Warum läuft Herr F. Amok? Dieses nicht ganz Fassbinder'hafte Rätsel müssen Moritz Eisner und Bibi Fellner lösen, um Schlimmeres zu verhindern.
Cast & Crew
Vor der Kamera:
Harald Krassnitzer als Moritz Eisner
Adele Neuhauser als Bibi Fellner
Tanja Raunig als Claudia Eisner
Hubert Kramar als Oberst Rauter
Christina Scherrer als Meret Schande
Aaron Karl als David Frank
Mercedes Echerer als Sarah Adler
Hinter der Kamera:
Produktion: Cult Movies GmbH
Drehbuch und Regie: Rupert Henning
Kamera: Josef Mittendorfer
Produzent: Burkhard ErnstDer Student David Frank (Aaron Karl) kündigt auf allen sozialen Netzwerken an, seine Eltern, einen weltberühmten Mathematikprofessor und eine erfolgreiche Finanzanwältin, in wenigen Stunden umzubringen und sich anschließend das Leben zu nehmen. Die Wiener Polizei richtet einen Krisenstab ein, den Moritz Eisner (Harald Krassnitzer) leiten soll. Zur Seite stehen ihm dabei neben seiner langjährigen Kollegin Bibi Fellner (Adele Neuhauser) auch die Leiter von Staatsschutz, psychologischem Dienst und der IT-Abteilung, die in Technobabble-beladenen Dialogen versuchen, David Frank über die von ihm benutzten Geräte zu orten oder ihn psychologisch zu analysieren.
Am Anfang steht die Suche nach einem Motiv: Frank betont in seinen YouTube-Video-Verschnitten, dass seine Tat weder den Wahnideen eines pathologischen Geistes entspringe, noch religiös oder rituell motiviert sei. Es gehe ihm vielmehr um die Aufdeckung gesellschaftlicher Missstände, auf die Eisner, Fellner und der Rest des Teams nur mit der Salami-Taktik kommen: Frank hat die Brutalität der Leistungsgesellschaft am eigenen Leib erfahren müssen. Und als der Boyfriend von Eisners Tochter Claudia (Tanja Raunig) ins Visier der Ermittler gerät, hält sie ihrem Vater in einer klug geschriebenen und einnehmend gespielten Szene die Zumutungen vor, die von ihrer Pflichterfüllergeneration verlangt werden: Studenten schmeißen sich die Tabletten packungsweise ein, um dem Druck bei knüppelharten Aussiebklausuren standzuhalten und sind nach ihrem Studium zwar hervorragend ausgebildet, aber nicht selten lange arbeitslos.
David Frank will keine Rache an der Leistungsgesellschaft nehmen, aber ihr mit seinem Vorhaben ihre Grausamkeit vor Augen führen. „Schock“ gelingt es dabei erstaunlich geschickt, die Sympathien der Zuschauer zu lenken. Freilich will man sich nicht mit den menschenverachtenden Konsequenzen gemein machen, die David Frank aus den Traumata zieht, die er hat erleben müssen. Und trotzdem kommt man um ein gewisses Maß an (zumindest intellektuellem) Verständnis nicht umhin. Man darf hadern, zaudern, um Wahrheit und Gerechtigkeit ringen: Das hebt diese Produktion weit über den Normalzustand der sonntagabendlichen Problemfilmdramaturgie.
Denn auch wenn’s laut wird, wird es nicht gleich unangenehm pathetisch: Claudia Eisner ist einmal voller Wut und brüllt sich durch ihre Szene: Doch diese Wut ist eine authentische, eine glaubhafte, eine nahbare – und sie steht als Pars pro toto für die frustrierenden, auslaugenden Erlebnisse einer ganzen Generation westlicher Overachiever, die trotz Ehrgeiz, Intelligenz und auf den ersten Blick hervorragenden objektiven Voraussetzungen weit hinter dem zurückbleiben, was ihre Eltern erreichen konnten, finanziell wie beruflich wie persönlich.
Natürlich wirkt das manchmal etwas reißerisch: So wie David Franks Amok-Videos, die er nicht als solche verstanden haben will, und mit den gewollten Versuchen, mit der ubiquitären Echtzeitverfolgung der Ereignisse auch noch etwas Medienkritik in den Stoff zu verweben, die allerdings intellektuell weit hinter dem zurückbleibt, was die thematisch in diesem Punkt nicht unähnliche erste Folge von «Black Mirror» leisten konnte. Doch „Schock“ ist ein «Tatort», der uns etwas sagen will – und der anders als viele Sonntagabend-Krimis nicht krachend an diesem Anspruch scheitert.
Das Erste zeigt «Tatort – Schock» am Sonntag, den 22. Januar um 20.15 Uhr.
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