Jack Bauer ist zurück - heißt nun aber Eric Carter. Mit der tickenden Uhr im Nacken geht es erneut um das Wohl der Welt. Maulwürfe, Intrigen und Plotholes inklusive. Das macht einerseits wieder viel Spaß, andererseits ärgert es aber auch.
Facts zu «24: Legacy»
- Produktion: Manny Coto, Evan Katz, Howard Gordon, Brian Grazer, Kiefer Sutherland, Stephen Hopkins
- Idee: Manny Coto & Evan Katz
- Darsteller: Corey Hawkins, Miranda Otto, Anna Diop, Teddy Sears u. a.
- Musik: Sean Callery
Es war einmal eine Fernsehserie, die die Welt nicht nur Staffel um Staffel rettete, sondern auch veränderte. Eine Serie, die den Suchtfaktor erfand, die so spannend war, dass man die Nächte durchmachte, die durch Stilmittel wie die Echtzeit vorgaukelnde Uhr und den Split-Screen Maßstäbe setzte. Neun Jahre und einen Nachschlag lang kämpfte sich Kiefer Sutherland alias Jack Bauer durch eine Welt von Terroristen, Menschenhändlern, Drogenringen, Korruption und watete dabei durch Blut, Tod und Trauer wie keiner vor oder nach ihm. Ein fatalistisch-depressiver James Bond ohne Martini, schnelle Autos, schöne Frauen und Glamour. Ein Arbeiter für die gerechte und gute Sache - zumindest in seinen Augen.
Heute ist Kiefer Sutherland zwar immer noch als Produzent an Bord, mit Corey Hawinks ballert sich jedoch ein neuer zentraler Charakter durch die mit dem Zusatz "Legacy" versehene Serie. Ob das größtenteils unveränderte Produktionsteam dem Format neue Seiten abgewinnen kann? Oder geht alles seinen gewohnten Gang? Und wen kann das dann noch begeistern? Wir haben mal hingeschaut.
Gewalt erzeugt Gegengewalt - hat man dir das nicht erklärt?
Schon früh wird klar - das Weltbild der Serie hat sich noch weniger gewandelt, als die Farbe der tickenden Uhr. Die USA haben vor Kurzem unter der Leitung von Ex-CTU-Chefin Rebecca Ingram einen alternativlosen, tödlichen und natürlich gerechtfertigten Schlag gegen Terrorchef Sheik Ibrahim Bin-Khalid durchgeführt und müssen nun mit den freilich verwerflichen und eindeutig terroristischen Vergeltungsakten klarkommen. Diese richten sich explizit gegen die Mitglieder der Eliteeinheit, die Bin-Khalid tötete und deren Mitglieder seitdem unter neuen Identitäten neue Leben führen. So weit, so schlicht.
Innerhalb der CTU gibt es einen neuen - und wenig sympathischen oder gar vertrauenswürdigen - Chef, der gleich mal in Verdacht gerät, der Maulwurf und Verräter zu sein. Murmeltiertag? Noch sind wir nicht fertig. Die Ex-CTU-Chefin ist auch Gattin eines edelmütigen Senators, der sich um das Amt des Präsidenten bemüht, ein Mitglied der Eliteeinheit ist inzwischen vollkommen heruntergekommen und bereit, von Hass gegen seine eigenen Leute getrieben, wichtige Daten zur Aktivierung von Schläfern an den Feind zu verkaufen. Obendrauf gibt es die Kim-Bauer-Gedächtnis-Story um eine Schülerin und ihren Lehrer, die eventuell einen terroristischen Akt an einer Schule planen. Mit der Wahl des Adjektivs
vollgepackt wäre man den Autoren hier noch gnädig gesonnen.
All diese Konfliktherde tragen aber natürlich auch zu einer dichten und ruhelosen Story bei, die atemlos von einem Schauplatz zum anderen, von einem Charakter zum nächsten hüpft. Mittendrin platzierte man noch den eigentlichen Protagonisten: Eric Carter, gespielt von Corey Hawkins, der nicht nur die einzige Person ist, der er selbst trauen kann, sondern auch die letzte Hoffnung auf Deeskalation. Hawkins ist zudem auch Ehemann, hat ein problematisches Verhältnis zu seinem kriminellen Bruder (der wiederum eine Vergangenheit mit Hawkins Frau teilt) und leidet unter Umständen noch an einem schweren Trauma aus seiner Zeit im Einsatz. Ja, da darf man auch mal kurz innehalten. Egal an welcher Front, die Autoren überließen definitiv keinen weißen Fleck der Phantasie der Zuschauer.
