►   zur Desktop-Version   ►

Die Kritiker: «Tatort - Land in dieser Zeit»

Ein Molotowcocktail fliegt, ein Friseursalon brennt, eine Auszubildende kommt dabei ums Leben. War der Täter ein senegalesischer Flüchtling - oder eine rechtsextreme Bande?

Cast & Crew

Vor der Kamera:
Margarita Broich als Anna Janneke
Wolfram Hoch als Paul Brix
Bruno Cathomas als Fosco Carridi
Jasna Fritzi Bauer als Vera Rüttger
Zazie de Paris als Fanny
Anna Brüggemann als Juliane Kronfels
Warsama Guled als John Aliou

Hinter der Kamera:
Produktion: Hessischer Rundfunk
Drehbuch: Khyana el Bitar, Dörte Franke und Stephan Brüggenthies
Regie: Markus Imboden
Kamera: Martin Langer
In Frankfurt fliegt ein Molotowcocktail in einen gutbürgerlichen Friseursalon. Das Geschäft brennt vollständig aus, eine anscheinend zufällig zur Tatzeit dort anwesende Auszubildende kommt in den Flammen um. Draußen auf dem Trottoir prangt der Schriftzug „Kill all Nazis“.

Natürlich seien sie keine Nazis, protestiert die schockierte Inhaberin. Aber vor einigen Tagen habe es Streit mit einem Schwarzen vor dem Salon gegeben. Darin involviert sei auch Vera (Jasna Fritzi Bauer) gewesen, eine der Angestellten.

Den Schwarzen haben Anna Jenneke (Margarita Broich) und Paul Brix (Wolfram Koch) schnell als den senegalesischen Drogendealer John Aliou (Warsama Guled) ausgemacht, der seinen Stoff regelmäßig vor dem niedergebrannten Friseursalon vertickt hat. Einmal in Haft genommen, erhärten sich die Beweise zunächst: Vera erkennt ihn bei einer Gegenüberstellung als den Mann wieder, der sie kurz vor dem Brandanschlag angegriffen hatte; die Inhaberin will ihn nach einigen Widersprüchlichkeiten ebenfalls zweifelsfrei identifiziert haben. Hinzu kommen die Ergebnisse der forensischen Untersuchung der Kakaoflasche, aus der der Täter den Molotowcocktail gebastelt hatte: Auf ihr befindet sich zweifelsfrei Alious Fingerabdruck.

Ein senegalesischer Flüchtling als Täter, das ist nicht schön, mosert Jannekes und Brix‘ exzentrischer neuer Dienstvorgesetzter ob des befürchteten Fall-Outs. Da kommt es ihm gerade recht, dass Janneke und Brix noch in die entgegengesetzte Richtung ermitteln: Denn Vera fällt bei Gesprächen immer wieder durch rassistische Ausfälle auf, hängt in Clubs ab, in denen sich der rechte Abschaum der Stadt trifft, und schwadroniert gerne von der inakzeptablen Vermischung der Ethnien. Begriffe, die sie in von ihrer Mitbewohnerin aufgeschnappt hat. Allgemein eine seltsame Wohnkonstellation: Sie hatte Vera vor vielen Jahren von der Straße geholt. Jetzt gehen die beiden, anscheinend mit anderen, ähnlich gestrickten Leuten, zu Chorproben, wo „Kein schöner Land in dieser Zeit“ gesungen wird, das in «Der Untergang» Joseph und Magda Goebbels im Führerbunker ihren Kindern vordirigieren. Man ahnt, wo die Reise hingeht.

„Land in dieser Zeit“ nähert sich seinem dramaturgischen Spannungsfeld aus vorverurteilten Flüchtlingen und intellektuell verklausuliert sprechenden, gesellschaftlich bestens integrierten Rechtsextreminnen dabei nicht als aktionistisches Lehrstück, sondern als einnehmender, gut erzählter Krimi, der – im besten filmischen Sinne – lieber zeigt, als didaktisch zu erklären, und der seine Figuren aus ihren Wesenszügen heraus (gerne widerspruchsbehaftete) Allegorien und Abstufungen sein lässt, anstatt ihnen ihren Standpunkt zu oktroyieren. Im Ergebnis schafft das eine lebendige, einnehmende, haltungsvolle und damit auch relevante «Tatort»-Folge, in der der ruhige, unaufgeregte Duktus der beiden Ermittler endlich einmal sinnig zur Geltung kommen kann – und mit ihnen auch das sanfte, stilvolle Spiel ihrer Darsteller.

Das Erste zeigt «Tatort – Land in dieser Zeit» am Sonntag, den 8. Januar um 20.15 Uhr.
06.01.2017 12:30 Uhr Kurz-URL: qmde.de/90414
Julian Miller

Artikel teilen


Tags

Der Untergang Land in dieser Zeit Tatort Tatort – Land in dieser Zeit

◄   zurück zur Startseite   ◄
Schreibe den ersten Kommentar zum Artikel

Qtalk-Forum » zur Desktop-Version

Impressum  |  Datenschutz und Nutzungshinweis  |  Cookie-Einstellungen  |  Newsletter