Des Deutschen Vorliebe für französisches Wohlfühl-Kino reißt nicht ab. Zum Jahresendspurt bekommt er mit «Gemeinsam wohnt man besser» immerhin einen gelungenen Vertreter seiner langsam übersättigten Gattung serviert.
«Gemeinsam wohnt man besser»
- Kinostart: 22. Dezember
- Genre: Komödie
- FSK: o.A.
- Laufzeit: 97 Min.
- Kamera: Vincent Gallot
- Musik: Fabien Cahen
- Buch: Jérôme Corcos, Catherine Diament
- Regie: François Desagnat,
- Darsteller: André Dussollier, Arnaud Ducret, Bérengère Krief, Julia Piaton
- OT: Adopte un veuf (FR 2016)
Nicht erst seit gestern lieben Zuschauer die Figur des grantigen Eigenbrötlers, der mithilfe Außenstehender die Liebe zum Leben wieder entdeckt. Vielleicht rührt das daher, dass sich jeder ein Stück weit in derartigen Charakteren wiedererkennt. Ob nun in dem des Einsiedlers oder in dem des ihn bekehrenden Zeitgenossen sei einmal dahingestellt. Auch in der französischen Komödie «Gemeinsam wohnt man besser» wird ein Einzelgänger durch Fremde mit „dem Leben da draußen“ konfrontiert, wobei das trotz der äußerst ähnlichen Ausgangslage weitaus weniger tragisch vonstatten geht, als in der ebenfalls in diesem Jahr gestarteten, französischen Produktion «Frühstück bei Monsieur Henri», an den die Ausgangslage zweifelsohne erinnert.
Beide Filme eint, dass eine lebensfrohe Studentin bei einem zunächst mürrischen, aber sukzessive immer weiter auftauenden Witwer einzieht, wovon im weiteren Verlauf der Handlung beide Seiten profitieren. Regisseur François Desagnat («La Beuze») fährt in der ersten Hälfte einen nahezu identischen Kurs doch als der Frohsinn des einstigen Griesgrams Hubert schon nach der Hälfte der Laufzeit vollständig zurück kehrt, ahnt man bereits, dass «Gemeinsam wohnt man besser» letztlich auf etwas ganz Anderes hinaus will. Die frech-kernige WG-Komödie wird mit fortschreitender Dauer immer alberner und vergreift sich dabei mehr als einmal im Ton. Genau aus diesem Grund gibt sie dem Publikum aber auch sehr oft Grund dazu, einfach laut loszulachen.
Der alte Mann und die Studentin
Eigentlich wollte der pensionierte Witwer Hubert Jacquin (André Dussollier) nur eine Putzfrau einstellen, doch durch ein Missverständnis nistet sich in seiner großen Pariser Altbauwohnung eine junge Mitbewohnerin ein. Die quirlige Studentin Manuela (Bérengère Krief) versteht zwar nichts davon wie man einen Haushalt führt, aber davon wie man den Alltag eines Rentners gehörig auf den Kopf stellt umso mehr. Am Ende eines rauschenden Abends lässt sich Hubert sogar überreden die Wohngemeinschaft zu erweitern. Schon kurz darauf ziehen die etwas verspannte Krankenschwester Marion (Julia Piaton) und der in Scheidung lebende, neurotische Anwalt Paul-Gérard (Arnaud Ducret) ein. Trotz aller Unterschiede wächst die ungewöhnliche Wohngemeinschaft schon bald zusammen. Und auch Hubert erkennt allmählich, dass man für eine Wohngemeinschaft nie zu alt ist.
Was auf den ersten Blick vorhersehbar klingt, ist es auf den zweiten Blick gar nicht so sehr. Natürlich müssen sich Manuela und Hubert erst einmal annähern, aber dieser Phase der Gewöhnung gesteht das Drehbuch nicht das Gros an Laufzeit zu. Nach einer halben Stunde ist Hubert vom Freigeist seiner Untermieterin wider Willen wie verzaubert. Es ist im wahrsten Sinne des Wortes der Beginn einer wunderbaren Freundschaft. Und weil die Schauspielerin und Comedienne Bérengère Krief («Joséphine s’arrondit») ihre Manuela mit einer Riesenportion Charme sowie einer nahezu umwerfenden Ausstrahlung versieht und bei der Zeichnung des zwar zurückhaltenden, aber nicht etwa verhärmten oder gar hinterwäldlerisch anmutenden Hubert auf in auf den Stereotyp des grantigen Greises festnagelnde Klischees verzichtet wird, ist es absolut glaubhaft, dass sich der Witwer schon bald von der Idee anstecken lässt, sein Appartement für eine WG zur Verfügung zu stellen. Der Zusammenschnitt der diversen Bewerbungsgespräche besitzt wie viele weitere Einzelszenen in «Gemeinsam wohnt man besser» dann auch direkt Sketchqualitäten. Timing und Humor sitzen fast durchgehend. Doch als sich der Fokus vom Zusammenleben zwischen Hubert und Manuela auf Hubert und seine drei Untermieter verlagert, verliert das Skript seine erzählerische Stringenz.
