Kolumnist und Teilzeitorakel Sidney Schering erklärt seine Prognose der deutschen Kinojahrescharts 2017.
Für mich gehört zur Liebe zum Film durchaus auch die Liebe zur Spekulation. „Wie könnte dieses frisch angekündigte Filmprojekt wohl werden?“ „Was könnte in der Fortsetzung dieses Films passieren?“ Und: „Ich wundere mich: Wie erfolgreich wird diese Produktion abschneiden?“ Letzterer Frage widme ich mich seit 2015 Jahr für Jahr hier in dieser Kolumne, indem ich versuche, die Top Ten der Kinojahrescharts in Deutschland zu prognostizieren. Beim ersten Anlauf habe ich acht Filme korrekt als Teil dieser kommerziellen Bestenliste vorhergesehen, darunter immerhin drei auf dem korrekten Rang der Jahrescharts.
Nachdem ich beim Schätzen der Besucherzahlen 2015 etwas zu vorsichtig vorging, lehnte ich mich 2016 etwas weiter aus dem Fenster – und wurde böse bestraft. Das vergangene Jahr war hinsichtlich der verkauften Eintrittskarten eine Schlappe. Und auch bei den Filmen, die den Einzug in die Top Ten schaffen, ließen meine Künste als Orakel nach: Unter anderem setzte ich auf den falschen, Rache thematisierenden Schneewestern («The Revenant – Der Rückkehrer» landete in den Jahrescharts, ich tippte auf «The Hateful Eight»), und so endete ich mit einem Schnitt von 6/10.
Doch wer wäre ich, den Kopf in den Sand zu stecken? Um 2017 die Fallhöhe auszubauen, habe ich mir
Orakelkonkurrenz angelacht und zum Prognosenpodcast geladen. Um die Tradition in dieser Kolumne trotzdem nicht zu brechen, möchte ich meine kuschelige, eigene Ecke auf Quotenmeter.de nutzen, um genauer zu erklären, weshalb ich vorhersage, was ich vorhersage:
Platz 10: «Bibi & Tina – Tohuwabohu total» (2,1 Millionen Besucher)
Detlev Bucks «Bibi & Tina»-Filme haben sich bislang von Part zu Part an den Kinokassen gesteigert: Das Publikum wächst mit den Darstellern und dem zunehmend irrer werdenden Tonfall. Der abschließende vierte Part bräuchte als Bonus nur die Hälfte dessen, was Teil drei im Vergleich zu Teil zwei zugelegt hat, um die von mir vorhergesagten 2,1 Millionen Besucher zu erreichen – und angesichts des rappelvollen Frühjahrs rechne ich mir auch exakt dieses Wachstum aus. Eine Stagnation oder gar einen Rückgang innerhalb dieser Reihe kann und will ich mir nicht vorstellen – zumal es mit einer albern-verrückten Thematisierung der Flüchtlingskrise auch einen frischen, erwiesenermaßen publikumsaffinen Aufhänger gibt!
Platz 9: «Transformers -The Last Knight» (2,2 Millionen Besucher)
Mit den Sprung in die dritte Dimension gelang der «Transformers»-Reihe der Sprung über die 2,5-Millionen-Besucher-Marke. Diesen Kinosommer gibt es sehr viel „Krach! Bumm!“-Actionkonkurrenz, und während Bays kristallklarer und effektlastiger Gebrauch von 3D 2011 auf einem Hype mitschwimmen konnte und 2014 positiv aus dem 3D-Backlash hervorstach, fürchte ich, dass die 3D-Bonuskarte nun nicht mehr ganz so stark zieht. Dennoch haben sich die Alienroboter als Garant für „Hirn aus, Explosionen los!“-Actionkino bewiesen – ich rechne mit einem bemerkbaren, aber leicht zu verschmerzenden Rückgang gegenüber den Vorgängern.
Platz 8: «Guardians of the Galaxy, Vol. 2» (2,3 Millionen Besucher)
Marvel-Fortsetzungen machen bislang einen verlässlichen Sprung nach oben gegenüber den Vorläufern (keine selbstverständliche Sache!), die Intensität dieses Wachstums ist allerdings unberechenbar. Der bislang meistgesehene Teil des Marvel-Filmuniversums ist in Deutschland «Avengers – Age of Ultron», und ich glaube, dass kein „Solofilm“ darüber springen wird – es fehlt der Eventcharakter, Figuren gemeinsam auftreten zu sehen, die das Publikum in einem eigenen Film kennengelernt hat. Obwohl die Guardians ein Team sind, sind sie ihre individuelle Marvel-Marke – jedoch eine dank Teil eins sehr beliebte. Daher denke ich, dass James Gunns Spaceabenteuer nur knapp am zweiten «Avengers»-Film scheitern wird.
