Das Erste verschob erneut eine erfolgreiche Primetime-Serie auf den Vorabend – ausgerechnet auf einen der letzten Sendeplätze der Todeszone. War die sechste Staffel «Familie Dr. Kleist» ein Erfolg?
Es ist der Versuch, eine erfolgreiche Primetime-Serie in die Todeszone des Ersten zu ziehen. Der für seine Quotenschwäche einst berüchtigte Vorabend im Ersten Deutschen Fernsehen hat in den vergangenen Jahren einen interessanten Wandel durchgemacht. Vor allem Quizshows wie «Wer weiß denn sowas?» oder «Gefragt - Gejagt» haben die Quotensorgen vor der Primetime deutlich reduziert. Wie auch schon «In aller Freundschaft» sollte nun auch
«Familie Dr. Kleist» ihren Primetime-Erfolg am Vorabend wiederholen, wenn auch unter anderen Vorzeichen. Die Arztserie bekam mit «Die jungen Ärzte» einen eigenen Ableger um 18.50 Uhr, während «Familie Dr. Kleist» komplett umziehen musste. Die sechste Staffel des Formats endete in dieser Woche – und wir blicken auf die Quoten der ersten Runde auf dem neuen Sendeplatz am Dienstag.
Dass die Serie kein durchschlagender Erfolg wie in der Primetime sein würde, dürfte keine Überraschung sein. Vielmehr sollte man den Maßstab von «In aller Freundschaft - Die jungen Ärzte» anlegen, die einst aber einen deutlich besseren Start um 18.50 Uhr hinlegten. 3,11 Millionen schalteten vor zwei Jahren ein, um die erste Folge des Ablegers zu sehen – «Familie Dr. Kleist» kam am 20. September nur auf 2,25 Millionen Zuschauer. Es sollte bis in den November die vorerst höchste Reichweite der Staffel bleiben – die zehn Prozent Marktanteil vom Auftakt wurden allerdings bis zum Ende nicht überboten. Aber seien wir ehrlich: beim Erste dürfte man mit solchen Werten mehr als zufrieden sein, da zuvor «Ein Fall von Liebe» auf demselben Sendeplatz monatelang eine Horrorquote nach der anderen einfuhr. Beim Gesamtpublikum halbierte und bei den 14- bis 49-Jährigen drittelte die Serie damals den Senderschnitt.
Von dem her darf man «Familie Dr. Kleist» zumindest als kleinen Erfolg bezeichnen, da beispielsweise auch «In aller Freundschaft» nach dem guten Start schnell abbaute. Nach der Premiere sackte die MDR-Produktion mit Francis Fulton-Smith Ende September und Anfang Oktober zwar etwas ab, doch sie hielt sich vier Wochen lang stabil bei 1,95 bis 2,19 Millionen Zuschauern und acht bis neun Prozent Gesamtmarktanteil. Erst am 25. Oktober hatte «Familie Dr. Kleist» mit 7,5 Prozent einen kleinen Durchhänger, obwohl die Reichweite mit 1,91 Millionen nicht allzu schlecht ausfiel. Doch man erholte sich schnell und lockte sieben Tage später schon wieder 2,35 Millionen Zuschauer an – Staffelbestwert. Trotzdem erwies die schwache 71. Folge der gesamten Serie einen Bärendienst: sowohl beim Gesamtpublikum als auch bei den 14- bis 49-Jährigen zog sie den Gesamtschnitt um jeweils 0,1 Prozentpunkt nach unten.
Das wog vor allem beim jungen Publikum schwer, bei dem das Interesse an «Familie Dr. Kleist» am Vorabend sowieso gering ausgeprägt war. Gerade mal jeder achte Zuschauer war zwischen 14 und 49 Jahre alt – im Bestfall waren nur 410.000 Zuschauer in diesem Alter, während der 71. Folge waren es lediglich 170.000. Zumindest aber die Verluste im Vergleich zur Primetime verteilten sich gleichmäßig auf beide Gruppen. Jeweils knapp die Hälfte der Marktanteile büßte «Familie Dr. Kleist» durch ihren Umzug ein.
Die gute Nachricht für die Serie: nach dem kleinen Runter und Rauf Ende Oktober fiel die Reichweite nur noch ein einziges Mal unter die Zwei-Millionen-Marke. Dabei hatte das Vorprogramm während der gesamten Staffel nur wenig Einfluss auf die Stärke von «Familie Dr. Kleist». Drei Quizshows zeigte Das Erste im Laufe der Staffel ab 18 Uhr – nur beim «Quizduell» lief es für die Vorabendserie im Anschluss beim Gesamtpublikum etwas besser, während sie bei den jungen Zuschauern mit «Gefragt - Gejagt» im Vorlauf stärker abschnitt. Aber selbst nach dem im TV wenig gefragten Gedenkgottesdienst für die Opfer des Anschlags in Berlin am 20. Dezember fuhr «Familie Dr. Kleist» keine außergewöhnlich schlechten Quoten ein.
In der Gesamtbetrachtung ergibt sich folgendes Bild: die erste Vorabend-Staffel der MDR-Serie erreichte im Schnitt 2,13 Millionen Zuschauer, die mit 8,3 Prozent Gesamtmarktanteil einhergingen. Den Vergleich mit «In aller Freundschaft - Die jungen Ärzte» muss «Familie Dr. Kleist» nicht scheuen, auch wenn die Arzt-Serie wesentlich öfter zweistellige Marktanteile einfährt. Denn am Dienstagabend kamen Francis Fulton-Smith nur auf 8,3 Prozent Marktanteil – 1,3 Prozentpunkte weniger als die Weißkittel im selben Zeitraum. Beim jungen Publikum scheint mit 0,27 Millionen und 3,6 Prozent nicht mehr viel Luft nach oben zu bestehen: während der letzten Primetime-Ausstrahlungen waren knapp 15 Prozent der «Familie Dr. Kleist»-Zuschauer zwischen 14 und 49 Jahre alt – jetzt sind es 12,7 Prozent. Insgesamt ist das Experiment Vorabend für die Arztserie durchaus geglückt, sodass eine potenzielle Fortsetzung nach den Erfahrungen der nun abgelaufenen sechsten Staffel zumindest mit stabilen Quoten rechnen dürfte.
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