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Bayern und BVB auf Knopfdruck: Das Geschäft illegaler Sport-Livestreams

Selten war es einfacher, Fußball-Livestreams illegal im Netz anzuschauen. Wie das Millionengeschäft funktioniert – und warum der Nutzer dieser Angebote selbst großes Risiko geht.

In rund drei Wochen ist es wieder soweit: Borussia Dortmund gegen den FC Bayern steigt, das Bundesliga-Prestigeduell der letzten Jahre. Das Spiel, das die meisten Zuschauer anzieht, und das dem Fußball Hochkonjunktur beschert. Ein lukratives Geschäft für viele Parteien: Für Zeitungen, für Sky und die ARD, für Fußball-Websites, für Sportsbars.

Und für die Anbieter illegaler Livestreams. Das Geschäft mit diesen Internet-Angeboten ist zu einem großen Markt geworden, für jede Sportart und jedes Interesse, auch von der Bundesliga. Wer reinklickt, bekommt illegale Streams der hochoffiziellen Angebote: von Sky Deutschland beispielsweise für die Bundesliga oder für Übertragungen von Champions-League-Spielen. Zigtausende Seiten finden sich mittlerweile im Netz, sie werben mit den Logos der großen Ligen und den erfolgreichen Schlagzeilen: Borussia Dortmund gegen FC Bayern – nur einen Klick entfernt, sofort verfügbar.

Dass der Markt mittlerweile so groß ist, liegt in erster Linie an den vereinfachten Bedingungen: Noch vor Jahren funktionierten Streams vor allem über Peer-to-Peer-Services oder spezielle Software, mit der Nutzer gleichzeitig die Inhalte weiterverteilen mussten. Ein einfacher Klick auf einen Link reichte nicht, um seine Mannschaft sehen zu können. Außerdem verfügten viele Internet-Anschlüsse noch nicht über die nötige Bandbreite für ordentliches Streaming. Vor allem aber gab es einen weiteren Grund, warum simple Internet-Streams noch kein breites Interesse fanden: Zu Premiere-Zeiten konnte jeder Baumarkt-Receiver relativ schnell die Verschlüsselung aushebeln und die gesamte Pay-TV-Bandbreite kostenlos empfangen. Einfacher und sicherer ging es damals nicht für zigtausende illegale Konsumenten. Mit der Einführung neuer Geräte und der permanenten Weiterentwicklung neuerer Verschlüsselungssysteme ist diese Möglichkeit nahezu ausgestorben. Internet-Streams wurden zur ernstzunehmenden Alternative. Die Zahl der Streams bei großen Fußball-Begegnungen liegt schätzungsweise im fünfstelligen Bereich.

Dass dieses Problem nun langsam aufs Radar kommt, liegt erstens am Problem der Nachverfolgbarkeit. Man kann kaum einschätzen, wie viele Menschen die Streams wirklich nutzen und wie viele Millionen Euro durch das Geschäft verloren gehen. Erst Ende Oktober haben die DFL und Sky öffentlich darauf aufmerksam gemacht, dass man mit dem Schauen dieser Angebote kriminelle Strukturen unterstütze und das hochwertige Produkt um die Bundesliga gefährde. Doch schließlich hat man es mit abstrakten Gegnern zu tun, die kaum ausfindig gemacht werden können – Stichwort „Nachverfolgbarkeit“.

Zweitens kann eine zunehmende Professionalisierung der Angebote beobachtet werden: Die Streaming-Qualität wird besser, die Angebote sprechen sich herum, Links werden ausgetauscht. Bis vor ein paar Monaten spielte sicherlich auch die einfachere Verfügbarkeit im Vergleich zu den offiziellen Angeboten eine Rolle: Die Bundesliga auf einen Klick einzuschalten, von jedem PC aus und auch mobil, spielte sich als großer Vorteil gegenüber Sky aus. Bis zum Sommer war es beim Pay-TV-Anbieter nicht möglich, Bundesliga und Sport dauerhaft nur über das Internet zu abonnieren, denn man benötigte stets ein TV-Abo mit Mindestvertragslaufzeit. Mit Sky Ticket hat Sky dieses Problem gelöst und bietet nun Streams auf allen Geräten an, ohne langes Abo und monatlich kündbar.

