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Ein schlafender Riese lässt aufhorchen

Becker, Sammer, Schmitt, Hannawald. Bielek, Hagemann, Stach. Eurosport rüstet auf. Nach vielen Jahren des Schlummerns entsteht unter dem Discovery-Dach eine ernst zu nehmende Anlaufstelle für hochwertigen Journalismus - das weiß man auch selbst. Vielleicht zu sehr? Ein Kommentar.

Gegen einen Aufschrei erster Güteklasse musste sich das inzwischen zum US-Konzern Discovery gehörende Eurosport durchsetzen, als vor einigen Monaten Klarheit darüber herrschte, dass die nächsten vier Olympischen Spiele nicht bei ARD und ZDF, sondern nur bei Eurosport zu sehen sein werden. Damals – wie auch noch heute – herrschte Unsicherheit bei den Kritikern darüber, ob ein Sender wie Eurosport die entsprechenden Veranstaltungen auf vernünftigem journalistischem Niveau oder auch nur im Ansatz ähnlich wie ARD und ZDF ins Wohnzimmer der Zuschauer bringen kann. Aber da fragen Sie mal bei Eurosport nach. „Wir freuen uns, den deutschen Fans ein umfassendes und tiefgreifendes Olympia-Erlebnis zu bieten. Mit unserem Multi-Plattform-Angebot haben Fans zum ersten Mal die Möglichkeit jeden einzelnen Augenblick der Olympischen Spiele live zu verfolgen, mit allen verfügbaren Daten und Statistiken – in Echtzeit, von jedem deutschen Sportler, bei jedem Wettkampf. Zudem wollen wir die lange Olympia-Tradition im deutschen Fernsehen fortführen und insbesondere die junge Generation für die Olympischen Spiele begeistern – und das nicht nur durch eine umfangreiche Free-TV-Berichterstattung, sondern vor allem durch Live- und On Demand-Angebote auf allen Geräten“, sagt etwa die Chefin der Discovery Networks in Deutschland, Susanne Aigner-Drews und verweist auf das exzellente Storytelling des Senders.

Drei Jahre ist es jetzt her, dass Discovery bei Eurosport einstieg, seit zwei Jahren ist die Übernahme komplett. Der Fernsehriese, der auch Sender wie DMAX, TLC, den Discovery Channel oder Animal Planet betreibt, erkannte in Eurosport riesiges Potential: Der schlafende Riese sollte mit frischen Ideen und neuen Rechten zum Leben erweckt werden. Wie ernst es dem US-Konzern ist, wurde nicht nur bei Olympia deutlich: 40 Bundesliga-Spiele, obendrauf noch die Relegation und den Supercup, erwarb der Konzern – und zeigt sie ab 2017 exklusiv anstelle von Sky. Bei weiteren Verhandlungen, etwa um die Handball-WM oder die Handball-Bundesliga, sollen Eurosport-Manager zumindest mit am Tisch gesessen haben.

Der leise Quotensturz von Eurosport


Es ist ein neuer Wind, der bei Eurosport weht. Das war – mit Verlaub – auch nötig. Es gab eine massiv negative Quotenentwicklung. Betrachtet man den Fernsehmarkt ab drei Jahren, dann lag der Kanal in der TV-Saison 07/08 noch bei einem Prozent im Schnitt. 08/09 und 09/10 musste man sich schon mit gerade einmal 0,8 Prozent zufrieden geben. In den Saisons 2010/2011 bis 2012/2013 fiel man auf 0,6 Prozent – und hatte das Ergebnis somit nahezu halbiert. Den Tiefpunkt erreichte der Trend dann 2014/2015, als die durchschnittlichen Werte auf 0,4 Prozent Marktanteil zurückgingen. Eurosport war quasi gefangen in einer Fernsehwelt der Fragmentierung und in der öffentlichen Wahrnehmung fernab vieler Radare.

Discovery schafft die Wende


Erstmals in diesem Zeitraum ist nun wieder ein positiver Trend zu erkennen. 15/16 steigerte sich Eurosport immerhin auf 0,6 Prozent, machte also 33% an Boden wieder gut. In einzelnen Monaten wurden sogar wieder 0,8 Prozent ermittelt. Dieser Trend ist ein erster Lohn mühevoller Arbeit – die gerade erst einmal begonnen hat. Teilweise unter Schmerzen mussten hinter und vor den Kulissen alte Zöpfe abgeschnitten werden. So wurde das Kult-Duo Dirk Thiele und Gerd Siegmund bei der Vier-Schanzen-Tournee durch den von Sky bekannten Matze Bielek und Rekordhalter Sven Hannawald ersetzt. Martin Schmitt war für den Sender an der Moderations-Position als Experte im Einsatz. Die Vier-Schanzen-Tournee zeigt dabei recht gut auf, wohin der inhaltliche Weg von Eurosport führen wird. Man geht weg von dem lange gültigen Ansatz, zur Verfügung gestellte Weltbilder schlicht für Deutschland zu übernehmen und kommentieren zu lassen. Es geht hin zu echter journalistischer Einordnung von in Deutschland sehr prominenten Ex-Sportlern.

