Neue Videospielverfilmung, neues Unglück: «Assassin's Creed» macht keinen Spaß, ist nicht spannend und smart ist der Start einer möglichen Trilogie auch nicht.
Filmfacts «Assassin's Creed»
- Regie: Justin Kurzel
- Produktion: Jean-Julien Baronnet, Gérard Guillemot, Frank Marshall, Patrick Crowley, Michael Fassbender, Conor McCaughan, Arnon Milchan
- Drehbuch: Michael Lesslie, Adam Cooper, Bill Collage; basierend auf dem gleichnamigen Ubisoft-Videospiel
- Darsteller: Michael Fassbender, Marion Cotillard, Jeremy Irons, Brendan Gleeson, Charlotte Rampling, Michael K. Williams
- Musik: Jed Kurzel
- Kamera: Adam Arkapaw
- Schnitt: Christopher Tellefsen
- Laufzeit: 116 Minuten
- FSK: ab 16 Jahren
Begeben wir uns kurz in den Nachdenkibus und spekulieren darüber, wie es wohl dazu gekommen ist, dass Arthouse-Regisseur Justin Kurzel seine üblicherweise für Anspruch stehenden «Macbeth»-Darsteller Michael Fassbender und Marion Cotillard überzeugen konnte, ihm bei seiner ersten Videospielverfilmung zur Seite zu stehen. Vielleicht haben sie alle einfach nur einen dicken Gehaltsscheck benötigt. Vielleicht mögen sie die «Assassin's Creed»-Spiele. Vielleicht waren sie von der komplexen moralischen Komponente des Plots fasziniert?
Zwischen den Templern und den Assassinen herrscht ein jahrhundertealter Konflikt, in dessen Mittelpunkt der Apfel steht, in den Adam und Eva einst gebissen haben. Denn dieses Relikt aus dem Paradies soll, der Sage zufolge, die Macht haben, den freien Willen der Menschheit zu kontrollieren – er hat ihn ihr gegeben, und er kann ihn ihr auch wieder nehmen. Die Templer haben es sich zur Aufgabe gemacht, diesen Apfel an sich zu reißen, um den freien Willen zu stoppen und so auch den menschlichen Wunsch nach Gewalt. Die Assassinen hingegen wollen den Apfel, und so auch den freien Willen, beschützen, selbst wenn dies bedeutet, dass Gewalt auf ewig Teil des menschlichen Wesens bleiben wird.
Eben dieser Konflikt wird in der Jetztzeit neu heraufbeschworen, als das experimentelle Technologieunternehmen Abstergo Industries den vermeintlich bereits exekutierten Kriminellen Callum Lynch (Michael Fassbender) dazu bringt, am Animus-Projekt teilzunehmen. Dabei wird eine hochmoderne Technologie genutzt, um die in der DNA verborgenen Erinnerungen seiner Ahnen wieder freizusetzen – und da Lynch der letzte Nachfahre des Assassinen ist, der angeblich zuletzt den Ursprung der menschlichen Sünde gesehen hat, soll er Abstergo dabei helfen, ihn ausfindig zu machen. Wird Callums Herkunft tatsächlich sein Schicksal lenken?
Verlassen wir den Nachdenkibus mit der vagen These, dass es dieser Aspekt hinter «Assassin's Creed» war, der die genannten Künstler dazu gebracht hat, für diesen Film zu unterschreiben. Und widmen wir uns der harschen Wirklichkeit: Von der intellektuellen Ebene dieses Grundkonzepts, welches ein anspruchsvolles Abwägen zwischen Freiheit und Sicherheit gestattet, ist in der eigentlichen Ausführung nichts mehr zu spüren. Die Big-Budget-Videospieladaption, die ihren Machern zufolge als Grundstein für eine Trilogie dient, öffnet keinen Diskurs darüber, ob Eigensinn automatisch ein Gewaltpotential mit sich bringt und ob die Fähigkeit zu eigenmächtigen Entscheidungen es wert ist, in einer Welt der steten Bedrohung durch Gewalt zu leben.
Und per se ist dieser aufgegebene Anspruch nicht weiter bedauernswert. Wir haben ja immerhin den Nachdenkibus verlassen – da dürfen wir auch mal einfach nur unterhalten werden. Die «Indiana Jones»-Filme gehen schließlich ebenfalls nie auf intellektuell stimulierende Weise auf die von ihnen aufgeworfenen religiösen Fragen ein. Und der Diskurs, den «Jurassic Park» über Ethik zulässt, passt wahrscheinlich in voller Gänze auf eine Papierserviette. Problematisch ist indes, dass alle Beteiligten trotz des verschwindend geringen intellektuellen Gehalts von «Assassin's Creed» so agieren, als handle es sich hierbei sehr wohl um eine gestrenge, tiefschürfende Analyse der obig erwähnten Themen.