Gegen Sky, DFL und Co.: Wie das Livestream-Geschäft funktioniert


Wissenschaftler der Universität Leuven haben in einer Studie das Ökosystem der illegalen Livestrea-Anbieter untersucht und so zumindest ein wenig Licht auf das sonst so undurchsichtige Geschäft geworfen. Das System funktioniert über vier Stufen: Die Channel-Provider lassen ihre Streams – beispielsweise von Sky-Bundesliga-Kanälen – auf ihren lokalen Rechnern laufen und senden die Streams auf Medienserver. Von diesen Servern aus ist der Empfang der Streams per Flash-Player im Internet möglich, es braucht nur noch jemanden, der die Streams in eine Infrastruktur und ein auffindbares Angebot einbettet. Diese Aufgabe übernehmen Aggregatoren. Sie sammeln die Streaming-Programmcodes und Links und stellen diese schließlich auf ihren Websites bereit. Der Provider füttert die Aggregatoren also mit den begehrten Inhalten. Die Aggregatoren wiederum kümmern sich darum, dass die Inhalte zu den Usern gelangen: über Websites, die bei Google gut gefunden werden und die verlässlich funktionieren. Damit funktioniert das Prinzip wie ein Pyramidensystem: Unten stehen die zahllosen Internetseiten, die Streams einbetten oder Links bereitstellen. All dies führt letztendlich zur Spitze der Pyramide, nämlich zu wenigen Providern, die die Streams bereitstellen.

Der entscheidende Punkt in diesem Ökosystem sind schließlich die Advertiser oder Werbetreibenden. Über die Websites wird so viel Werbung wie möglich platziert, vor allem über Javascript-Code. Viele Seiten funktionieren deshalb nicht, wenn der User Adblocker benutzt: Der Livestream wird schließlich nicht starten. So müssen sich die User also durch meist mehrere Werbe-Overlays klicken, bevor sie den eigentlichen Stream starten können. Die Werbeeinahmen werden geteilt: Sie gehen an die Werbenetzwerke, die die Werbung bereitstellen, an die Aggregatoren und an die Provider. Das Geschäftsmodell scheint sehr lukrativ, anders ist die zunehmende Verbreitung dieser Angebote und deren Professionalisierung nicht zu erklären.

Nach Auswertung von mehr als 5.000 Aggregator-Websites und mehr als 850.000 Visits kamen die Forscher zu interessanten Ergebnissen: Ein Viertel der Streams werden in Belize gehostet, einem kleinen Land in Zentralamerika. Die Mehrheit der Streams – über 60 Prozent – können auf Medienserver von nur fünf Anbietern zurückgeführt werden: Neben Belize liegen sie in den Niederlanden, der Schweiz, in Schweden und Kanada. Zu vermuten ist außerdem, dass die tausenden Aggregator-Websites ebenfalls auf deutlich weniger Anbieter zurückzuführen sind. Eine weitere Erkenntnis der Wissenschaftler: Über 50 Prozent der Werbe-Overlays führen bei einem Klick darauf zu Malware-verseuchten Websites. Diese versuchen über verschiedene Wege Malware auf dem PC zu installieren, was wiederum ein Jackpot für dubiose Werbeanbieter ist: PC und User können ausspioniert, Werbeangebote können teils beliebig eingeblendet werden. Es sind also nicht nur rechtliche Probleme, die der User mit der Nutzung solcher Livestreams in Kauf nimmt. Sondern auch Probleme des Datenschutzes, der Privatsphäre, der Technik.

Sky und die DFL haben die Probleme erkannt, sie fahnden mit eigenen Teams nach den Angeboten. Wenn möglich, werden die Seiten gesperrt, wie im Frühjahr „istreams.to“. Mit bestimmten Tools fahnden verschiedene Firmen im Hintergrund nach Links und Hashtags, die beispielsweise auch in sozialen Netzwerken verbreitet werden. Vor Jahren war es einfacher, in das Geschäft einzugreifen: So trat die Firma Netresult im Auftrag großer Fußball-Ligen wie Bundesliga oder Premier League oft mit den Website-Betreibern – den Aggregatoren – in Kontakt und konnte Löschungen der Links veranlassen. Die zunehmende Professionalisierung, und die vermutete Konzentration auf wenige Anbieter im Rahmen organisierter Kriminalität, macht auch diesen Weg schwerer. Genauso wie die Sperrung der Server.

Die illegalen Livestreams, sie werden auch in Zukunft ein Problem bleiben. Für die legalen Rechteinhaber bleibt nur, alle Möglichkeiten gegen die Anbieter auszuschöpfen. Vor allem aber die Nutzer abzuholen: mit attraktiven Angeboten, bequemen Apps mit guter Funktionalität, mit ordentlichen Preisen. Angesichts der steigenden Sportrechte-Kosten ist das eine Herkulesaufgabe.
04.11.2016 17:49 Uhr Kurz-URL: qmde.de/89117
Jan Schlüter

super
schade

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