In die Reihe von Hannawald und Schmitt gesellt sich in diesen Tagen etwa Boris Becker, der langjährige BBC-Tennis-Experte, der neues Aushängeschild des Senders ist. Nach dem Ende seiner Tätigkeit als Trainer der ehemaligen Nummer 1 der Herren-Weltrangliste, Novak Djokovic, beurteilt Becker aktuell die Spiele seines einstigen Schützlings am Eurosport-Mikro. Er hat bei Eurosport seit Neuestem auch eine eigene Sendung, die anstelle des englischsprachigen Formats mit Mats Wilander zum Einsatz kommt. Und für die Bundesliga-Sendungen hat sich der Kanal die Dienste des bei Fans sehr beliebten Fußball-Moderators Jan Henkel und des Ex-Bayern-Sportvorstandes Matthias Sammer gesichert.

Mit seiner Experten-Riege darf sich Eurosport plötzlich vor den ganz großen Playern der Sportwelt messen lassen. Der schlafende Riese Eurosport ist nun also wach geworden - und teilt das auch mit. Nach allem was zu hören ist, sind die bisherigen Schritte aber keineswegs das Ende des zu gehenden Weges. In 2017 haben zunächst die Bundesliga, die neue Standards setzen soll und von Aigner-Drews als Vorzeigeprojekt deklariert wurde, und die Vorbereitung auf die Winterspiele in einem Jahr oberste Priorität. Die zuletzt getätigten Personalien zeigen, wohin es gehen wird mit Eurosport. Bielek, Hagemann, Stach, Sammer, Hannawald. Das lässt sich sehen.

Die Offensive, die auch der Mutterkonzern durchaus ernst meint, bringt aber neue Probleme mit sich. Die der Bewertung der Programmqualität. Weil man sich über eine weitere Einspeisung nicht einig wurde, wird Eurosport in Großbritannien etwa künftig nicht mehr via Sky zu sehen sein. Auch in Deutschland droht so ein Ausschluss. In Skandinavien gab es vor rund einem Jahr solch schwere Verhandlungen, Kurzzeit-Blackout inklusive. Eurosport weiß um seine neue (und teure) Power, vielleicht ein bisschen zu sehr. Und so positiv die inhaltliche Entwicklung erscheint, so seltsam mutete zuletzt die Kommunikationsstrategie an. Während noch laufender Verhandlungen polterte Eurosport, etwa auf Facebook, ungewohnt deutlich gegen Sky. "Sky schickt seine Stars ins Aus" hieß es da - mit Hinweis auf den Hashtag #skywarmeinDing. In England geht man noch einen Schritt weiter, teilte in den sozialen Medien ein Bild mit zahlreichen Tennisprofis oder Motorsportlern und dem Text "If they played Football maybe Sky would love them like you do." Zumindest für Deutschland gilt: Während noch laufender Gespräche, die Beteuerungen der Eurosport-Chefetage wenn möglich noch gut verlaufen sollten, ist das eventuell nicht die klügste Kommunikationsvariante.

Der radikale Umbau von Eurosport birgt also auch Problematiken. Wie Eurosport die ambitionierten Projekte schnell refinanzieren will, ist unklar. Zwar zeigen die Quoten in eine richtige Richtung, aber sie müssen noch steigen - übrigens auch abseits der Bundesliga und Olympia. Und sie sind auch teuer erkauft. So zeigen schon die ersten Wochen des noch jungen Jahres 2017: Langweilig wird es mit der Eurosport-Crew sicherlich nicht.
28.01.2017 10:36 Uhr Kurz-URL: qmde.de/90722
Manuel Weis

super
schade

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Es gibt 6 Kommentare zum Artikel
Blue7
28.01.2017 13:16 Uhr 4
Was viele unterschätzen. Eurosport ist nicht nur Wintersport und Bundesliga ab 2017. Sondern ich schau jahrelang immer den German Bowl (American Football aus Deutschland), Formel E, Radfahren, Tennis
Nr27
28.01.2017 14:25 Uhr 5
Für meinen Sportgeschmack hat sich Eurosport leider in den letzten Jahren deutlich verschlechtert - außer Wintersport, den Tennis-Grand Slams und den Leichtathletik-Meisterschaften gibt's da nicht mehr viel für mich. Stundenlang Radfahren, Motorsport und Billard würde ich niemals freiwillig einschalten, Leichtathletik-Meetings zeigen sie dafür kaum noch, normale Tennisturniere auch deutlich weniger als früher. Dafür nun britischen und amerikanischen Fußball, für mich leider nur sehr bedingt von Interesse. In Zukunft werden sich dank der Bundesliga-Rechte vermutlich noch stärker auf Fußball konzentrieren, obwohl wir damit ja nun wahrlich nicht unterversorgt sind.



Als neuer Olympia-Sender sollten sie sich lieber stärker den kleineren olympischen Sportarten widmen, die kaum im Free-TV zu sehen sind, finde ich - aber angesichts zu erwartender mäßiger Quoten ist das wohl eher unwahrscheinlich ...
Garfield
29.01.2017 11:03 Uhr 6

Deinen Wunsch kann ich zumindest teilweise nachvollziehen. Dass Motorsport und Radsport mehr Quote bringen als Bogenschießen sollte aber auch klar sein. Und damit ist klar was übertragen wird.

Lohnenswert ist hier teilweise der Eurosport-Player, der auch so nette Sportarten wie Squash oder Badminton verfolgbar macht.



An sich habe ich an der Entwicklung bei Eurosport wenig zu bemängeln. Dass ich als KD-Sky-Kunde bei vielem auf der Strecke bleibe, stört. Und das Absetzen von Thiele/Siegmund ist eine Katastrophe. Hannawald und Schmitt sind rhetorisch und Bielek fachlich unbrauchbar. Mal sehen was da noch so kommt.
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