«Bull»: Als «Dr. Phil» noch im Gerichtssaal talkte
Zum Deutschlandstart beschäftigen wir uns mit dem Hintergrund der CBS-Serie, die die Vorgeschichte eines der beliebtesten TV-Talker erzählt, doch in den USA schnell an Zuspruch verlor.
Facts zum Format: «Bull»
Genre: Dramedy
Serienschöpfer: Phil McGraw & Paul Attanasio
Darsteller: Michael Weatherly, Freddy Rodriguez, Geneva Carr uvm.
Executive Producers: Paul Attanasio, Phil McGraw, Jay McGraw, Justin Falvey, Darryl Frank, Mark Goffman, Steven Spielberg & Rodrigo Garcia
Produktionsstudios: Amblin Television, Atelier Paul Attanasio, Stage 29 Productions, CBS Television Studios
Weltpremiere: 20. September 2016
Beim Namen Phil McGraw wird nur bei wenigen Personen auf Anhieb der Groschen fallen. Ersetzt man McGraws bürgerlichen Namen aber mit seinem Rufnamen, unter dem er insbesondere in den USA berühmt wurde, schießen TV-Kennern gleich einige Assoziationen in den Kopf. Seine seit 16. September 2002 laufende Talk-Show «Dr. Phil», in der McGraw seinen Gästen Lebensratschläge mit auf den Weg gibt, ist auch vielen Fernsehenden hierzulande ein Begriff. Seit 2004 wurde sein Talk-Format «Dr. Phil» jedes Jahr für einen Daytime-Emmy nominiert. Das Format stellt eine nationale Institution dar. Doch woher kommt eigentlich sein Spitzname, Dr. Phil?
Was Zuschauer seiner Talk-Show vermutlich bereits wissen und Personen, die mit der Sendung nicht vertraut sind, nur erahnen können: Dr. Phil McGraw promovierte 1979 an der University of North Texas zum Doktor der Klinischen Psychologie. Seit 1995 nutzt er sein Wissen schließlich auch, um im Fernsehen Menschen zu helfen, zunächst als Teil der «Oprah Winfrey Show». Es folgten neben einer eigenen Sendung außerdem Bücher. Wie Phil McGraw allerdings davor seinen beruflichen Alltag bestritt, wussten bis zum 20. September 2016 nur die wenigsten. An besagtem Tag startete mit «Bull» ein neues Dramedy-Format bei CBS. Semi-autobiografisch handelt das Format mit Hauptdarsteller Michael Weatherly vom Leben Phil McGraws als „trial consultant“, also Berater für Gerichtsprozesse.
Was kann man sich darunter vorstellen? Weatherly spielt nicht etwa Dr. Phil McGraw, sondern Dr. Jason Bull, einen geschiedenen Psychologen, dafür ein hochversierter gerichtlicher Berater. Im Procedural-Stil nimmt sich Bull pro Folge verschiedenen Fällen an und nutzt sowohl seine psychologischen Fähigkeiten als auch technische Spielereien, um die Intentionen der Jury, seines Klienten und aller restlicher Beteiligten gegeneinander auszuspielen und für seinen Fall zu nutzen. Beispielsweise, wenn Bull von einem Millionärssohn angeheuert wird, der des Mordes an einem drogendealenden Mädchen seiner Schule angeklagt wird oder im Prozess um eine weibliche Pilotin, die aufgrund eines wetterbedingten, tödlichen Unfalls mit einem Passagierflugzeug von ihrer Airline angeklagt wird.
Aus dem Stand heraus holte «Bull» am Dienstagabend großartige Quoten für CBS. Tatsächlich stellte das Format schon vor dem Start eine recht sichere Bank für das US-Network dar, das beim Gesamtpublikum seit Jahren die Spitzenposition hält. Schließlich läuft bei CBS auch McGraws Daily-Talk, dessen Publikum sich sicherlich auch für die lose Nacherzählung seines beruflichen Hintergrunds interessiert. Zudem platzierte CBS «Bull» direkt hinter dem quotenstarken Dauerbrenner «Navy CIS» um 21 Uhr. Mit Weatherly schlüpfte zudem ein ehemaliger «NCIS»-Darsteller in die «Bull»-Hauptrolle, der sicherlich einige «NCIS»-Fans zum Dranbleiben bewegte. Das Ergebnis: Mit 15,56 Millionen Zuschauern und acht Prozent der Zielgruppe hielt «Bull» das starke Niveau seines Lead-Ins und feierte einen großartigen Start gegen Platzhirsche wie «The Voice» und «Dancing with the Stars».
