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Die Kritiker: «Schweigeminute»

Wenn der Schüler mit der Lehrerin: Nach Siegfried Lenz' berühmter Novelle nimmt der ZDF-Film «Schweigeminute» ein bekanntes Motiv auf sehenswerte Weise auf.

Filmfacts «Schweigeminute»

  • Regie: Thorsten M. Schmidt
  • Darsteller: Julia Koschitz, Jonas Nay, Alexander Held, Uwe Preuss, Nina Petri, Johannes Allmayer, Henny Reents, Thure Lindhardt
  • Drehbuch: André Georgi, Claudia Kratochvil, Thorsten M. Schmidt; nach einer Novelle von Siegfried Lenz
  • Kamera: Hannes Hubach
  • Schnitt: Andreas Althoff
  • Musik: Gert Wilden jr.
  • Produktionsfirma: Moovie GmbH
Es ist ein altgedientes Motiv, das Siegfried Lenz in seiner viel diskutierten Novelle «Schweigeminute» aufgreift: Der zum jungen Mann aufblühende, doch noch immer etwas unreife Schüler, der sich in seine Lehrerin verliebt. Nachdem in den vergangenen Jahren bereits ein halbes Dutzend an Lenz-Werken adaptiert wurde, nehmen sich die Drehbuchautoren André Georgi und Claudia Kratochvil sowie Autor/Regisseur Thorsten M. Schmidt nun auch dieser Materie an – und formen sie zu einem zwischen sommerlich-warmen und kühl-niederdrückenden Momenten wandelnden Drama, aus dem das Zeitkolorit förmlich trieft.

Auch wenn es nie ausgesprochen wird, ist der Neunzigminüter, wie schon die Vorlage, irgendwann in den 60er-Jahren angesiedelt. Also zu einer Zeit, die als Zeit des sexuellen Aufkeimens verklärt wird, sozusagen in der Pubertät der westlichen Gesellschaft. Zu einer Zeit, in der das Hollywoodkino diesen Stoff wirksam aufgriff. Zu einer Zeit, zu der die rückblickend recht züchtig geschnittene Pastellton-Bademode einen Balanceakt zwischen modischer Eleganz und offenbarender Sinnlichkeit vollbracht hat und Schüler generell formaler gekleidet waren als heute, sich die Strenge der 50er jedoch allmählich verflüchtigte. Also zu einer Zeit, zu der sich eine solche Geschichte sehr filmisch und ganzheitlich-stimmig umsetzen lässt. Als Geschichte zwischen später Jugend und jungem Erwachsensein.

Eben dieses Potential nutzt «Partnertausch»-Regisseur Schmidt in voller Gänze aus: Kostüme und Requisiten wirken wie direkt aus den 1960er-Jahren entnommen. Kameramann Hannes Hubach («Der Wagner-Clan. Eine Familiengeschichte») hüllt das sommerliche Ostsee-Küstendorf mehrmals in das blässliche Gelb, das für Strandszenen in Filmen jener Zeit so typisch ist. Und der Soundtrack ist mit Oldies bespickt. Es mag etwas penetrant und klischeehaft sein, wenn der für Nostalgieszenen dank seines Einsatzes in «Zurück in die Zukunft» immer wieder genutzte Chordettes-Hit „Mr. Sandman“ die erste Rückblende dieses Films einläutet. Doch es ist effektiv – und die einzige derart offensichtliche Soundtrackentscheidung in «Schweigeminute», der auch auf sensibel-emotionale Orchestermusik von Gert Wilden Junior setzt.

In dieses die Handlung ästhetisch und atmosphärisch intensivierende Kleid gehüllt und in küstendörflich-pittoreske Schauplätze gebettet erzählt der Film diese schon so oft behandelte Geschichte der verbotenen Schüler-Lehrerin-Liebe mit einer würdevollen Abgeklärtheit. Die erotischen Ausrutscher zwischen dem 18-jährigen Christian und seiner neu an die Schule gekommenen Englischlehrerin Stella Petersen sind weder unzeremoniell-unbeholfen, noch werden sie als verrucht oder hochromantisch dargestellt – sie sind schlicht und schön. So lenkt Schmidt die Aufmerksamkeit weg vom Tabubruch einer Beziehung mit großem Altersunterschied, hin dazu, dass der von Jonas Nay mit minimalen Mitteln intensiv gespielte Christian eine erwachsene Liebesbeziehung anfangen möchte. Wie sich aber unvermeidlicherweise zeigt, ist er schlussendlich doch noch nicht vollauf reif dafür und selbstredend sind die Umstände ebenfalls ungelegen.

Julia Koschitz legt ihre Figur der Stella Petersen wiederum nicht als Verführerin oder unverantwortliche Pädagogin an, sondern als freigeistige, dennoch seriöse, junge Frau, die schlichtweg Gefallen an einem volljährigen Mann findet – der problematischerweise in ihren Unterricht geht. Koschitz‘ Spiel ist ruhig und warm, kann aber auch in autoritäre Härte umschlagen, wenn Christian im Unterricht zu weit geht. Durch das der Vorlage entnommene Konzept, die Geschichte in Rückblicken zu erzählen, die vor Christians innerem Auge während der längsten Minute seines Lebens aufblitzen, werden Koschitz‘ Figur und die gesamte Geschichte noch weiter vom Pathos einer Verbotenen-Liebe-Geschichte entrückt und in einen neuen Kontext gesetzt: Diese aufgrund des Timings problembehaftete Romanze steht nur stellvertretend dafür, wie subjektiv Zeit, die Suche nach „dem idealen Moment“ und das Heranwachsen sind.

Fazit: Bekanntes Motiv, bildhübsch, emotional ausgereift und smart umgesetzt: «Schweigeminute» ist eine starke TV-Adaption der berühmten Lenz-Novelle.

«Schweigeminute» ist am 31. Oktober 2016 um 20.15 Uhr im ZDF zu sehen.
30.10.2016 12:10 Uhr Kurz-URL: qmde.de/89057
Sidney Schering

super
schade

96 %
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Partnertausch Schweigeminute Zurück in die Zukunft

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