Es war letztlich ein «Sing meinen Song» in live und mit Publikumseinbindung - und landete damit im direkten Vergleich mit dem VOX-Superhit sogar einige überraschende Punktsiege. Vor allem aber ist dank Xaviers Gesangsrunde der neue Entertainment-Sender Sky 1 erstmals so richtig auf der TV-Bildfläche aufgetaucht.
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Mit der Show geht für mich ein lang gehegter Wunsch in Erfüllung. Als Künstler schätze ich den Live-Moment als solchen. Dazu passt eine Show ohne Drehbuch und lange Vorbereitung, die sich dem Publikum authentisch präsentiert. [...] Außerdem freue ich mich - neben unvergesslichen Augenblicken mit tollen Musikern - besonders darauf, mit den Zuschauern während der Sendung interaktiv in Verbindung zu treten.
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Jetzt müssen die auch noch auf Unterhaltung machen! Nicht wenige Abonnenten reagierten skeptisch bis kritisch auf die Pläne von Sky, mit Sky 1 einen auf Entertainment-Formate fokussierten Sender an den Start zu bringen - nicht zuletzt auch im Kontext des seit Jahren sukzessive ausgedünnten Sport-Programms, das seit je her als Herzstück der deutschen Pay-TV-Landschaft gilt, inzwischen jedoch längst fernab von König Fußball nur noch rudimentär mit echten Highlights bei Sky aufwartet. Und nachdem Sky 1 auch nach gut drei Monaten zwar das eine oder andere Nischen-Leckerli wie «MasterChef» oder «Mitfahr-Randale», aber eben noch keinerlei wahrhaft wegweisendes Format mit großer Breitenwirkung auf die Beine gestellt hat, musste jetzt so langsam mal geliefert werden.
Und das gelang dann an diesem Freitagabend auch:
«Xaviers Wunschkonzert» orientierte sich bewusst und offenkundig an der Form warmherziger und authentischer Unterhaltung, mit der zuletzt vor allem VOX sein Image erheblich hat aufpolieren können. Und sie engagierten mit Xavier Naidoo eine Person, die dank «The Voice» und «Sing meinen Song» spätestens seit dem Raabschied als DAS prominente Gesicht überhaupt gilt, der die TV-Musikshow aus der Gosse der Bohlen'schen Niedertracht herausgeführt und sogar wirtschaftlich erfolgreich gemacht hat. Heraus kam dabei ein aufwändig und stilvoll inszeniertes Live-Event, das sich seine Inspiration zwar ziemlich offensichtlich vom VOX-«Tauschkonzert» holte, es aber in gewisser Hinsicht sogar noch zu veredeln wusste, statt es schlicht zu kopieren.
Worum geht's? Und was ist schön daran?
Naidoo (Foto) und vier weitere deutsche Musiker (Tom Gaebel, Doro Pesch, Tim Bendzko und Laith Al-Deen) treffen sich in einem Mannheimer Club, wobei das Quintett jeweils drei eigene und zwei Lieblingssongs anderer Künstler in einen großen Voting-Pool wirft, aus dem fortan die Zuschauer wählen können - sowohl über eine (wohlgemerkt kostenfreie) Hotline als auch über die diversen Social-Media-Kanäle, auf denen die Verantwortlichen in den vergangenen Stunden und Tage eifrig für ihren Neustart warben. Am Ende des Abends gilt es schließlich für das Studio-Publikum, aus den neun gehörten Performances das Siegerlied des Abends zu küren. Ein TV-Zuschauer darf sich dann noch über ein Wohnzimmer-Konzert seines Lieblingsacts des Abends freuen.
Ja, zugegeben: Konzeptionell wirkt die Show bei ihrer Premiere an manchen Stellen noch etwas überambitioniert und verworren - insbesondere in dem Moment, wo sich die fünf Künstler auf dem Sofa darauf einigen müssen, wer jetzt mit wem und warum welchen Song singen möchte oder auch nicht, ist der Rezipient daheim ebenso wie Moderatorin Esther Sedlaczek gerne mal kurzzeitig ein wenig konfusioniert. Doch hat man erstmal eine gewisse Wurschtigkeit bezüglich dieses regulatorischen Kleinkleins entwickelt und seine Aufmerksamkeit auf die wesentlichen Elemente gerichtet, entwickelt man schnell Freude - oder zumindest eine Grundsympathie - für die Sendung.
