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'Die normalen Menschen existieren immer noch, sie sind nur nicht so laut'

Das erste deutschsprachige, exklusiv bei Netflix abrufbare Comedyspecial ist da. Dieter Nuhr erklärt uns, wie diese Zusammenarbeit zustande kam und spricht über den Einfluss der sozialen Netzwerke.

Wie kam es zu Ihrer Zusammenarbeit mit Netflix?
Die haben mich gefragt, und ich hab mich gefreut. So einfach kann das Leben sein. Ich denke, das ist eine schöne Erweiterung dessen, was bisher von mir im Fernsehen zu sehen war. Normal komme ich im Hauptprogramm ja gerne mal etwas später, bei Netflix kann der Zuschauer die Uhrzeit selbst entscheiden. Das ist eine andere Art von Fernsehen, die das alte TV-Programm erweitert. Sehr erfreulich.

Inwiefern hat sich die Arbeit an diesem Netflix-Special von üblichen Stand-up-Aufzeichnungen für TV und DVD unterschieden?
Eher mal gar nicht. Ich mache Programm, die Kameraleute versuchen, mich dabei zu filmen. Was schön ist bei Netflix: Es kommt nicht auf die Minute an. Ob ich 60 oder 70 Minuten mache, ist denen wurscht, weil nachher nicht noch die Nachrichten kommen. Inhaltlich bin ich überall gleich frei.

Was schön ist bei Netflix: Es kommt nicht auf die Minute an. Ob ich 60 oder 70 Minuten mache, ist denen wurscht, weil nachher nicht noch die Nachrichten kommen. Inhaltlich bin ich überall gleich frei.
Dieter Nuhr
Haben Sie die Option der „Qualitätskontrolle“, wie Netflix Ihr Programm in andere Sprachen übersetzt?
Ja, natürlich. Aber ich gehe davon aus, dass die ohnehin das gleiche Interesse haben wie ich: Das Programm attraktiv zu machen.

Da es durch Netflix einfacher geworden ist, die Programme von US-Komikern zu schauen, ist mir erst in den vergangenen Monaten bewusst geworden, dass zumindest der US-Comedy-Mainstream bei seinen Stand-up-Aufzeichnungen viel stärker auf Schaueffekte setzt als die meisten großen deutschen Komiker. Beeinflusst die nun größere Vergleichbarkeit zwischen dem deutschen und dem US-amerikanischen Comedymarkt Ihre Herangehensweise an Ihre Comedyspecials?
Ich mache nichts anders, bloß weil es nun international sichtbar ist. Setzen die da drüben mehr auf Showeffekte? Ich kenne mich ja nicht so aus, aber was ich so gesehen habe, ist eher sparsam: 1 Mann 1 Mikro. Aber vielleicht fehlt mir da auch der Überblick.

Hat sich Ihr Publikum mit der größeren Relevanz von Facebook, Twitter und Co. verändert – stimmt die Binsenweisheit, dass unser aller Aufmerksamkeitsspanne sinkt?
Also bei mir im Liveprogramm hören vom Schüler bis zum Rentner alle zwei Stunden zu. Da hat sich gar nichts verändert in den letzten 25 Jahren. Die sozialen Medien haben einen ganz anderen Effekt, sie geben den Großmäulern und Krawallköpfen ein riesiges Forum. Deshalb hat man den Eindruck eines ständigen Radaus. Der täuscht aber. Die normalen Menschen existieren immer noch, sie sind nur nicht so laut.

Qualität hat Bestand. Aber es ist heute einfacher für den, der es nicht schafft, die Gründe nicht bei sich selbst, sondern bei den Medien zu suchen. Wer dranbleibt, hat es weder schwerer noch leichter als früher, die Wege haben sich verändert, sonst nichts. Langfristiger Erfolg entsteht aus langfristiger guter Arbeit, beim Schreiner, beim Zahnarzt und beim Comedian.
Dieter Nuhr
Haben es neue, junge Comedians durch die zahlreichen Möglichkeiten, ihre Arbeit zugänglich zu machen, einfacher, den Durchbruch zu schaffen – oder finden Sie, dass es einfacher war, als Comedy-Alternativen nicht bloß einen Klick entfernt war?
Ich glaube, in diesem Riesenwust von Content ist es heute für Anfänger schwieriger, Aufmerksamkeit zu bekommen. Aber wenn sie erstmal da ist, hält sie oft nur ein paar Wochen. Am Ende wird sich aber wie früher kontinuierliche Arbeit durchsetzen. Qualität hat Bestand. Aber es ist heute einfacher für den, der es nicht schafft, die Gründe nicht bei sich selbst, sondern bei den Medien zu suchen. Wer dranbleibt, hat es weder schwerer noch leichter als früher, die Wege haben sich verändert, sonst nichts. Langfristiger Erfolg entsteht aus langfristiger guter Arbeit, beim Schreiner, beim Zahnarzt und beim Comedian.

Sind Facebook und weitere soziale Netzwerke für Comedians Ihrer Einschätzung nach optionale Zusatzmöglichkeiten, um ihr Publikum zu erreichen, oder nunmehr unerlässliche PR-Maßnahmen?
Ich habe das angefangen, weil es schon zahlreiche Accounts mit meinem Namen gab und weil ich meine Identität nicht an irgendeinen Trottel oder Hochstapler verlieren wollte. Im allgemeinen Lärm muss man versuchen, die Hoheit über die eigene öffentliche Person zu behalten. Das ist schwieriger geworden.

Vielen Dank für das Gespräch.

«Nuhr in Berlin» ist ab sofort weltweit exklusiv via Netflix abrufbar.
15.11.2016 12:19 Uhr Kurz-URL: qmde.de/89318
Sidney Schering

super
schade


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Dieter Nuhr Netflix Nuhr in Berlin

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