Danach verlor «Bull» jedoch vier Wochen am Stück kontinuierlich Zuschauer. Dass man die Werte der herausragenden Premiere, zu der sicherlich einige eingefleischte «Dr. Phil»-Fans aus Neugier einschalteten, nicht halten würde, war jedoch abzusehen. So gab die neue Dramedy am 27. September bereits auf 13,61 Millionen Zuschauer ab und damit um fast zwei Millionen Interessenten. 13 Millionen Zuschauer am 11. Oktober, 12,29 Millionen am 18. Oktober und 11,61 Millionen am 25. Oktober ließen sich von den Senderverantwortlichen nicht kleinreden. Der vorläufige Tiefpunkt stand «Bull» jedoch am 22. November ins Haus, als sich nur noch 10,87 Millionen Fernsehende ab zwei Jahren dem Serienneustart widmeten.
Zu diesem Zeitpunkt sah sich «Bull» bereits keiner direkten Konkurrenz mehr von «The Voice» ausgesetzt, so ließen sich die Verluste von fast fünf Millionen Personen seit dem Start nicht etwa bloß durch die harte Konkurrenzsituation am Dienstagabend erklären. Nachdem «Bull» sich davor ohnehin hinter «The Voice» einreihen musste, lief nun zwischenzeitlich sogar «Dancing with the Stars» der CBS-Serie den Rang ab. Gegenüber seinem Lead-In «NCIS» büßte «Bull» am 22. November mittlerweile satte vier Millionen Zuschauer ein. Leichte Steigerungen standen am 6. und 13. Dezember zu Buche, als «Bull» wieder 11,68 und 11,61 Millionen Zuschauer einfing. Nach neun von bestellten 22 Folgen ging es danach für «Bull» in die Winterpause, aus der das Format am 3. Januar mit 11,30 Millionen Zusehern zurückkehrte. Noch immer bewegt sich die Serie auf einem für CBS ordentlichen Niveau. Nach deutlichen Verlusten steht den semi-autobiografischen Geschichten über die berufliche Vergangenheit Phil McGraws jedoch noch eine lange Reststaffel bevor.
Oft stellen Zuschauerrückgänge die Produzenten und Senderverantwortlichen vor Rätsel, im Falle von «Bull» könnte jedoch schlicht und einfach die Qualität des Formats Schuld am Zuschauerschwund sein. Hauptsächlich negative Rezensionen ergossen sich über das Paul Attanasio-Format. Als „melodramatisch und nicht überzeugend“ geißelte etwa die „Los Angeles Times“ die Szenen im Gerichtssaal, während etwa die „Washington Post“ urteilte, dass der Beruf des „trial consultant“ durchaus Potenzial für eine Serienverwertung besitzt, selbiges aber von «Bull» bei Weitem nicht ausgeschöpft würde. Auf dem Papier konnte das nach «NCIS» angesetzte «Bull» mit einer Serie über die Vergangenheit des CBS-Veterans «Dr. Phil» und seinem Serien-Pendant, dem beliebten Ex-«NCIS»-Mimen Michael Weatherly wenig falsch machen. „Aber die Show selbst ist total lächerlich, in Sachen Konzept und Ausführung“, befand die „Variety“. Umso interessanter wird zu sehen sein, wie sich «Bull» in Deutschland schlägt, wo das Format nicht auf der Popularität McGraws und Weatherlys aufbauen kann.
Der Pay-TV-Sender 13th Street zeigt «Bull» ab dem 11. Januar 2017 immer mittwochs ab 20.13 Uhr in Doppelfolgen. Einen ersten Einblick hat uns der Sender in einem Video schon gewährt.
11.01.2017 11:31 Uhr
Kurz-URL: qmde.de/90484
Timo Nöthling
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