Der Niedergang der klassischen TV-Unterhaltung ist eng mit dem WDR verbunden. «Zimmer frei!» endete 2016, schon vorher verabschiedeten sich Größen wie Harald Schmidt, Jürgen von der Lippe oder Alfred Biolek. Eine Art Nachruf.
Das Ende von «Zimmer frei!» ist viel mehr als nur das Ende eines einzelnen Unterhaltungsgiganten. Mehr als das Ende einer kleinen, großen Show, deren Qualität und Charme die Jahrzehnte überdauerte. Dieses Ende markiert auch eine Zäsur in der Unterhaltungsgeschichte von Fernsehdeutschland. Mit dem Abschied von Götz Alsmann und Christine Westermann gehen zwei weitere ihrer Größen, und das, nachdem der Aderlass an hervorragenden Showmastern und Entertainern, Kabarettisten und Comedians in den letzten Jahren ohnehin bereits groß war: Alfred Biolek ging 2006 in TV-Rente, Harald Schmidt 2014, Jürgen von der Lippe hat sich aus dem Geschäft zurückgezogen, ebenso Herbert Feuerstein und Ludger Stratmann. Jetzt noch Götz Alsmann und Christine Westermann. Sie haben alle eine Gemeinsamkeit: Es waren große Unterhaltungsgesichter des WDR.
«Zimmer frei!» war so etwas wie das Wohnzimmer dieser WDR-Größen, sie alle waren da. Dass die Show nun eingestellt wurde, hat also Symbolkraft. Es markiert das Ende einer Art von Fernsehunterhaltung, die nun endgültig nicht mehr existiert. Diese Art von Unterhaltung lebte nicht von Promi-Quizrunden mit Spendenquittung oder von Casting-Banalitäten, sondern von Personen mit großer Ausstrahlung. Von Personen, die Shows allein tragen konnten, auch wenn das Konzept schlecht war. Von Menschen, die nicht vom Teleprompter ablesen oder die formalisierte TV-Laufbahn einschlagen. Multitalente wie Götz Alsmann, scharfzüngige Gesellschaftsbeobachter wie Harald Schmidt, einfühlsahme Gesprächspartner wie Westermann und Biolek, oder subtile Entertainer mit Bildungsanspruch wie von der Lippe. Sie alle haben zwei Dinge in die oft profane TV-Unterhaltung gebracht, die man sonst vermisst, heute umso mehr: Anspruch und Authentizität.
Der Westdeutsche Rundfunk: die größte Sendeanstalt der ARD und einer der größten Sender in Europa, gemessen an der Beschäftigtenzahl von mehr als 4600. Dass der WDR die Unterhaltungslandschaft früherer Jahrzehnte prägte, ist nur logisch. Auch die Stadt Köln als Karnevalshochburg ist ein wichtiger Standortfaktor, machten doch einige der TV-Entertainer ihre ersten Schritte im Karnevalsfach. Zumindest war Köln die Heimat vieler Showgrößen, auch von denen, die nicht beim WDR zu prägenden Unterhaltern wurden: Hape Kerkeling, Hella von Sinnen, Dirk Bach, Stefan Raab, Gaby Köster, Anke Engelke, Rudi Carrell. Viele haben in ihrer TV-Karriere zeitweise beim WDR gearbeitet und gelernt – so beispielsweise Kerkeling mit seinem TV-Durchbruch «Känguru» und seinen späteren Sendungen «Gisbert» und «Warmumsherz». Auch Kerkeling ist einer jener Altmeister, die sich in den vergangenen Jahren zurückgezogen haben.
Die Aura all dieser Entertainer erschuf einmalige TV-Momente, die ihren Ursprung in der rheinischen Gelassenheit und ihrer besonderen Perspektive haben. Jürgen von der Lippes Anarcho-Show «Donnerlippchen» oder sein Überraschungs-Talk «Wat is?» sind zwei Beispiele, aber auch Harald Schmidts Dekonstruktion der Samstagabendshow «Verstehen Sie Spaß?» und seiner späteren Interpretation des US-Late-Night-Genres in Deutschland. Man feierte Kindergeburtstage («Geld oder Liebe», «Zimmer frei!») und etablierte das Lifestyle-Magazin («Roxy» mit Alsmann). Alfred Biolek prägte zwei der renommiertesten Sendungen des deutschen Fernsehens: den Talk-Musik-Mischmasch «Bios Bahnhof» und seinen Late-Talk «Boulevard Bio», der A-Promis solcher Größe in eine Gesprächsrunde brachte, dass Markus Lanz nur davon träumen kann.
Diese Sendungen erreichten ein Millionenpublikum, als die Uhren dieser Welt noch etwas langsamer tickten als jetzt. Sie waren geprägt von einer Unterhaltungskunst alter Schmiede, vor dem Fall der Mauer, als Moderatoren sich noch nicht an ein Konzept klammern konnten (oder wollten). Nein, im Gegenteil hatten viele der Shows dieser WDR-Giganten ein so minimalistisches Konzept wie möglich – oder anders gesagt: so viel Improvisationsspielraum wie möglich. Die Schmidts, Bioleks und von der Lippes hatten die Fähigkeit, diesen Spielraum bestmöglich zu nutzen.
Es mag folgerichtig sein, dass diese Art von Unterhaltungsfernsehen ausstirbt. Weil es zu unkonventionell ist und damit zu unvorhersehbar, zu unspektakulär, vielleicht zu langsam. Wer es aber früher miterlebt hat, wird diesen Umstand zumindest schade finden. Man sollte daher das schätzen lernen, was noch übrig ist: Nach dem Abschied von «Zimmer frei!» ist vor allem Olli Dittrich mit «Dittsche» der letzte verbliebene Unterhalter, der die WDR-typische Art des authentisch-niveauvoll-improvisierten Unterhaltungsfernsehens auslebt. Im Talkfach bleibt Bettina Böttinger mit ihrem «Kölner Treff» eines der WDR-Aushängeschilder. Ein paar Kleinode gibt es, wie Arnd Zeiglers Fußballsendung in der Sonntagnacht oder Specials wie «Die unwahrscheinlichen Erreignisse im Leben von...».
Und sonst? Verabschiedet sich in diesen Tagen eine weitere westdeutsche Rundfunk-Größe nach Jahrzehnten vom Mikrofon. Jürgen Domian. Seine letzte Sendung läuft am 16. Dezember.
Es gibt 2 Kommentare zum Artikel
09.12.2016 21:42 Uhr 1
Seit jeher wird das Programm von 40+ gemacht für Leute die 20 Jahre älter sind.
Seit einigen Jahren wollen sie keine neuen Leute ranlassen.
Jetzt macht dann halt der WDR Fernsehen von 60jährigen für 80jährige.
Domian (59) geht, Christine Westermann (68) geht.....
Olli Dietrich und Bettina Böttinger sind gerade 60 geworden.
Da hilft es auch nichts, wenn die gerade bei Pro7 absaufenden "Jungspunde" Joko&Klaas irgendwann dort, oder bei ARD auftauchen, dann mit 40+ für Leute 60+
Die sollten mal neue Gesichter prägen, vielleicht braucht man dafür Gremium Nummer 2087?
11.12.2016 09:38 Uhr 2