Nora Tschirner und Christian Ulmen zum Vierten: Der neuste «Tatort» aus Weimar schaltet zwischendurch einen Gang runter. Tut dies dem humorigen Krimi gut?
Cast & Crew
- Regie: Sebastian Marka
- Darsteller: Nora Tschirner, Christian Ulmen, Thorsten Merten, Arndt Schwering-Sohnrey, Laura Tonke, Katharina Heyer, Carmen-Maja Antoni, Florian Panzner, Rüdiger Klink
- Drehbuch: Murmel Clausen, Andreas Pflüger
- Kamera: Philipp Sichler
- Schnitt: Carsten Eder
- Musik: Thomas Mehlhorn
- Produktionsfirma: Wiedemann & Berg Television
Nach zwei Sonderprogrammierungen war im April 2016 erstmal Schluss mit Event in Weimar: Obwohl der «Tatort» mit Nora Tschirner und Christian Ulen weiterhin nur äußerst sporadisch auf Sendung geht, haben die humorigen Ermittler Lessing und Dorn mittlerweile ihren Status als Feiertags-Eventkommissare aufgeben müssen. Der dritte Weimar-«Tatort» „Der treue Roy“
war dennoch amüsant, trotzdem fehlte ihm spürbar das Besondere. Der vierte Krimi über die sarkastischen Ermittler aus der Feder des Duos Murmel Clausen & Andreas Pflüger geht nun neue Wege und präsentiert sich im Mittelteil ruhiger und dramatischer als bislang von diesem Team gewohnt. Aber wie gelungen ist dieser Wechsel der Gangart?
Eingangs geht in diesem skurrilen Weimar der «Tatort»-Reihe alles den gewohnt schrägen Gang: Der treuen Zuschauern bereits bekannte, verschrobene Schutzpolizist Ludwig Maria Pohl (Arndt Schwering-Sohnrey) überrascht seine Nachbarin und Jugendliebe, während sie Interessierten eine Führung durch ein absurdes Porzellanmuseum gibt. Dort gibt er kund, sich endlich entschieden zu haben: Der Rosenfanatiker werde sie vergessen und sich endlich voll und ganz seiner Leidenschaft für Kollegin Kira Dorn (Nora Tschirner) hingeben. Kurz danach wird Ludwigs Verflossene von einer Bombe in die Luft gejagt, bald darauf stellt sich heraus, dass Ludwig vergiftet wurde und nur noch rund 72 Stunden zum Leben hat.
© MDR/Anke Neugebauer
Die Hauptkommissare Kira Dorn (Nora Tschirner, 2.v.l.) und Lessing (Christian Ulmen, re.) besprechen sich mit ihrem Kollegen Tobi (Fridolin Sandmayer, li.).
Ludwig, von allen nur Lupo genannt, sieht nicht ein, darauf zu warten, bis die von ihm verehrte Kira und ihr Lebensgefährte Lessing (Christian Ulmen) den Mörder finden, sondern nimmt das Recht selbst in die Hand – zumindest so sehr, wie es ihm seine Verfassung gestattet. Die Ermittler wiederum gehen sämtlichen Indizien auf die Spur und stoßen auf nie geahnte Erkenntnisse über ihren Kollegen – so ändert Lupo ständig sein Testament und hat neulich eine stattliche Anschaffung gemacht. Unterdessen bekriegen sich die verfeindeten Porzellanfabrikantentöchter Amelie (Laura Tonke) & Desiree Scholder (Katharina Heyer) über die Zukunft des Familienunternehmens, während Lupos Ersatzmutter Olga Kruschwitz (Carmen-Maja Antoni) darauf pocht, dass ihr verkommener Sohn Ringo (Florian Panzner) Lupo auf dem Gewissen hat. Äh, haben wird. Oder so …
Der Auftakt sprüht vor abstrusen Einfällen, albernen Namensgebungen und lakonischen Dialogen, die Regisseur Sebastian Marka mit einer beharrlichen Bodenständigkeit in Szene setzt. Wenn etwa Lupos Jugendliebe im „Raum des Scheiterns“ den Laufpass verpasst bekommt oder die Spurensicherung knochentrocken von einer in alle Winde zerstreuten Leiche spricht, entsteht der Witz viel weniger aus den schrägen Situationen, sondern mehr daraus, dass Marka sie so einfängt, als liefere er einen 08/15-Fließband-«Tatort» ab. Selbst cartoonigere Elemente wie der „Exkrema 7500“, ein Tank voller Kinderkot, den Dorn und Lessing als Strafe aufgebrummt bekommen, weil sie einen Elternabend versäumt haben (?!), fügt der Regisseur wie selbstverständlich in den Krimi ein.
Sind die Ermittlungen erstmal ins Rollen gekommen, gerät der Film indes ins Stocken: Das Autoren-Duo fährt seine Albernheiten enorm hinunter, lässt allein durch die Dialoge zwischen Ulmen und Tschirner weiter einen Funken des Humors durchschimmern. Stattdessen sinnieren sie darüber, wie kindisch denn alle in ihrem fiktionalisierten Weimar sind, wie wenig sich alle um Lupo geschert haben und wie dieser nun in seinen letzten Lebensstunden erwachsen werden will – und zwar durch übereilte Wutreaktionen. Arndt Schwering-Sohnrey spielt diese widersprüchliche Entwicklung sehr engagiert, doch das Drehbuch gibt trotz gemächlicherem Tempo kaum dramaturgische Impulse. So stapft der vierte Weimar-«Tatort» für etwas weniger als ein Drittel seiner Laufzeit durch seichtes Gewässer, zieht dabei aber ein Gesicht, als versacke er in einem Sumpf aus dramatisch-verkorksten Gestalten.
Die letzten rund 20 Minuten nehmen dann wieder Fahrt auf. Dorn und Lessing sind wieder stärker in die Handlung eingebunden – und es ist deutlich, dass diese zwei Figuren mit ihrer ulkigen, bewusst verstaubten Humor bedienenden Rhetorik der treibende Motor dieser «Tatort»-Reihe sind. Durch sie gefiltert wirkt die sich zum Schluss hin mehrfach verknotende Tätersuche erst so richtig unterhaltsam. Somit ist der vierte Weimar-«Tatort» nach dem etwas alltäglicheren dritten Fall als zwischenzeitlich scheiternder Versuch in Sachen Seriosität dank der überaus spaßigen Strecken zu Anfang und zu Ende wieder ein Schritt vorwärts. Aber noch nicht ganz auf der Höhe der Eventfolgen.
«Tatort – Der scheidende Schupo» ist am 5. Februar 2017 ab 20.15 Uhr im Ersten zu sehen.
Es gibt 2 Kommentare zum Artikel
03.02.2017 14:48 Uhr 1
03.02.2017 20:06 Uhr 2