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House of Cards im West Wing

«The West Wing» wirkte unter den amerikanischen Polit-Serien immer deutlich realistischer als «House of Cards». Bis Donald Trump ins Weiße Haus einzog.

Das amerikanische Fernsehen hat zwei inhaltlich ambitioniert erzählte Serien hervorgebracht, die die Arbeit eines Präsidenten in ihr dramaturgisches Zentrum stellen: «The West Wing» und «House of Cards».

Beide verfolgen unterschiedliche Ansätze: «House of Cards» erzählt die Geschichte eines hochfunktionalen Psychopathen, der vor Morden nicht zurückschreckt, um an die Macht zu kommen. «The West Wing» dagegen war ein gewitzter Blick hinter die Kulissen des Tatsächlichen, in den Alltag des politischen Tagesgeschäfts Amerikas, sicherlich ein wenig verklärt, mit etwas mehr Drama und geschliffeneren Gesprächen, aber doch: nah an der Realität.

Hauptfigur der Serie war Präsident Josiah Bartlett: ein Demokrat, ein Intellektueller (Backstory: Wirtschaftsnobelpreisträger), mit hehren Idealen, hohen Ansprüchen, und gleichzeitig kühlem, angelsächsischem Pragmatismus, mit großem politischen Talent, nicht minder starken Sympathiewerten – und einem brillanten Darsteller, Martin Sheen.

Bartlett konnte hart sein, rabiat und durchgreifend, etwa als die Vereinigten Staaten unter seiner Führung bei ethnischen Säuberungen im fiktiven afrikanischen Staat Äquatorialkundu intervenierten:



Und was konnte er für mitreißende Reden halten:



Geopolitische Krisen, etwa als in der Heimat verfolgte chinesische Christen in den USA Asyl suchten, löste er mit Strategie und Feingefühl:



Sein Stab hatte nicht nur eine exzellente Expertise, sondern konnte über den richtigen Weg auch trefflich streiten: etwa, ob eine geheime Operation der amerikanischen Geheimdienste notwendig sei, um einen unter diplomatischem Schutz stehenden ausländischen Terroristen zu liquidieren:



Oder in diesem Beispiel, in dem der brillante Vizestabschef Josh Lyman mit seiner Assistentin Donna Moss die infantile intellektuelle Lebenswirklichkeit von Jed Bartletts Gegenkandidat bei seiner bevorstehenden Wiederwahl auseinandernahm:



Als sich Bartletts Amtszeit zu Ende neigte, machte sein Nachfolger Santos, ebenfalls Demokrat, seinen politischen Gegner Vinick, den er kurz zuvor bei der Wahl besiegt hatte, zu seinem Außenminister und unterstrich die realpolitisch gelebte (!) Notwendigkeit parteiübergreifender Arbeit, die im realen Amerika seit Jahren nicht mehr existiert:



«The West Wing» wirkte in den letzten Jahren wie ein zwar ein wenig idealisiertes, aber doch realitätsnahes Bild des amerikanischen Politbetriebs in seinen besseren Zeiten. Donald Trump ist es in zwei Wochen gelungen, aus diesem mäßig verklärten Bild eine fernliegende Utopie zu machen – und «House of Cards» im direkten Vergleich wie ein näher an der Realität liegender Blick durchs Schlüsselloch wirken zu lassen.

Das hat Jed Bartlett nicht verdient.
03.02.2017 12:30 Uhr Kurz-URL: qmde.de/91012
Julian Miller

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360 Grad House of Cards The West Wing

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