Die glorreichen 6: Horror aus deutschen Landen (Teil VI)
Schaurig oder brutal. Makaber oder bitterböse. Dunkelromantisch oder fies exzessiv. Aber auf jeden Fall deutsch: Wir reisen querbeet durch die hiesige Horror-Filmwelt. Wir beenden die Reihe mit dem Geheimtipp «Gefällt mir».
Die Handlung
Filmfacts: «Gefällt mir»
Buch und Regie: Michael David Pate
Produktion: Michael Angelo Pate
Darsteller: Isabella Vinet, Gedeon Burkhard, David Gant, Sebastian Hülk, Michael Epp, Nasia Jansen, Tobias Schenke, Udo Schenk, Santiago Ziesmer, Charles Rettinghaus, Ronald Nitschke
Musik: Björn Both, Kelly Meinert, Andrew Reich
Kamera: Florian Geiss
Erscheinungsjahr: 2014
Laufzeit: 97 Minuten
FSK: ab 16 Jahren
In der norddeutschen Kleinstadt Heide treibt ein berüchtigter Serienmörder sein Unwesen. Da er von seinen Opfern stets eine Hand als Trophäe stielt, wurde er vom deutschen Volk "Fleischer" getauft. Als die beste Freundin der jungen, hitzköpfigen Natascha (Isabella Vinet) ermordet wird, findet er in der durchtrainierten Kampsportlerin die optimale Gegnerin. Sie erklärt dem Fleischer, der seine Taten bei Facebook ankündigt und sich anschließend damit brüstet, den Krieg. Es beginnt ein gefährliches Katz-und-Maus-Spiel, das nicht bloß immer mehr Opfer fordert, sondern schon bald auch die gesamte Gesellschaft mit in die Geschichte einbezieht...
Was für ein Horror?
Ein weiteres (und letztes) Mal widmen wir uns in dieser Staffel dem multimedialen Horror, müssen aber direkt anfügen, dass «Gefällt mir» trotzdem nicht so recht in diese Schublade passen möchte. Es geht zwar erneut darum, eine Sensibilität für unseren Umgang mit den sozialen Netzwerken zu schaffen, je weiter der von Michael David Pate («Kartoffelsalat - Nicht fragen») inszenierte Film allerdings voran schreitet, desto stärker rücken die niederträchtigsten Bedürfnisse der Gesellschaft an sich in den Fokus. Vor allem Selbstjustiz spielt dabei eine Rolle und die Frage, ab wann man dazu greifen darf. Auch Vorurteile, das Nicht-Hinterfragen-wollen derselben sowie soziale Ausgrenzung und Mobbing sind ein Thema, ebenso wie die Manipulation unsereins von den großen Nachrichtenanstalten.
Die 6 glorreichen Aspekte von «Gefällt mir»
Das Horrorprojekt «Gefällt mir» von den Geschwistern Michael David (Regie, Drehbuch und Produktion) und Miguel Angelo Pate (Produktion) hat eine bewegte Entstehungsgeschichte hinter sich. Inspiriert von der Aktualität der Themen Selbstjustiz, weltweite Vernetzung und den allgegenwertigen Gefahren der modernen Medien sowie dem kurz vor Entstehung des Films stattgefundenen, beeindruckenden Talkshow-Auftritt von Til Schweiger, der klare Worte zum Umgang mit Sexualstraftätern fand, verfasste Pate ein Skript, um es mithilfe seines von der Idee ebenfalls begeisterten Bruders unabhängig von gängigen Filmschmieden selbst zu produzieren. Ähnlich des Trends der Schwarmfinanzierung fanden sich aufgrund erster gedrehter Szenen, einer pfiffigen PR-Strategie und eines sich sukzessive entwickelnden Hypes immer mehr Financiers, sodass «Gefällt mir» von einer Produktion mit Minimalbudget zu stattlicher Größe heranwuchs und gar namhafte, deutsche Schauspielgrößen von seiner Qualität überzeugen konnte.
«Gefällt mir» kann mit einer tollen, gerade aufgrund des noch nicht allzu hohen Bekanntheitsgrades so authentischen Besetzung aufwarten. Neben Newcomerin Isabella Vinet («Die vierte Macht») in der weiblichen Hauptrolle sowie Tobias Schenke («Harte Jungs») als männliches Gegenstück sind unter anderem die Synchron-Koryphäe Santiago Ziesmer (die deutsche Stimme von u.a. Steve Buscemi) und Udo Schenk («Kleine Morde») in kleineren Nebenrollen zu sehen.
Die schnörkellose Story über die Jugendliche Natascha, die einen Serienkiller im Rahmen einer TV-Show zu einem Duell herausfordert, kombiniert geschickt die Grundsätze des klassischen Slasher-Films mit den Mechanismen der modernen Gesellschaftskritik. Der schlichten Kameraarbeit von Florian Geiss wird durch punktgenau platzierte Einblendungen von Statusupdates, Facebook-Nachrichten und Mail-Ankündigungen ein Meta-Touch beigefügt, der dem Publikum ihr eigenes Online-Verhalten wie einen Spiegel vors Gesicht hält. Das ist in seiner Konsequenz manchmal regelrecht penetrant, erfüllt aber seinen Zweck; die „Generation Facebook“ wird sich in diesem Film besser wiedererkennen, als es ihr lieb sein wird. Und als sich gen Ende hin die Ereignisse auf eine Art und Weise zuspitzen, bei der es nur noch eine Frage der Zeit sein wird, bis Hollywood diesen Plottwist für seine Zwecke nutzt, wird klar: Das deutsche Genrekino lebt!
«Gefällt mir» ist trotz ihres Status als Low-Budget-Projekt der beste Beweis dafür, dass ein Film eben nicht ausschließlich von hohen Produktionsstandards lebt, sondern eine gute Geschichte eben auch dann überzeugt, wenn man sich als Macher ausschließlich darauf konzentriert. Die einfallsreiche Horrorsatire und die richtig fiese Pointe entfalten sich eben auch dann, wenn man nur wenig Geld für die Inszenierung derselben zur Verfügung hat. Wenn das mal kein Geheimtipp ist!
«Gefällt mir» ist derzeit weder auf DVD oder Blu-ray, noch über irgendeinen Streamingdienst erhältlich. Ein Heimkino-Release soll in Kürze folgen.
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