Platz 7: «Fifty Shades of Grey – Gefährliche Liebe» (3,1 Millionen Besucher)
Je nachdem, wen man fragt, ist der Hype völlig abgeklungen, ruhiger geworden oder so intensiv wie eh und je. Meine Fühler spüren mehr Zustimmung, wenn sie sich in die mittlere Richtung ausbreiten – die sogenannte goldene Leinwand für mehr als drei Millionen verkaufte Tickets sollte drin sein. Für deutlich höhere Zahlen ist mir das Onlinegeschnatter zum Film zu leise.
Platz 6: «Fast & Furious 8» (3,4 Millionen Besucher)
Der siebte Teil hat Leute ins Kino gelockt, die zuvor kein Interesse an der «Fast & Furious»-Reihe hatten und so einen neuen Rekord aufgestellt. Da das Actionspektakel gut ankam, glaube ich nicht, dass Teil acht unter den Wert von Ausgabe sechs rutschen wird – die morbide Neugier, wie mit Paul Walker verfahren wird, ist aber nicht weiter gegeben. Ich mutmaße daher: Die Autoaction trifft sich nicht ganz auf halber Strecke zwischen Teil sieben und Teil sechs.
Platz 5: «Die Schöne und das Biest» (3,5 Millionen Besucher)
Trailerhype minus deutscher Kinomusicalunmut = 3,5 Millionen Besucher?
Platz 4: «Ich – Einfach unverbesserlich 3» (4,4 Millionen Besucher)
Der «Minions»-Massenwahn ist abgeklungen, also bezweifle ich, dass das dritte Abenteuer von Gru und seinen Adoptivtöchtern ähnlich sensationelle Zahlen schreiben wird. Dennoch haben die gelben Knilche eine riesige Fangemeinde und da ich das üble Bauchgefühl habe, dass es 2017 sonst keinen Animationshit geben wird, werden Fans und Familien ihren Hunger hier stillen: Rund 0,7 Millionen Aufwind gegenüber «Ich – Einfach unverbesserlich 2», zirka 2,5 Millionen Verlust gegenüber «Minions».
Platz 3: «Pirates of the Caribbean – Salazars Rache» (5,0 Millionen Besucher)
Disney wird nach Ende der «Rogue One»-Kinoauswertung das Marketing für das fünfte Abenteuer von Käpt’n Jack Sparrow ordentlich vorantreiben müssen, aber dann halte ich diese Zahl für machbar: Deutschland ist (im Vergleich zu den USA) keine Comicheldennation, dafür umso mehr in Abenteuerfilme und Blockbusterspektakel mit Fantasyeinschlag vernarrt. Das allein lässt mich mutmaßen, dass es keinen nennenswerten Einbruch gegenüber Teil vier geben wird. Obendrein: Obwohl es viele gibt, die über den zweiten bis vierten Teil schimpfen (Meinungen, die ich nie vollauf verstehen werde), holt sich dieses Franchise immer wieder hohe Positionen in den «Disney Magic Moments»-Rankings. Ergo: Die Liebe für die verfluchte Karibik ist noch immer da. Und es könnte eine gemäßigte «Ein Quantum Trost»/«Skyfall»-Situation eintreten: Die Wartezeit war lang genug. Nun haben die Leute, egal wie sie das letzte Abenteuer von ihm fanden, wieder Lust auf ein neues Abenteuer eines ikonischen Haudegen haben. Da Sparrow nicht ganz so generationenübergreifend zieht wie 007, zweifle ich ein so dickes Plus wie bei Bond an – aber wenigstens eine Steigerung gegenüber dem Vorgänger sollte dem neuen «PotC» gelingen.
Platz 2: «Fack Ju Göhte 3» (5,1 Millionen Besucher)
Ich kann mir das Zocken nicht ganz abgewöhnen: Ich weiß nichtmal, ob es diesen Film gehen wird – aber es wurden (nicht näher an einen Film gebundene) Verträge zwischen Constantin Film und M’Barek respektive Dagtekin kommuniziert. Das „Wir wollen mehr!“-Onlinerauschen ist ruhiger als nach Teil eins, also gehe ich von Verlusten aus – für Rang zwei der Jahrescharts dürfte es trotzdem reichen. Wenn. Falls. Sollte ...
Platz 1: «Star Wars – Episode VIII» (6,5 Millionen Besucher)
Bislang ging es nach «Star Wars»-Trilogieanfängen um zirka drei Millionen Besucher abwärts. «Star Wars – Das Erwachen der Macht» lässt dem Franchise als hierzulande bislang gefragtester Film der Reihe aber einen etwas größeren Puffer und gewann zudem neue Fans hinzu (was den völligen Verlust mancher, weniger, verärgerter alter Fans mehr als aufwiegen dürfte). Daher ist mein Tipp: 6,5, nicht 6,0 Millionen für den noch immer titellosen Film über Rey, Luke und Co.!
Es gibt 2 Kommentare zum Artikel
16.01.2017 09:30 Uhr 1
16.01.2017 10:15 Uhr 2
Fast 8, Fluch der Karibik 5 und Ich - einfach unverbesserlich 3 werde ich mir aus heutiger Sicht im Kino anschauen!