Nach «Die Wanderhure» folgt «Die Ketzerbraut». Sat.1 lässt in einem neuen TV-Film eine junge Frau gegen die Kirche antreten und handelt dabei lieber mit Klischees, statt mit Frauenpower.
Cast & Crew «Die Ketzerbraut»
- Regisseur: Hansjörg Thurn
- Drehbuch: Thomas Wesskamp, Dirk Salomon, Hansjörg Thurn – nach Iny Lorentz
- Besetzung: Ruby O. Fee, Christoph Letkowski, Paulus Manker, Elena Uhlig, Adrian Topol, Christoph M. Ohrt, Stefano Bernardin, Ilknur Boyraz, Johannes Zeiler, Oliver Korittke
- Kamera: Peter Krause
- Schnitt: Mario Pav D’Auria
München 1518: „Das Armenhaus brennt!“, schreit ein Mann. Aber nicht nur das Armenhaus, Menschen stehen in Flammen und werden abgeschlachtet. Eine Kirche mit zu viel Macht und offensichtlich noch mehr Machtbestreben begibt sich auf die Suche nach sogenannten Ketzern, die ihre Ketzereien in Schriftform an die Türen der unbedarften Bevölkerung nageln, auch wenn diese teilweise nicht einmal lesen kann. Dabei verbreitet die Kirche allerdings kein spirituelles Heil, sondern vielmehr Tod, Zerstörung und ein Haufen Schutt und Asche. Das hält einen maskierten Unbekannten dennoch nicht davon ab, die Thesen Martin Luthers möglichst dramatisch in Umlauf zu bringen.
Mittendrin in diesem Trubel wächst die Tochter eines wohlhabenden Kaufmannes Genoveva „Veva“ Leibert (Ruby O. Fee) heran. Ihr Vater ist allerdings nicht nur Kaufmann, sondern auch Gelehrter, der sich mal mehr und mal weniger intensiv gegen die inquisitorischen Methoden der Kirchenväter auflehnt. Das geht nicht sehr lange gut: Er und seine Familie geraten in das Auge politischer und kirchlicher Macht-, Intrigen- und Ränkespiele. Vorausschauend möchte er seine Kinder aus der Stadt und in Sicherheit bringen. Allerdings zu spät. Bis auf Genoveva wird die gesamte Familie, inklusive Vater ermordet. Veva selbst landet im Gefängnis und wird dort mehrere Male vergewaltigt. Als es ihr gelingt, doch frei zu kommen, schwört sie blutige Rache. Zur Seite steht ihr der Jugendfreund, Künstler, Freigeist und noch vieles, vieles mehr Ernst Rickinger (Christoph Letkowski).
Die katholische Kirche, ihre Korruption, ihr Fanatismus und ihre Machtansprüche sind immer ein einfaches Ziel, egal in welchen mittelalterlichen Lebenslagen. Dementsprechend karikaturartig, ohne jegliche Nuancen und absolut uninteressant kommen die kirchlichen Oberhäupter oftmals daher. Das ist auch in «Die Ketzerbraut» nicht anders. Böse, böse Kirche! Rückständig, brandschatzend und machthungrig nimmt sie alles auseinander, was sich ihr in den Weg stellt. Dabei werden auch willkürlich der ein oder andere Beistehende mitgenommen, wenn dieser oder diese entsprechendes Pech haben. Nichts ist zu böse für diese eher lächerlich-stereotype Fiktionskirche.
