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Die Kritiker: «Zwei verlorene Schafe»

Eine unterbeschäftigte Schauspielerin soll einen schüchternen Priester coachen, damit der mitreißende Predigten hält. Nein, das ist keine neue Reality-Show von RTL, sondern ein Fernsehfilm des ZDF.

Cast & Crew

Vor der Kamera:
Andrea Sawatzki als Rebecca Fritz
Franz Hartwig als Thaddäus Gerlach
Steffi Kühnert als Sina
Oliver Breite als Michael Gerlach
Sandra von Ruffin als Isabelle Stanew
Margit Bendokat als Agnes Möller
Matthias Brenner als Hans Stanew

Hinter der Kamera:
Produktion: Hager Moss Film
Drehbuch: Edda Leesch
Regie: Sylke Enders
Kamera: Christian Pirjol
Produzentin: Carmen Stozek
Schauspielerei ist im Normalbetrieb kein einträglicher Beruf. Wer im Jahr zwanzig Drehtage für Fernsehserien zusammenkratzen kann, zählt bereits zu den überdurchschnittlich Beschäftigten und bemüht sich nichtsdestotrotz nach Kräften, wenigstens hin und wieder an Theatern unterzukommen. So auch Rebecca Fritz (Andrea Sawatzki), die das Budget strecken muss, um ihren erwachsenen Sohn mal zum Essen einladen zu können, und bei ihrer Mitbewohnerin mit sechs Monatsmieten in der Kreide steht. Die war auch mal Schauspielerin, hat das Geschäft aber schon vor langer Zeit verlassen und zieht nun mit einer Astrologie-Hotline den völlig Bekloppten das Geld aus der Tasche, während Rebecca sie dabei tatkräftig unterstützt.

Um für ihre Theaterrolle einer Pfarrerin zu recherchieren, nimmt sie Kontakt zu ihrem alten Schulfreund, einem evangelischen Bischof, auf, der prompt einige Synergieeffekte in dieser Konstellation ausmacht: Sein Sohn Thaddäus (Franz Hartwig) arbeitet mittlerweile als Pfarrer, predigt aber so scheußlich langweilig, dass ihm die Gemeinde davon läuft – mächtig peinlich für den Herrn Bischof. Rebecca soll bei Thaddäus hospitieren und ihn gleichzeitig coachen, damit der bald mit mitreißendem Duktus vor den Gläubigen auftreten kann. Gelingt ihr das, will er sie stattlich dafür bezahlen.

Es kommt, wie es in diesen Filmen eben so kommt: Die impulsive Lebenskünstlerin trifft auf den schüchternen Bubi, und am Ende findet Erstere in ein bisschen geregeltere Bahnen, während Letzterer sich Charisma, Enthusiasmus und Begeisterungskraft angeeignet hat – selbstverständlich über einen Exkurs in eine Liebelei, der Lebenskünstlerin Rebecca den Weg ebnet.

Will diese Reißbrett-Dramaturgie inhaltlich zumindest ein bisschen zünden, brauch sie starke Figuren, die auch jenseits ihrer überspitzten Klischees etwas zu sagen haben. Und genau hier scheitert «Zwei verlorene Schafe». Mit Ansage. Denn der Bubi ist freilich nicht nur ein bisschen schüchtern und tollpatschig, sondern eine hornbrillentragende Nulpe und eine Katastrophe auf der Kanzel, während die unterbeschäftigte Schauspielerin Rebecca Fritz vom Träumen und vom Weitermachen faselt und die vielen Rückschläge einfach ausblendet, anstatt – was dramaturgisch wesentlich ergiebiger gewesen wäre – mit ihrem Lebensweg in toto zu hadern.

Im Ergebnis steht ein Film, der nicht mehr zu sagen hat als das Offensichtliche, und der weniger reflektieren will als emotionale Impulse setzen. Vielen anderen Filmen mit ähnlichem Anspruch ist dessen Verwirklichung aber wesentlich besser gelungen; ganz zu schweigen von jenen, die im Motiv des vom Weg abgekommenen Priesters einen Ausgangspunkt für emotional einnehmende und intellektuell ergreifende Stoffe finden. Filmempfehlung am Rande: John Huston, „Die Nacht des Leguan“, USA 1964.

Das ZDF zeigt «Zwei verlorene Schafe» am Donnerstag, den 20. Oktober um 20.15 Uhr.
19.10.2016 12:09 Uhr Kurz-URL: qmde.de/88811
Julian Miller

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Zwei verlorene Schafe

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