Wir sprachen mit Caroline Peters über ihren neuen ARD-Thriller «Kalt ist die Angst», ihren Anspruch an TV-Produktionen, die Bedeutung von Bildung und die Zukunft von «Mord mit Aussicht».
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Zur Person:
Caroline Peters spielte an den Schauspielhäusern Hamburg, Köln und Zürich, an der Berliner Volksbühne sowie am Burgtheater in Wien, an dem sie seit 2004 Ensemblemitglied ist. Für ihre zahlreichen Engagements in Film- und Theaterproduktionen wurde die Schauspielerin u.a. mit dem Adolf-Grimme-Preis, dem Bayerischen Fernsehpreis und dem Ulrich-Wildgruber-Preis ausgezeichnet. Serienfans ist Peters vor allem durch ihre Hauptrolle in der ARD-Serie «Mord mit Aussicht» ein Begriff, die sich im Ersten zum Publikumshit entwickelte. Im vergangenen Jahr ist Caroline Peters mit dem Deutschen Schauspielerpreis als 'Beste Schauspielerin in einer komödiantischen Rolle' sowie von der renommierten Fachzeitschrift Theater heute als 'Theaterschauspielerin 2016' ausgezeichnet worden.Frau Peters, schon zu Beginn von «Kalt ist die Angst» deutet alles auf ein drohendes Unheil hin. Der Film wirkte so bereits früh düsterer als die meisten anderen öffentlich-rechtlichen 90-Minüter. Worin liegen Ihrer Meinung nach die Alleinstellungsmerkmale und der besondere Reiz des Films?
Ich kann das schwer im Vergleich sehen, da ich selbst so stark in den Film involviert bin. Was ich aber an «Kalt ist die Angst» richtig gut finde, ist, dass der Film einer Art Ur-Plot folgt. Mich hat es an einen Film erinnert, den ich als Kind an Sonntagnachmittagen sehr oft im Fernsehen gesehen habe - das «Das Haus der Lady Alquist». Mit Ingrid Bergmann, die langsam von ihrem Ehemann vergiftet wird. Er ist in dunkle Machenschaften verstrickt, aber man kommt lange nicht darauf und sieht dieser Frau qualvoll lange dabei zu, wie es ihr immer schlechter geht.
Als Zuschauer durchblickt man die Situation erst sehr spät und nimmt dabei sehr viele Rollen ein: Erst ist man verwirrt, dann der Besserwissende, dann ist man Mitwisser. Das fand ich an unserer Geschichte auch ganz toll: Man geht mit meiner Figur so lange mit, aber immer auf eine andere Art und Weise. Ich fand auch sehr gut, dass der Film so düster ist, aber keine Angst davor hat, Klischees anders als erwartet zu bedienen. Claires Mann ist als Entwicklungshelfer in Afrika eigentlich der Gute, aber selbst das wird angegriffen.
Wir haben es also mit einem ständigen Verwirrspiel zu tun und auch Ihre Rolle Claire weiß lange nicht, woran sie ist. Sie muss in «Kalt ist die Angst» alles hinterfragen, woran Sie geglaubt hat. Was macht das mit einer Frau?
Sie muss vor allem auch sich selbst hinterfragen, da sie sich lange hinter ihren eigenen Problemen versteckt hat. Ich finde das auch sehr typisch für unsere Generation. In der Gegenwart beschäftigen wir uns so sehr mit uns und unseren Problemen und dabei kriegen wir oft gar nicht mit, was um uns herum alles schon passiert ist. Damit fängt der Film ja an: Sie stellt sich schon zu Beginn die Frage, warum sie das alles nicht mitgebekommen hat, was jetzt auf sie einprasselt. Ab diesem Zeitpunkt ist für sie jede Begegnung plötzlich fragwürdig und man weiß nicht, wer auf welcher Seite steht. Das ist zum Spielen eine tolle Sache, weil man ständig eine andere emotionale Lage darstellen muss. Zu Drehen ist das wiederum sehr anspruchsvoll, weil man den Film nicht chronologisch dreht. Ich musste mich dann immer genau mit dem Regisseur absprechen, wo wir jetzt eigentlich in der Geschichte stehen, was in der Szene erzählt wird und welche Stimmungslage bedient werden soll, damit der Zuschauer der Story kontinuierlich folgen kann.