Kurzels Regieführung gestattet nicht das kleinste Spurenelement von Humor – allein dem Vorantreiben des Plots dienliche oder zuweilen gar völlig überflüssige Sätze hallen bedeutungsschwer nach, ehe ein Schnitt erfolgt. Die wenig behände choreografierte Action wird von Wackelkameraaufnahmen, raschen Schnitten und hochdramatischer Musik niedergeschmettert.
Weder mimisch noch verbal ist dem von Fassbender mit erdrückender Ernsthaftigkeit gespieltem Protagonisten Esprit abzuringen. Marion Cotillard gibt mimisch währenddessen genau das, was ihre Figur zulässt: Als leitende Forscherin bei Abstergo ist sie dazu da, die Technologie ihrer Einrichtung und die Mythologie dieser Filmwelt zu erklären, gelegentlich erklärt sie auch explizit das Handeln ihrer Figur oder gar das ihres Gegenübers. All dies in einer magnetisch-monotonen Stimmlage, während ihre weit aufgerissenen Augen einem seelenlos ins Innere starren – sie ist der filmfigurgewordende Archetyp der Spielmechanismen erläuternden, gelegentlich nervigen Person aus Videospielzwischensequenzen.
Jeremy Irons wiederum kann als Abstergo-Chef zwar sein zum wonnigen Overacting neigendes Naturell nicht völlig ablegen, jedoch reißt er sich (anders als bei der Rollenspiel-Adaption «Dungeons & Dragons») so sehr am Riemen, dass seine Darbietung nicht ansteckend amüsant gerät. Das restliche Ensemble geht völlig unter, auch, da Kurzel und Kameramann Adam Arkapaw («The Light Between Oceans») das Geschehen durchweg in eine verwaschen-schattige Ästhetik tauchen. Von gelegentlichen Totalen abgesehen, die häufig durch klar als solche erkennbare Digitaleffekte „aufgehübscht“ werden, ist daher oft nur das Gesicht der handelnden Figuren klar zu erkennen – Kulissen, Schauplätze, Kostüme und Requisiten lassen sich unter den blau-schwarzen oder matschig-braun-grauen Lichtflecken gar nicht würdigen.
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Fast wirkt es so, als hätte wer das Kameraobjektiv mit Fettflecken beschmiert – so entgeht dem inhaltlich weder Anspruch noch Vergnügen kennenden Film letztlich die Chance, wenigstens als unbedeutender Augenschmaus irgendeine Daseinsberechtigung zu ergattern. Somit beendet «Assassin's Creed» ein für Videospieladaptionen ziemlich würdeloses Kinojahr. Zwischen dem handwerklich ambitionierten, inhaltlich beschämend austauschbaren und somit stinklangweiligen «Warcraft: The Beginning», dem juvenilen und schwach animierten «Ratchet & Clank» und dieser Enttäuschung ist tatsächlich der zwischenzeitlich ziellose, aber gelegentlich auch ein paar Schmunzler provozierende «Angry Birds – Der Film» der diesjährige Videospielfilmprimus. Eine gehaltlose Action-Puzzle-App schlägt drei respektierte Gamingmarken verschiedenster Genres – Hollywood, Hardcore-Gamer dürfen dir das sehr gerne übel nehmen!
Fazit: «Assassin's Creed» greift weder den Verstand, noch das Spaßzentrum gekonnt an, sondern verharrt starr im unästhetischen Schatten der mürrischen Belanglosigkeit.
«Assassin's Creed» ist ab sofort in vielen deutschen Kinos zu sehen – in 2D und miserablem 3D.
Es gibt 4 Kommentare zum Artikel
30.12.2016 14:22 Uhr 2
Fand die Spiele schon gut.
30.12.2016 14:40 Uhr 3
30.12.2016 14:48 Uhr 4
Laut Quotermain finden wir alles gut. Ja, was denn nun?
PS: Eine negative Kritik soll bei mir nie heißen: "Fans der Vorlage, die unbedingt selber sehen wollen, wie der Film ist, sollten sich nun den Kinobesuch auf jeden Fall sparen". Sondern eher: "Fans der Vorlage, die unbedingt selber sehen wollen, wie der Film ist, sollten vielleicht ihre Erwartungen drosseln". Geh ruhig rein! Wenn du's dann ebenfalls lahm findest, darfst du nur nicht mehr sagen, du hättest besten Grund gehabt, was besseres zu erwarten.