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Die Kritiker: «Tatort - Wendehammer»

Paul Brix und Anna Janneke packt die Technopanik: ein «Tatort», der sich durch die Allesvernetzung ermittelt und Befindlichkeiten bedient.

Cast & Crew

Vor der Kamera:
Margarita Broich als Anna Janneke
Wolfram Koch als Paul Brix
Jan Krauter als Nils
Constantin von Jascheroff als Daniel
Roeland Wiesnekker als Henning Riefenstahl
Zazie de Paris als Fanny
Cornelia Froboess als Betti

Hinter der Kamera:
Produktion: Hessischer Rundfunk
Drehbuch: Stephan Brüggenthies und Andrea Heller
Regie: Markus Imboden
Kamera: Martin Langer
Im Wendehammer wohnt der Wahnsinn. Das zumindest will uns der neue «Tatort» aus Frankfurt suggerieren: In dem schicken, vorstädtischen Viertel, hinter adrett zurecht geschnittenen Hecken in hochmodernen, großen Häusern auf wahrscheinlich sündhaft teuren Grundstücken wimmelt es, mit Ausnahme einer gutbürgerlichen Familie, vor Exzentrikern: der Krimiautorin, die ein Techtelmechtel mit dem älteren Herrn von gegenüber hat, auch wenn sie angeblich nur Rommé spielen; der Opernsängerin mit ihren zwei Möpsen, die ihre Töne so schrill anschlägt, dass Glas zerspringt und Paul Brix (Wolfram Koch) ganz schwindelig wird. Und natürlich: dem seltsamen IT-Experten Nils Engels (Jan Krauter).

Der lebt allein in dem schicken Haus, das er von seiner Großmutter geerbt hat, hinter meterhohen Mauern und einem Elektrozaun, wo nun alles miteinander vernetzt ist. Die Nachbarn hassen ihn, aus guten Gründen. Er selbst existiert nur noch in einer schier wahnhaften Paranoia: Ein Konsortium will sich die Technik, die er entwickelt hat, unter den Nagel reißen, wogegen er vehement ankämpft. Was diesem Konsortium freilich Motive liefert, ihn aus dem Weg zu schaffen.

Ins Fadenkreuz von Paul Brix und Anna Janneke (Margarita Broich) gerät er, nachdem die exzentrische Krimiautorin das Verschwinden ihres älteren Nachbarn anzeigt, mit dem sie Rommé spielt. Tatsächlich findet die Spurensicherung in seinem Haus ein paar Blutstropfen: Und Nils Engels ist als Tatverdächtiger schnell ausgemacht. Schließlich hatte der sich mit dem älteren Herrn Auseinandersetzungen ob einer zu dicht an der Grundstücksgrenze wachsenden Tanne geliefert. Und bei jemandem, der so neurotisch ist wie Engels, ist schließlich alles möglich.

Dass Engels ein Genie ist, bestreiten nicht einmal Brix und Janneke. Doch da die Grenzen zwischen Genie und Wahnsinn im Volksmund fließend sind, geht „Wendehammer“ in die Vollen: Das Genie denkt sich das Drehbuch von Stephan Brüggenthies und Andrea Heller nur als ein lebensunfähiges, schüchternes, aber gleichzeitig abgebrühtes und eiskaltes Wesen: finster, berechnend, gleichzeitig völlig naiv, hochneurotisch sowieso.

Der Volksmund darf in „Wendehammer“ ohnehin stark einfließen. Seine Vehikel heißen Brix und Janneke: Alles miteinander zu vernetzen, das sei ja gar nicht so erstrebenswert, poltert Brix, und berge viele, viele Gefahren, die das Drehbuch leider nicht sinnig zu konkretisieren im Stande ist und auf einer völlig diffusen Ebene belässt. Dieser «Tatort» vermeidet – was angesichts so manch haarsträubender öffentlich-rechtlicher Produktion schon lobenswert ist – die Kurve in den Technopanic-Stoff, ist aber doch in seinem Wesen ein Befindlichkeitsfilm und trägt im Kern etwas Stockkonservatives in sich: die Angst vor jeglichen Neuerungen, erst recht technischen. Man muss sich ja nur diesen trottelig-gefährlichen Nils Engels anschauen, und was der aus unserer Welt machen will.

Das Erste zeigt «Tatort – Wendehammer» am Sonntag, den 18. Dezember um 20.15 Uhr.
17.12.2016 13:00 Uhr Kurz-URL: qmde.de/90045
Julian Miller

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Tatort Tatort – Wendehammer Wendehammer

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Es gibt 1 Kommentar zum Artikel
Sentinel2003
17.12.2016 13:20 Uhr 1
Dieser, aus Dortmund und auch aus Kiel sollten viel öfter laufen....
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