Fast über die gesamte Laufzeit des Films bleibt unklar, wie es um Claires geistigen Zustand wirklich bestellt ist. Wie würden Sie die Rolle unabhängig ihrer geistigen Gesundheit charakterisieren? Mit einer klassischen Filmheldin haben wir es bei ihr ja auch nicht zu tun.
Man kann «Kalt ist die Angst» als Entwicklungs- und Läuterungsgeschichte betrachten. Claire startet an einem nicht sonderlich sympathischen Punkt, komplett mit sich selbst beschäftigt, total narzisstisch und egozentrisch. Auch dass sie in psychiatrischer Behandlung und auf Tabletten ist, ist ein negativ besetztes Klischee. Durch das schreckliche Erlebnis entwickelt sie sich aus diesem Zustand heraus, zu einer Person, die schließlich in der Lage ist, andere Menschen zu sehen, wahrzunehmen und sich selbst neu zu positionieren. Sie hinterfragt die Ärzte, die sie behandeln, die ganze Behandlungswelt und setzt nicht mehr allein darauf, dass ihr andere schon helfen werden.
Wir sprachen bereits darüber: «Kalt ist die Angst» hält viele Wendungen parat und erinnert an bekannte Psychothriller. Der Film handelt jedoch auch von fundamentaleren Themen, beispielsweise von Verlust und Familie. Welche Aspekte des Buchs haben Ihnen besonders zugesagt?
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Das ist etwas, womit viele Frauen in meiner Generation kämpfen müssen. Dass wir alles in unserem Leben falsch gemacht haben sollen, wenn wir keine Kinder kriegen und es dann auch völlig egal ist, was wir sonst erreicht haben oder sein könnten.
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Caroline Peters über das moderne Frauenbild
Mir hat der Aspekt gefallen, dass sich Claire so sehr in einen Familienwunsch verstrickt, dass sie gar keine anderen Möglichkeiten mehr sieht zu leben. Das ist etwas, womit viele Frauen in meiner Generation kämpfen müssen. Dass wir alles in unserem Leben falsch gemacht haben sollen, wenn wir keine Kinder kriegen und es dann auch völlig egal ist, was wir sonst erreicht haben oder sein könnten. Mit dieser Meinung wird ein bisschen aufgeräumt und es wird gezeigt, dass wir auch andere Lebensformen finden können, abseits von diesem Diktum. Eine weitere interessante Frage, die eigentlich nur gestreift wird: Sind die Europäer bei ihrem Engagement in Afrika wirklich die Guten? Oder ist das auch eine Geschäftsbeziehung, die für uns günstig und bequem ist und die dafür sorgt, dass wir wie Claire in einem fantastischen Haus leben und viel Geld zur Seite schaffen können?
Der Film deutet an, dass auch in diesem Bereich viel auf Gewinnmaximierung ausgelegt ist, obwohl die ursprüngliche Idee eigentlich davon handelte, den Menschen dort bedingungslos zu helfen. Dass das Thema nur angeschnitten wird, macht es möglich, dass «Kalt ist die Angst» nicht zu einem Sachfilm gerät. Jeder kann sich dazu eine Meinung bilden. Der Ehemann, der aus Afrika zurückkommt, ist ja eigentlich sehr vernünftig und total sympathisch, aber er hat ein Verhältnis mit einem Callgirl und scheint in unseriöse Geschäfte in Afrika verstrickt zu sein. Ich mag es, dass alles nicht eindeutig besetzt ist, sondern immer beide Seiten der Medaille gezeigt werden.
Dadurch ist der Film thematisch facettenreich. Für Ihre schauspielerischen Leistungen wurden Sie bereits mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet. Hat sich dadurch Ihr Anspruch an der Teilnahme an Fernsehproduktionen wesentlich geändert? Wonach suchen Sie heutzutage in Fernsehproduktionen?
