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Winnetou, spiel mir für ein Halleluja das Lied vom «Lone Ranger», den sie Pferd nannten

Nichts für Ungeduldige und Änderungen verurteilende Nostalgiker: RTLs «Winnetou»-Dreiteiler ist ein ausführlicher Ritt durchs Westerngenre, der respektvoll, nicht aber vorsichtig mit den 60er-Jahre-Filmen umgeht.

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Cast & Crew

  • Produktion: Rat Pack Filmproduktion
  • Darsteller: Wotan Wilke Möhring, Nik Xhelilaj, Iazua Larios, Milan Peschel, Henny Reents und in den jeweiligen Filmen zu sehen u.a.: Oliver Masucci, Jürgen Vogel, Leslie Malton, Fahri Yardim, Matthias Matschke, Mario Adorf, Michael Maertens
  • Regisseur: Philipp Stölzl
  • Produzenten: Christian Becker (Rat Pack) & Christoph Müller (Mythos Film)
  • Co-Produzenten:Matthias Wendlandt, Felix Wendlandt (Rialto Film), Jan Mojio (Beta) & Marcus Englert
  • Executive Producers: Wolfgang Behr , Bernd Schlötterer, Bernhard Schmid, Sabine Niederberghaus-Lesavoy
  • Autoren: Drehbuch: Jan Berger (Teil 2 unter Mitarbeit von Alexander M. Rümelin)
  • Kamera: Sten Mende
  • Musik: Heiko Maile (Originalthemen von Martin Böttcher)
Es ist das popkulturelle Dilemma unserer Zeit: Einerseits besteht eine hohe Nachfrage nach Abwandlungen familiärer Geschichten. Andererseits verhärten sich die Fronten: Remakes, Neuerzählungen und Aspekte der Vorlage anders gewichtende Adaptionen müssen sich harsche Kritik von jenen gefallen lassen, die eine bestimmte Fassung ihrer favorisierten Story ins Herz geschlossen haben und keine Abweichungen gestatten. Über 50 Jahre nach «Der Schatz im Silbersee», dem Beginn der elfteiligen Reihe rund um Pierre Brices Version des von Karl May erdachten Apachen Winnetou, ist die Zeit mehr als reif für eine erneute Behandlung des populären Materials. Haben sich doch Sehgewohnheiten, die im Medium genutzten Technologien und auch die Lebenswirklichkeit des Publikums enorm verändert.

Andererseits ist ein halbes Jahrhundert, in dem der «Winnetou»-Mythos praktisch unberührt blieb (von der herrlich-blödeligen Parodie durch einen gewissen Michael 'Bully' Herbig abgesehen), mehr als genug Zeit, um den Produktionen der Rialto Film eine Aura des Unantastbaren zu verleihen. Es war doch schon immer so, wieso sollte es plötzlich anders sein? Und dann packt ausgerechnet RTL dieses in den USA spielende, in (Ex-)Jugoslawien gedrehte, deutsche Kulturgut an – der Privatsender, der die meisten Menschen erreicht und der am häufigsten ob seiner Qualitätsstandards angefeindet wird. Das McDonald’s-Paradoxon halt. Und den US-amerikanischen Burgerbrater lässt man ja auch nicht einfach so an die Currywurst heran ….

Oder eben doch: Der Konzern mit dem güldenen M als Logo hat sich vor wenigen Jahren sehr wohl an einer Currywurst versucht, und sie passenderweise mit Mario Barth (dem McDonald’s / RTL der Comedybranche) als Markenbotschafter lanciert. Das ging jedoch weder kulinarisch gut, noch blieb dieses gastronomische Experiment lange im Angebot der Fast-Food-Kette. Somit grenzt sich die McCurrywurst vom vermeintlich ähnlich frevelhaften RTL-Neuaufguss der «Winnetou»-Geschichte ab. Dieses wird zweifelsohne manche Rialto-Puristen (die ihre Version der Erzählung oftmals verbissener verteidigen als die Liebhaber der ihr als Basis dienenden Karl-May-Romane) schon rein prinzipiell verärgern. Qualitativ hat es aber eine Daseinsberechtigung – und sollte daher beim anvisierten Publikum (vor allem: Familien mit älteren Kindern) nachhaltiger in Erinnerung bleiben als die Mario-Barth-Currywurst.

Abgesehen davon, dass Regisseur Philipp Stölzl («Der Medicus») deutlich imposantere Kulissen und eine wesentlich matschig-dunklere Bildsprache verwendet als die eher schlicht gehaltenen Rialto-Filme, liegen die essentiellen Unterschiede bei den Hauptfiguren: Wotan Wilke Möhring legt Old Shatterhand, der in der RTL-Fassung den bürgerlichen Namen Karl May trägt, nicht als makellose Projektionsfläche an. Sondern als urig-deutschen Auswanderer: Effizient und verklemmt, mit großen Zielen, die er auf bescheidenem Wege zu erreichen gedenkt. Möhrings Darbietung ist facettenreich und sympathisch, zudem sowohl in humorigen wie auch in ernsten Szenen treffsicher.

