Ein Mord im durchkommerzialisierten Karnevals-Milieu lässt Ballauf und Schenk wehmütig an einfachere Zeiten zurückdenken. Im Westen nichts Neues. Alaaf!
Cast & Crew
Vor der Kamera:
Klaus J. Behrendt als Max Ballauf
Dietmar Bär als Freddy Schenk
Patrick Abozen als Tobias Reisser
Sinja Dieks als Saskia Unger
Natalia Rudziewicz als Annika Lobinger
Herbert Knaup als Günther Kowatsch
Tristan Seith als Rainer Pösel
Hinter der Kamera:
Produktion: Bavaria Fernsehproduktion
Drehbuch: Jürgen Werner
Regie: Thomas Jauch
Kamera: Clemens MessowFasching, pardon: Karneval ist nicht nur die Zeit der schlechten Witze, sondern auch die der schlechten «Tatort»-Folgen. Man denke an den
“Gelben Unterrock“, ein inhaltlich so desaströser Film, dass er über drei Jahrzehnte im Giftschrank des Südwestrundfunks lag, bevor man sich dazu durchrang, ihn wieder einmal zu senden.
In diesem Jahr hat das Kölner Team die Freude, die Faschings-, Pardon: Karnevalsfolge auszutragen. Mit bestenfalls durchschnittlichem Erfolg.
Den Kölner Karneval erzählt dieser «Tatort» als knallhartes Geschäft. Kurz nach Aschermittwoch beginnen schon die Proben fürs nächste Jahr, die jecken Tänzerinnen trainieren auch mit Knochenbrüchen und werfen sich dafür so viele Pillen ein wie sonst nur russische Olympioniken, während der Posten des ersten Tanzmariechens so bitter umkämpft ist wie auf einem anderen Sender nicht einmal der Topmodel-Titel.
Das begabteste Funkemariechen der drittklassigen Karnevalstruppe „De Jecke Aape“ war lange Zeit die Tochter von Rainer Pösel (Tristan Seith). Die hat sich aber vor einer Weile von einer Brücke gestürzt, nachdem sie die neidvolle Zersetzung ihrer Vereinsfreundinnen nicht mehr ausgehalten hat. Nun wird auch noch die harsche Tanztrainerin des Vereins tot zwischen den Prunkwagen aufgefunden. Irgendjemand hat ihr den Schädel eingeschlagen.
Als Täter kommen viele infrage: Pösel, der der Vereinsleitung die Schuld am Tod seiner Tochter gibt, gleichzeitig aber seinen Sohn in die Bütt drillt. Der Vereinspräsident Günther Kowatsch (Herbert Knaup), mit dem das Mordopfer Auseinandersetzungen hatte, weil er seine „Jecke Aape“ mit aller Gewalt in die erste Karnevalsgarde Kölns pushen will und deshalb mit seinen Tanzmariechen durch alle Wettbewerbe im näheren Umfeld tingelt – im Karnevalsmilieu anscheinend verpönt. Oder eine der Tänzerinnen, vornehmlich Saskia Unger (Sinja Dieks) oder Annika Lobinger (Natalia Rudziewicz), die sich mit härtesten Bandagen um den Platz des Alpha-Tanzmariechens bekabbeln.
Dieser «Tatort» strahlt – wie so viele aus Köln – die Sehnsucht nach einem verklärten Früher aus. Als man Frauen noch in Bars und nicht im Internet kennengelernt hat, als schwule Kollegen auf der Wache noch nicht so hart am Knutschen waren, oder eben: als der Karneval noch nicht so durchkommerzialisiert und den Regeln des Kapitalismus unterworfen war. Von den Personalien Ballauf und Schenk ausgehend, mag man das wohlwollend immerhin als Haltung bezeichnen: Es führt aber dramaturgisch nirgendwo hin als in verklärenden Altherrenkitsch.
Gleiches gilt für die etwas zu rührselig, viel zu beliebig und zu reißerisch auf aktuell (Buzzword: Cybermobbing) getrimmte Geschichte um die intriganten Tanzmariechen, die zudem nicht frei von
Plot Holes ist. Wenn der Karneval wirklich ein so abstoßend ökonomisiertes Geschäft ist: Wieso tun sich die ramponierten Hupfdohlen dann das alles an? Ihre Motive bleiben ausschließlich im Diffusen: Ruhm, Ehre, Applaus. Aso.
Ein Trostpflaster für Köln zum Schluss: Vom Abrutschen ins Lachhafte wie beim legendären «Gelben Unterrock» ist man trotz der unnötig grobschlächtigen Figurenzeichnungen und des überreizten, weitgehend gehaltlosen Milieu-Plots weit entfernt. Behrendt und Bär geben zwei alte Männer, die in Situationen gebracht werden, in denen sie wehmütig an eine einfachere Welt von Früher zurückdenken dürfen, um zwischen Kamelle-Koma und Helau-Hirnriss eineinhalb Stunden Zeit zur jahreszeitgemäßen Reflexion zu ermöglichen. Alaaf!
Das Erste zeigt «Tatort – Tanzmariechen» am Sonntag, den 19. Februar um 20.15 Uhr.
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