Und das liegt nicht nur daran, dass die Musiker ins kalte Wasser geworfen werden und fast komplett spontan und ohne Vorbereitung einen Auftritt auf der Bühne hinlegen müssen, was noch einmal eine deutliche Spur "direkter" und härter ist als das stark auf eine gute Vorbereitung und damit ein deutlich höheres Maß an Professionalität abzielende «Sing meinen Song». Nein, auch das ganze Drumherum verkörpert viele Facetten guten Live-Fernsehens, das im Zuge von Quotengier und strammen Programmabläufen in den vergangenen Jahrzehnten zunehmend vergessen wurde: Die Einbindung des Zuschauers in guter alter «Wünsch dir was»-Manier beispielsweise, hier realisiert in Form zahlreicher per Telefon oder Skype zugeschalteter Menschen, die sich ihr Lieblingslied aussuchen und ein wenig über sich selbst und ihre musikalischen Idole plaudern dürfen. Das führt immer mal wieder zu dem einen oder anderen mehr oder minder freiwillig komischen Moment, sorgt aber insbesondere für eine über den Abend hinweg immer ausgelassenere und unverkrampftere Stimmung.
Welch wohltuenden Effekt sowas haben kann, lässt sich vor allem anhand der Partizipation des Studio-Publikums erkennen: Sitzt es zu Beginn noch recht reserviert inmitten des stilvoll aufgemachten Saals, geht es im weiteren Verlauf des Abends immer mehr mit und wirkt ehrlich betrübt, als die durchweg locker und spontan wirkende Sedlaczek nach dem Duett von Doro Pesch und Xavier Naidoo das nahende Ende dieses Musikabends ankündigt. Und dabei war deren Performance von "Nothing Compares 2 U" gewiss keine Lehrstunde in Sachen guter Künstler-Abstimmung innerhalb eines Duetts, sondern viel mehr von zahlreichen Timing- und Textproblemen geprägt. Aber weil der Rahmen stimmt und die Auftritte dennoch Spaß machen, nimmt ihnen das zu diesem Zeitpunkt eh niemand mehr übel.
Wie hat euch der Auftakt von «Xaviers Wunschkonzert» gefallen?
Die kleinen Schwachpunkte - und das Fazit
Dabei gibt es sicherlich die eine oder andere Stellschraube, an der noch zu drehen ist: So gleichen viele der Auftritte eher Karaoke-Performances von professionellen Musikern, der interpretatorische Wert ist - wohl aufgrund der mangelnden Vorbereitungszeit - gegenüber dem großen Vorbild von VOX eher gering. Trotz der an manchen Stellen vielleicht etwas zu lang geratenen Beratungszeiten gelingt es letztlich nicht, alle Sänger gleichermaßen zu berücksichtigen: Laith Al-Deen bekommt gleich drei Auftritte spendiert, Tom Gaebel dagegen geht mit lediglich einem Song ein bisschen unter und Doro Pesch tritt auch erst sehr spät so wirklich in Szene. Das kann man gutheißen und als Ergebnis der auf Spontaneität und Freiwilligkeit ausgerichteten Gesamtidee bezeichnen, man kann es aber auch zumindest einmal als potenziellen Impuls für Änderungsüberlegungen betonen. Und ob mehrere fünfminütige Werbepausen auf einem Bezahlsender wirklich sein müssen oder den Bogen des Zumutbaren nicht doch so langsam mal ein wenig überspannen, ist auch ein Punkt, über den sich trefflich streiten lässt.
Doch so alles in allem ist es Sky 1 mit «Xaviers Wunschkonzert» gelungen, erstmals ein wirklich relevantes Show-Format auf die Beine zu stellen, das dem Sender die dringend benötigte PR einbringen dürfte, die bislang weitgehend ausblieb. Man hat es geschafft, dem Zuschauer weniger eine plumpe Kopie von «Sing meinen Song» aufzudrücken als viel mehr eine inspirierende Abwandlung dessen, die an einigen Stellen sogar etwas frischer und weniger vorhersehbar daherkommt als das "Original". Und wer sich fragt, wann denn das nächste potenzielle Show-Highlight von Sky 1 zu erwarten ist: Am 13. März läutet mit «Eine Liga für sich - Buschis Sechserkette» Frank Buschmann seine Post-ProSiebenSat.1-Ära ein.
Wer auf den Geschmack gekommen ist und «Xaviers Wunschkonzert» nachschauen möchte, kann dies zeitlich flexibel über Sky Go und Sky On Demand tun. Alternativ oder ergänzend bietet es sich an, den 21. April schon einmal im Kalender zu notieren. Dann nämlich soll ein weiteres Konzert an den Start gehen.
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