Drama bis die Ärzte kommen
Nun könnte all das durchaus negativ klingen, ist jedoch nur eine Schilderung der Gegebenheiten. Im Kern macht der Auftakt zu «24: Legacy» nämlich vor allem eines: Spaß. Der Unterhaltungslevel schießt von Null auf Hoch und bringt die Charaktere direkt in Position. Die politische Überschaubarkeit der Story ist nicht nur Fluch sondern auch Segen, sind die Grenzen zwischen Schwarz und Weiß doch erfreulich eindeutig gefasst und lassen im Weitwinkel wenig Platz für Nebenkriegsschauplätze. Diese verlagerte man dann lieber mit vollen Händen in die Charakterdynamiken.
Und hier funktioniert die Serie zu Beginn dann auch am Besten. Der Charakter des Eric Carter mit seiner komplexen Vorgeschichte und Gefühlswelt bietet ausreichend Identifikationspotential. Sein vermeintliches Trauma sowie das seines Freundes und Ex-Kollegen erinnern zwar stark an die erste Staffel der inhaltlich auf diesem Gebiet um Längen stärkeren Serie «Homeland», bereichern aber auch durchaus clever die Backgroundstory. So kann man, wenn es schon inhaltlich nichts Neues gibt, zumindest direkt mit den Charakteren mitfiebern.
Gedanken von der technischen Seite
Rein handwerklich kann man der neuen Serie nichts vorwerfen. Kleine Änderungen am bisher bekannten Konzept (leicht überarbeitetes Logo, andere Farbe und Schrift für die Uhr) fallen kaum ins Gewicht, der Score von Sean Callery ist rastlos wie eh und je und macht aus jeder noch so bärtigen Sequenz pures Drama.
Schauspielerisch gefallen besonders Miranda Otto, die teilweise wie die wahre Erbin von Kiefer Sutherland wirkt, und Jimmy Smits als edler Senator mit Würde und Stil. Corey Hawkins bemüht sich redlich, eine fiebrige und energiegeladene Vorstellung zu geben, kann dabei das Charisma eines Kiefer Sutherland zu Beginn aber nur ankratzen. Teddy Sears als neuer Leiter der CTU bleibt zudem blass.
Auch in Sachen Action macht der Auftakt keine Gefangenen. Alles wirkt noch eine Spur größer und dramatischer als man es ohnehin aus «24» gewohnt war. Die Choreographien der Schusswechsel befinden sich dabei auf Kinoniveau, die Kameraführung bietet interessante Blickwinkel und Gimmicks.
Fazit*2=?
Für Menschen, die nichts oder nur wenig vom alten «24» kennen, die nur mit einem mäßigen Gedächtnis gesegnet sind oder die schlicht durch den übermäßigen Konsum der immer gleichen Sache partour nicht abstumpfen wollen, ist «24: Legacy» eine spannende, knisternde Action-Show mit starken Schauwerten und guten Darstellern.
Für alle, denen schon die letzten Jack-Bauer-Jahre kaum mehr Adrenalinschübe verpasst haben oder die nicht bereit sind, sich immer wieder auf die gleichen Storykniffe einzulassen, wird die Serie vielleicht aber auch zum Ärgernis, da das Produktionsteam offenbar nicht bereit war, den großen Schatten des Ur-Formats abzustreifen und mit ihrer Nummer-Sicher-Taktik nur eine weitere Staffel liefern, die irgendwie aus der Zeit fällt.
Wie gefiel euch der Auftakt von «24: Legacy»?
Dieser Artikel erschien erstmals zur Ausstrahlung der Serie bei Sky in Deutschland. kabel eins zeigt das Format jetzt ab Samstag, 21. Juli, immer ab etwa 22.15 Uhr mit je drei Episoden am Stück.
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