Nik Xhelilajs Winnetou ist ebenfalls weit von der Interpretation in den klassischen Filmen entfernt – er ist kein eleganter, weiser „Wilder“, sondern ein muskelbepackter, durchsetzungsfähiger Häuptlingssohn, der nach einer konfliktreichen ersten Begegnung Mays guten Willen erkennt – und sich daher mit ihm verbrüdert. Xhelilaj lässt zumeist seine ausdrucksstarken Augen für sich sprechen, wenn er nicht allein schon durch den Nachdruck, mit dem er spricht, verdeutlicht, wie Winnetou gerade gestimmt ist.

Dieser (Semi-)Realismus in der Charakterzeichnung der Hauptfiguren trifft auf nüchtern umgesetzte Western-Archetypen wie Henny Reents als gutherzige Hure und Milan Peschel als die verlottert aussehende gute Seele Sam Hawkens. Solche überlebensgroß gezeichneten Figuren erlauben es Stölzl und Chefautor Jan Berger, trotz einer gemeinhin ruhig-souveränen Dramaturgie in regelmäßigen Abständen zügig Konflikte zu schüren und actionreiche Wendepunkte oder launige Szenen über den Westernalltag zu kreieren. Zwar verzettelt sich der Dreiteiler erzählerisch trotzdem dann und wann, was die Spannungskurve leicht in Mitleidenschaft zieht. Aber als durch Werbeunterbrechungen zerteilte Erzählungen gilt es für diese TV-Filme eh mehr, im Einzelmoment zu ziehen, und weniger, als Gesamtstory.

Dem nostalgischen Seelenwohl wird in der kostspieligen Fernsehproduktion unterdessen Beachtung geschenkt, indem die drei Filme an den Schauplätzen gedreht wurden, an denen bereits die 60er-Jahre-Kassenschlager entstanden sind. Und auch die ikonischen Musikstücke von Martin Böttcher finden erneut Verwendung – leicht abgewandelt, an den staubigeren Look der neuen Filme angepasst und stimmig, wenngleich nicht nahtlos, eingefügt in die neuen Themen des Komponisten Heiko Maile («Vorstadtkrokodile 1 bis 3»).

Der Tonfall der neuen Produktionen ist ebenfalls nicht dermaßen von den zum Kult erhobenen Filmen entfernt, wie es auf den ersten Blick Anschein haben mag. Wie schon die viel zitierten Klassiker mit Lex Barker und Pierre Brice (und Karl Mays Westernromane) sind auch die Rat-Pack-TV-Filme in erster Linie ein Ausdruck des deutschen Bildes vom Wilden Westen. Nur, dass die 60er-Filme, gemäß ihrer Entstehungszeit, stärker romantisch verklärt waren als die jetzigen Filme, die sich eher als groß angelegte Unterhaltung verstehen – Hollywood-Kino über die US-Vergangenheit, gefiltert durch das deutsche Genreverständnis.

In Folge dessen sind Philipp Stölzls Filme humorvoller und verschnörkelter erzählt als die geradlinigen Rialto-Publikumslieblinge – wodurch sie andererseits an Dimension gewinnen: Unter Barker und Brice stellte die Blutsbruderschaft zwischen Old Shatterhand und Winnetou eine (offenkundig effektive) Mär der Völkerverständigung dar. Möhring und Xhelilaj reiten unterdessen durch eine unebene Landschaft des abenteuerlichen Vergnügens und der tragischen Untiefen.
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23.12.2016 08:09 Uhr Kurz-URL: qmde.de/90158
Sidney Schering

super
schade

49 %
51 %

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Tags

Bibi & Tina Das Geheimnis vom Silbersee Der Medicus Der Schatz im Silbersee Der letzte Kampf Eine neue Welt Lone Ranger Spiel mir das Lied vom Tod Vorstadtkrokodile 1 bis 3 Winnetou

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Es gibt 3 Kommentare zum Artikel
Cheops
23.12.2016 15:46 Uhr 1
Na ich weiß ja nicht.

Die ursprünglichen Winnetou Filme mit den charismatischen Schauspielern Lex Barker und Pierre Brice wurden fürs Kino gemacht und da erfolgreich, lange bevor sie ins Fernsehen kamen. Das war ein ganz anderes Kaliber als die drei neuen Fernsehfilme von RTL, die ganz verkrampft an alten Erfolgen anknüpfen wollen.

Das ist in etwa so als wolle man Star Wars Filme mit der 8 mm Kamera drehen!
Burpie
26.12.2016 18:15 Uhr 2
Ich finde die vielen bunten fb-Kommentare witzig, wobei wohl gerade die Älteren meckern. Naja, wenn man mit diesem "Gute indianische Einfaltspinsel werden von bösen Weißen massakriert, aber es gibt auch gute Weiße"-Kitsch aufgewachsen ist, dann könnte einem die neuere Verfilmung aufgestoßen sein. Man hat sich Mühe gegeben, einerseits Motive der Bücher und gleichzeitig historische Bezüge einfließen zu lassen. War aufwändig und unterhaltsam und hätte weitaus schlimmer ausfallen können...
Sergej
01.01.2017 23:04 Uhr 3
Ja fand die Filme auch nicht schlecht, kenne die alten Filme nicht, warum sollte man aber auch alles genauso erzählen wollen, man will doch nicht zweimal genau das selbe sehen. Also schlimm waren die Darsteller jetzt nicht, kannte die zwar nicht, aber die von den alten Filmen sagen mir auch nichts. Die waren doch größtenteils nur für diese Reihe bekannt.
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