerfolg der Oscarverleihung 2017 vor.
1. Gegen den Langzeittrend: Die Oscars schwächeln im neuen Jahrtausend
Oscars in den USA: Reichweiten der vergangenen Jahrzehnte
- 1974-1979: 45,69 Mio.
- 1980-1989: 42,91 Mio.
- 1990-1999: 45,24 Mio.
- 2000-2009: 39,72 Mio.
- 2010-2016: 39,25 Mio.
Zuschauerzahlen ab 2, Mittelwerte
Die Oscars und der Ablauf ihrer Verleihung verfügen über eine feste Tradition: Roter Teppich, Eröffnungsnummer des Hosts, Vergabe der Preise, dazwischen immer wieder Unterbrechungen durch den Host, Musikacts oder Werbung und die „In Memoriam“-Sektion für verstorbene Branchengrößen. Doch was für den Organisator, die Academy of Motion Picture Arts and Sciences, gute Tradition ist, scheint für viele Zuschauer mittlerweile ermüdende Routine zu sein – zumindest ließe sich so der stete Zuschauerschwund erklären, den die Oscarverleihung im Langzeittrend hinnehmen musste. Insbesondere im neuen Jahrtausend brachten die Fernsehzuschauer in den USA den Live-Übertragungen der Awardshow immer weniger Interesse entgegen.
Seit Aufzeichnung der Zuschauerzahlen im Jahr 1974 schalteten im Schnitt jährlich 42,5 Millionen Menschen zur Live-Show ein, ab 2000 beläuft sich der Schnitt nur noch auf 39,5 Millionen Interessenten. Noch in den 90er Jahren widmeten sich mittlere 45,2 Millionen Personen jährlich den Oscars, die 00er Jahre verloren im Schnitt über fünf Millionen Zuschauer und fielen so auf einen Mittelwert von 39,7 Millionen Zusehern. Besorgniserregend gestaltet sich der Trend seit 2010: Seitdem kamen sieben Verleihungen auf mittlere 39,3 Millionen Zuschauer, seit drei Jahren geht die Reichweite jedoch massiv zurück: Schauten 2014 noch 43,7 Millionen Menschen zu, belief sich die Reichweite 2016 noch auf 34,3 Millionen Zuschauer – die drittniedrigste Zuschauerzahl überhaupt seit Messung der Quoten.
2. Box-Office-Hits machen Quotenrekorde möglich
Grübelt man über die Gesetzmäßigkeiten der Oscar-Quoten, kann man zu ganz unterschiedlichen Vorstellungen kommen, welche Faktoren einen Quotenerfolg garantieren. Müssen vielleicht besonders viele Publikumslieblinge in den Darsteller-Kategorien nominiert sein? Sollte der Host über eine möglichst hohe Popularität verfügen? Hängen die Quoten vielleicht von der Prominenz der auftretenden Musikkünstler zusammen? Ein Prädiktor, der sich über die Jahre bewährt hat, stellt das Einspielergebnis der favorisierten Nominierten dar, insbesondere in der Kategorie „Bester Film“.
Im Jahr 1998 verfolgten über 57,25 Millionen Zuschauer die Verleihung der 70. Academy Awards – «Titanic», das zuvor bereits allein in den USA knapp 600 Millionen US-Dollar eingespielt hatte, wurde damals als bester Film ausgezeichnet. Ähnlich verhielt es sich im Rahmen der 76. Oscar-Verleihung, als «Der Herr der Ringe: Die Rückkehr des Königs» gleich elf Awards mit nach Hause nahm. Zuvor spielte der Trilogie-Abschluss bereits 386 Millionen Dollar ein und die Verleihung avancierte mit 43,5 Millionen Interessenten zur bislang meistgesehenen im neuen Jahrtausend. Das bis heute höchste Nielsen-Rating erzielte die 42. Verleihung im Jahr 1970, als 43,4 Prozent aller Haushalte in den USA die Show verfolgten. Damals gewann «Midnight Cowboy» (dt.: «Asphalt-Cowboy») den Preis als bester Film. Das Drama mit Dustin Hoffman in der Hauptrolle spielte in den USA 44 Millionen Dollar ein, was inflationsbereinigt im Jahr 2017 etwa 282 Millionen Dollar gleichkommt.
3. Mit Liebhaberfilmen sinkt das Interesse
Über die Zeit hinweg erhärtete sich der Verdacht, dass das Zuschauerinteresse nicht nur mit dem Einspielergebnis, sondern auch mit der Popularität und Größe der produzierenden Studios zusammenhängt, die hinter den Nominierten stehen. Während also Box-Office-Erfolge meist zu höheren Quoten führen, bewirken unabhängige oder unkommerzielle Produktionen in der Regel das Gegenteil. Auch sie könnten Schuld an den rückläufigen Zuschauerzahlen ab dem Jahr 2000 tragen. Die bislang niedrigste Zuschauerzahl stand 2008 zu Buche, als etwa 31,8 Millionen Zuschauer Zeuge wurden, wie «No Country for Old Men» als bester Film prämiert wurde. Die Verleihung verzeichnete damit nicht nur die bis heute niedrigste Zuschauerzahl, sondern mit 18,66 Prozent aller US-Haushalte auch das niedrigste Rating. Der Coen-Brüder-Film spielte in den USA bis zu den Oscars nur 62 Millionen Dollar ein. Lediglich «Juno» kam neben den weiteren Nominierten in der gleichen Kategorie auf ein besseres Ergebnis.