Charmant mit Tendenz zur Albernheit
Je mehr Subplots in «Gemeinsam wohnt man besser» eröffnet werden, desto absurder und leider auch alberner wird der Film. Dies geht mitunter auch zu Lasten des bis dato wirklich sehr herzlichen Charmes, denn für die Figuren scheint Drehbuchautorenduo aus Jérôme Corcos und Catherine Diament, die das gleichnamige Theaterstück auf das Medium Film übertragen, weitaus weniger Interesse aufzubringen, als für die Dynamik innerhalb der Handlung. Sämtliche Charaktere sind nicht mehr als Mittel zum Zweck.
So ist etwa die Figur des kurz vor seiner Scheidung stehenden Anwalts Paul-Gérard einfach nur ein einziges Stereotyp eines sich mitten in der Midlife-Crisis befindlichen Karrieremannes; wenn dieser sich nach einem gescheiterten Ausspracheversuch mit seiner Noch-Ehefrau im Affekt aus dem Fenster stürzen will, ist das in Ermangelung an erzählerischem Fingerspitzengefühl so plump, dass sein Charakter mehr nervt als die Handlung bereichert. Auch die Krankenschwester Marion erscheint zunächst wie ein Störenfried innerhalb der WG. Viel zu spät offenbaren sich ihre persönlichen Hintergründe, was sie vorab aber auch vielseitig einsetzbar macht. Mal sorgt sie für Ordnung im die wohnlichen Chaos, dann wiederum gibt sie sich als Zicke und gen Ende hin dichtet ihr das Drehbuch sogar noch eine amouröse Verwicklung mit Paul-Gérard an.
So richtig um die Figuren scheint sich in «Gemeinsam wohnt man besser» daher Niemand zu scheren. Dafür ist die Interaktion unter ihnen stets von einer solchen Leidenschaft geprägt, dass auch die hanebüchensten Story-Verwicklungen wie der inhaltlich überhaupt nicht relevante, aber natürlich gehörig aus dem Ruder laufende Ausflug in einen Reptilienzoo einen gehörigen Spaß bereiten. Dass «Gemeinsam wohnt man besser» auf einem Bühnenstück basiert, merkt man. Das inszenatorisch leider lediglich den Charme einer guten TV-Produktion aufbringende Lustspiel konzentriert sich vorzugsweise auf die vier Wände der WG und labt sich an den temporeichen Dialogen der Protagonisten. Jeder schmeißt hier jedem passend und treffsicher die Bälle zu und zwischendurch ist immer mal wieder Zeit, um in einem kurzen Moment auch emotionale Befindlichkeiten zum Zuge kommen zu lassen.
Die Hintergründe zu Huberts früherem Leben als Geburtshelfer bereitet Regisseur François Desagnat in einer herrlich unsentimentalen Szene auf einer Neugeborenenstation auf, ohne dabei gezwungen in eine Rührseligkeit abzudriften, die dem Film und seiner Gesamttonalität nicht gut tun würde. Genau das macht sich «Gemeinsam wohnt man besser» besonders zum großen Vorteil: Anders als eine Vielzahl in den vergangenen Monaten erschienener, französischer Wohlfühl-Produktionen lässt diese hier ihre tragische Seite weitestgehend im Verborgenen. Die Komödie versteht sich eben genau als eine solche und lässt es so gut verschmerzen, dass manch eine Storyline bis zuletzt nur sehr oberflächlich bleibt. Das verhilft dem Film vielleicht nicht unbedingt zu einem Status als Charakterkino, wohl aber zu einem solchen als absolut solide Stück Feel-Good-Kino, dessen Entertainment-Faktor überraschend hoch ist.
Fazit
«Gemeinsam wohnt man besser» macht als weitestgehend oberflächliche Komödie rund um das Thema generationenübergreifende Verständigung mächtig Laune, was vor allem an den starken Dialogen und einem exzellenten Gespür für Timing liegt. Wer sich jedoch eher an ausgereiften Figuren und den emotionalen Verwicklungen derselben erfreut, der sollte auf einen Ticketkauf verzichten.
«Gemeinsam wohnt man besser» ist ab dem 22. Dezember in den deutschen Kinos zu sehen.
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