Auch der Akt einer Vergewaltigung als Handlungsmotivation für die weibliche Hauptfigur reiht sich in eine lange Tradition von Mittelalter- und/oder Fantasy-Fiktionen ein. Jegliche Kritik daran kann man natürlich mit einem „Tja, so war das eben damals…“ beiseite wischen und weiterhin so tun, als hätten solche düsteren abgehandelten Hintergründe etwas mit psychologischer Tiefe zu tun. Der schiere Intellekt und die Neugier, die Genoveva von Natur aus mit sich bringt und noch die interessantesten Aspekte an ihrem Charakter darstellen, reichen natürlich allein nicht aus, um sich gegen die alberne Vorherrschaft der katholischen Kirche aufzulehnen. Es muss alles viel schlimmer, viel tragischer und viel, viel klischeehafter sein, damit der Zuschauer mitgerissen wird. Das geht solange gut, bis es dann irgendwann lächerlich wird (und das passiert ziemlich schnell). Originell ist das alles nicht und in so ziemlich jeder Ken Follett-Verfilmung noch durchgekaut worden. «Die Ketzerbraut» fügt diesen Bildern keine neuen Aspekte hinzu. Diese spezifische Stolperfallen sind aus diversen anderen Fernsehproduktionen bekannt. Selbst hochwertige Prestige-Fantasyserien wie «Game of Thrones» sind nicht davor gefeit.
© SAT.1 / Dusan Martincek
Um nicht als Ungläubige verhaftet zu werden, knien (v.r.n.l.) Veva (Ruby O. Fee), die Tochter des Schmieds (Laura Karolyi), Sandor (Stefano Bernardin) und die Sarazenin (Ilknur Boyraz) zum Gebiet nieder.
Die vorliegende Produktion nimmt sich quasi die Blaupause von «Die Wanderhure», «Die Rache der Wanderhure» und «Das Vermächtnis der Wanderhure» zur Hand und quetscht das Ganze in ein zweistündiges Format. Die Reise der Titelheldin soll zwar im Vordergrund stehen, gerade diese wirkt allerdings überhastet und schlecht ausgearbeitet. Weder Zeit noch eine überzeugende psychologische Herangehensweise gibt man ihr, damit sie ihr Trauma verarbeiten kann. Dafür braucht es nur die starken Hände eines guten Mannes, wie uns «Die Ketzerbraut» anscheinend sagen möchte.
Auch das Anschmiegen dieses Einzelschicksals an einen realen historischen Hintergrund bleibt oberflächlich. Hier werden mal die vermeintlich ketzerischen Thesen des Martin Luthers erwähnt, dort ein paar Sätze zum Kirchenablass verloren, näher darauf eingehen möchte oder kann das Drehbuch aus zeitlichen Gründen nicht. Letztendlich handelt es sich um einen Fernsehfilm, der es nicht einmal ansatzweise wagt, seine Zuschauer herauszufordern und lieber im gemütlichen Belanglosem festhängt. Dementsprechend vorhersehbar ist das Mittelalterdrama gestaltet: Auf Intrige, Mord und Vergewaltigung folgen Rache, dann Moral und letztendlich Hoffnung. Die Dialoge sind hölzern und werden trotz aller dramatisch-ausufernder Mühen - vor allem von Hauptdarstellerin Ruby O. Fee - auch entsprechend steif vorgetragen.
Die Inszenierung von Regisseur Hansjörg Thun selbst streift dagegen nie den Mief von schlechten Fernsehen ab. Auch den Zuschauer kann Thun nicht überzeugend an den Beginn des 16. Jahrhunderts zurückversetzen. Darüber hinaus wirken Szenen vereinzelt unsinnig, inkohärent und ohne wenig Bedacht aneinander gereiht. Selbiges gilt für die wackelige und geradezu trunken wirkende Kameraarbeit. Weder tonal noch inszenatorisch findet der Film jemals zu so etwas wie einem Gleichgewicht: Mal sind Schauspiel, Handlung und die Charakterisierungen maßlos überzogen, dann scheitern jegliche Versuche, der Geschichte so etwas wie Liebe, Leidenschaft und Intimität zu verleihen. Nahaufnahmen von Dekolletés im mittelalterlichen Zwirn helfen da auch nicht.
Fazit: Klischeehafte Mittelalterverfilmung, dessen Künstlichkeit in jeder Minute spürbar ist. Authentizität ist nicht immer zwingend notwendig, wenn die Themen mitreißen können. Aber selbst das vermag «Die Ketzerbraut» nicht. Weder Liebesgeschichte noch Kirchenrevolution überzeugen.
Die Ketzerbraut ist am Dienstag, den 14. Februar 2017, um 20.15 Uhr auf Sat.1 zu sehen.
Schreibe den ersten Kommentar zum Artikel