Mein Anspruch war schon immer hoch. Ich suche immer Rollen in Produktionen, die ich auch selbst anschauen würde. Sie müssen anspruchsvoll gestaltet sein. Die Leute vor und hinter der Kamera sollten darüber nachgedacht haben, über das, was sie da machen wollen. Dabei sollten sie nicht formelhaft einen Film kreieren und sich denken, dass man das dem Publikum schon verkaufen kann. Zudem sollte man ein Interesse und eine Freude an der Gestaltung erkennen können. Bei «Kalt ist die Angst» fand ich zum Beispiel das Haus, in dem wir gedreht haben, ganz toll. Das war ein kleines Architekturwunder, das überall Blicke und Gänge freigelassen hat. Eine tolle Psychokulisse, wo ich Paranoia gar nicht spielen musste, weil ich sie jederzeit selbst bekommen konnte.
Es macht Spaß, wenn ein Filmbudget ausreicht, sich so etwas auszusuchen und ich mich dann auch am Set umschaue und mich frage, was mir an diesem Ort noch einfällt und jeder an der Produktion Beteiligte seine Kreativität einsetzt, anstatt einfach nur seinen Job zu machen. Dann wird es interessant. Das soll aber nicht heißen, dass ich denke, nur ein ernster Film kann so etwas ausrichten. Ich bin nach wie vor ein großer Fan von Komödien und werde auch sicher wieder in Komödien spielen, aber auch da gibt es Unterschiede. Ein großer Spaß für eine Schauspielerin ist, wenn du die Genres wechseln darfst. Mal spielst du eine Komödie, mal einen Thriller wie beispielsweise «Im Netz» vor einigen Jahren. Dann kann ich nicht so schnell einrosten. Das finde ich am schrecklichsten: Wenn ich denke, ich weiß wie es geht. Dann läuft sowieso sofort etwas schief.
Sie sollten sich also für den Film an sich und seine Handlung interessieren, das Team muss stimmen und sie brauchen Abwechslung. Gibt es außerdem noch wichtige rollenbezogene Faktoren?
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Projekte sind für mich nur unattraktiv, wenn ich das Gefühl bekomme, es soll so gewöhnlich wie möglich sein, nicht auffallen und niemandem weh tun.
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Caroline Peters über ihre Ansprüche an Film- und Fernsehprojekte
Wenn die Rollen abwechslungs- und facettenreich sind, ist das am interessantesten. Mir macht es am meisten Spaß, in verschiedene Richtungen zu spielen. Aber für mich ist es auch großartig, in einem tollen Projekt dabei zu sein, in dem ich eine kleinere Rolle habe. Die ist dann vielleicht weniger facettenreich, aber die Erfahrung kann trotzdem toll sein, weil es vielleicht ein schöner Kostümfilm ist, ein wahnsinnig guter Plot oder ein Spitzenregisseur. Es gibt verschiedene Attraktoren von Produktionen. Ich muss nicht immer die super Hauptrolle spielen. Das wäre auch langweilig. Der Wechsel zwischen Charakteren ist immer toll. Ich habe jetzt zum Beispiel eine Mutter bei Duncan Jones gespielt. Das ist der Sohn von David Bowie, der gerade einen Science-Fiction-Streifen in Berlin gedreht hat. Es war eine winzige Rolle, aber ein super Projekt. Science-Fiction, aufwendige Kostüme und tolle Aufbauten. Es war toll, da überhaupt mal reinzuschauen und daran teilzuhaben. Science-Fiction wird bei uns super selten gemacht – was für ein herrliches Genre! Projekte sind für mich nur unattraktiv, wenn ich das Gefühl bekomme, es soll so gewöhnlich wie möglich sein, nicht auffallen und niemandem weh tun. Das ist sehr frustrierend.
Lesen Sie auf der nächsten Seite, welche Rolle Bildung für Caroline Peters spielt, welche Vorteile Theaterproduktionen gegenüber dem Fernsehen haben und wie es um die Zukunft von «Mord mit Aussicht» bestellt ist.
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