Ähnlich erging es der 78. Verleihung 2006, als völlig überraschend «L.A. Crash» den Preis für den besten Film abräumte, der fernab der im Herbst startenden Oscar-Season Premiere feierte und bis zur Verleihung nur 53,4 Millionen Dollar einnahm. Lediglich «Brokeback Mountain» verdiente im Feld der Nominierten mit knapp 76 Millionen Dollar bis zur Show mehr Geld an den Kinokassen. Mit «Spotlight» (Foto) gewann in der verhältnismäßig unbeliebten Verleihung 2016 (34,2 Mio. Zuschauer) ein Film, der bis zum Oscar-Sieg gerade mal knapp über 38 Millionen Dollar eingespielt hatte, ein Jahr zuvor hatte die Oscarverleihung schon deutliche Verluste verzeichnet, als das künstlerisch anspruchsvolle aber kommerziell kaum erfolgreiche «Birdman» gewann.
4. Werden die Oscars zur Männersache?
In den vergangenen Jahren erhitzte nicht nur die geringe Anzahl farbiger Nominierter die Gemüter, sondern auch die wenigen Frauen, die für einen Oscar in Betracht gezogen wurden. Zwar zeichnen die Academy Awards jährlich auch die besten weiblichen Haupt- und Nebendarstellerinnen aus, im Vergleich zu den Kategorien der Männer beklagten Beobachter dabei aber die deutlich geringere Konkurrenz und weniger anspruchsvolle Rollen. Die Academy reagierte, indem sie zuletzt die ethnische Vielfalt ihrer Mitglieder förderte, mit Moderator Chris Rock (Foto unten) führte 2016 ein Afroamerikaner durch die Show. Die Situation der Frauen in Hollywood, die weiter weniger Chancen und Geld erhalten als ihre männlichen Kollegen, blieb davon aber unberührt.
Lassen sich so vielleicht die deutlichen Verluste erklären, die die Oscar-Zeremonie zuletzt beim weiblichen Publikum verzeichnete? Wie bereits erwähnt, schnitt die Verleihung 2016 außerordentlich schwach ab. Doch die Award-Show des vergangenen Jahres gelangte nicht nur zum drittniedrigsten Rating aller Zeiten, sondern auch zum schwächsten Ergebnis in der jungen Zielgruppe seit mindestens zwei Jahrzehnten: Etwa 13,3 Millionen Zuschauer zwischen 18 und 49 schalteten 2016 ein. Bereits im Vorjahr verzeichnete man in der jungen Altersgruppe mit 14 Millionen 18- bis 49-Jährigen ein neues Tief. Erst der genauere Blick auf die Altersgruppen und Geschlechterverteilung verrät, das sich vor allem Frauen von der ABC-Übertragung abwandten. Wie das Network nämlich verriet, verbesserte sich die Verleihung trotz der geschlechterübergreifenden Verluste beim jungen Publikum um 20 Prozent gegenüber dem Vorjahr bei 18- bis 34-jährigen Männern und um sechs Prozent bei 18- bis 49-jährigen Männern.
Fazit: Welche Lehren lassen sich damit für die 89. Oscar-Verleihung am 26. Februar 2017 ziehen? Will die Oscar-Verleihung ihr Zuschauerinteresse steigern und damit dem Trend der letzten Jahre entgegenwirken, sollten sich möglichst viele Kassenschlager unter den Nominierten befinden, insbesondere in der Kategorie für den besten Film. Mit «Moonlight» und «La La Land» befinden sich ein Indie-Drama und ein Film, der in den USA nur ein Limited Release erhielt, unter den zwei heißesten Favoriten für das „Best Picture“. Auch sonst befinden sich zu wenige kommerziell erfolgreiche Filme unter den Nominierten. Etwas Auftrieb könnte die Verleihung dadurch erhalten, dass mit vielen politischen Statements in Richtung der neuen US-Regierung gerechnet wird. Somit könnte die Verleihung bei jungen Frauen wieder mehr an Bedeutung gewinnen, die sich in der US-Wahl und danach mit deutlicher Mehrheit gegen den neuen Präsidenten Trump aussprachen. Auch der Anspruch in den weiblichen Darsteller-Kategorien liegt in diesem Jahr deutlich höher als zuletzt.
Es gibt 2 Kommentare zum Artikel
22.02.2017 14:18 Uhr 1
Ansonsten würde ich sagen, dass das Interesse an den Oscars in erster Linie sinkt, weil seit der Einführung diverser Gewerkschaftspreise in den 90ern fast ALLE Gewinner bei den Oscars zu 99% vorhergesagt werden können. Früher waren die Oscars die einzige Preisverleihung. Da gab es noch Spannung. Heute kann man anhand der dutzenden vorher vergebenen Filmpreise genau ausrechnen, wer am Ende den Oscar gewinnen wird. Die Spannung ist gleich Null. DAS ist das eigentliche Problem.
22.02.2017 14:26 Uhr 2
Daß zu wenige kommerziell erfolgreiche Filme unter den Nominierten sind, möchte ich übrigens zumindest ein bißchen bestreiten: Mit "Hidden Figures" und "La La Land" gibt es zwei Filme, die am Ende wahrscheinlich die $150 Mio. knacken werden, dazu mit "Arrival" einen $100 Mio.-Erfolg. Okay, ein Überblockbuster fehlt, aber im Vergleich zu den Vorjahren ist das durchschnittliche Einspielergebnis nicht so schlecht. Wer's überprüfen will:
Da dürfte sich 2016 im soliden Mittelfeld einordnen. Eine "Best Picture"-Nominierung für "Zoomania" oder "Deadpool" hätte aber natürlich geholfen ...