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«Curvy Supermodel»: RTL IIs schmaler Grat zwischen Trend und «Popstars»-Falle

Die neue Casting-Show bemühte sich sehr darum, mit dem Stichwort curvy Abgrenzung gegenüber gängigen Model-Suchen zu betreiben - ähnelte diesen aber strukturell gleichzeitig sehr stark. Zu sehen war ein angenehmes, nicht unsympathisches Format, dem der ausstrahlende Sender zum Verhängnis werden könnte.

Da hatte man bei RTL II wohl kalte Füße bekommen: Ursprünglich war der Start von «Curvy Supermodel» bereits für den Dienstagabend angesetzt, was von vornherein mutig erschien, wäre man doch gegen den VOX-Superhit «Die Höhle der Löwen» ins Rennen gegangen. Nachdem besagte Löwenhöhle aber in Staffel drei einen unverhofften Höhenflug in Bereiche von senderhistorischen Ausmaßen startete, bekamen die Programmplaner dann doch kalte Füße und verschoben das Format lieber auf den - zumindest an fußballfreien Tagen - vergleichsweise konkurrenzarmen Mittwoch. Eine gute Entscheidung, wie sich nach Sichtung der ersten Folge herausstellt, denn dank der dezenten und seriösen Aufmachung dürfte es durchaus Schnittmengen bei der angesprochenen Zielgruppe beider Shows geben. Zwei andere Faktoren aber bleiben problematisch: Der ausstrahlende Sender, der mit einem leise daherkommenden Casting-Format vor nicht allzu langer Zeit schon einmal eiskalt baden gegangen war. Und die letztlich doch recht gewöhnliche Struktur des Neustarts, der sich leider nicht über ein Innovatiönchen hinaus wagte.

Gesucht wird über die zunächst recht überschaubar anmutende Zahl von fünf Episoden ein neues Model, das explizit nicht den vermeintlichen Normen der Industrie entspricht: Schon kurvig sollte die neue Vorzeige-Dame sein, dabei aber bitte "nicht aussehen wie ein Wackelpeter", wie Jury-Mitglied und Modelagent Ted Linow klarstellt. Ihm zur Seite steht neben Tänzerin Motsi Mabuse und das Curvy-Supermodel Angelina Kirsch auch Paradiesvogel Harald Glööckler - was sich im Zuge der Talentfindung noch als cleverer Schachzug herausstellen soll, divergieren die Ansichten der beiden Herren doch mitunter ziemlich stark und sorgen für reizvolle Diskussionen. Einen Skeptiker kann sich die Dame auf dem Laufsteg aber zumindest in der Casting-Runde leisten, denn auch mit "nur" drei von vier Fürsprechern ist der Einzug in die nächste Runde möglich.


«GNTM» in lieb und nett? - Innovationen bleiben noch aus


Eben jenem ersten Casting, aus dem letztlich 21 junge Frauen erfolgreich hinausgehen, widmet die gut zweistündige Premiere dann auch beinahe drei Viertel der Sendezeit, bis dann im letzten Viertel weiter ausgesiebt wird: In einem Gruppen-Fotoshooting mit einem (schlanken) Mann kann sich letztlich nur die Top Ten durchsetzen, auf die dann in den kommenden vier Wochen der Fokus liegen wird. Man kann nur hoffen, dass sich die Macher hierfür ein paar Dinge mehr ausgedacht haben, die es so in der Form noch nicht bereits in etlichen anderen Castings zu sehen gab - denn daran mangelte es am Mittwoch vor allem: Einfallsreichtum und Innovation.

Während nämlich insbesondere die Juroren bei jeder sich bietenden Gelegenheit darauf verwiesen, wie andersartig doch die Herangehensweise hier sei, bekommt der Zuschauer letztlich ein Konzept geboten, das er eben doch schon zur Genüge kennen dürfte: Mädchen gehen über den Laufsteg, hören sich das Jury-Urteil an und kommen eine Runde weiter oder nicht. Danach wird in Form eines Foto-Shootings weiter ausgesiebt, für die kommende Woche ist das bei «Germany's Next Topmodel» für seine hysterischen Kreischanfälle berühmt-berüchtigte Umstyling angekündigt und einen Ausblick auf einen wirklich interessant klingenden Programmpunkt, bei dem man sich nicht in etwa ausmalen kann, wie er grob ablaufen dürfte, bleibt man uns bisher noch schuldig. Nun muss man gewiss nicht das Rad ständig neu erfinden und ein methodisches Feuerwerk nach dem anderen zünden, aber ein wenig enttäuscht es eben schon, wenn man an so vielen Stellen das Gefühl vermittelt bekommt, man bekomme hier ein netteres «GNTM» zu Gesicht.


Wer soll das eigentlich sehen?


Wobei "nett" hier keineswegs nur negativ konnotiert zu verstehen ist: Strukturell hat «Curvy Supermodel» zwar kaum was zu bieten, ist dafür aber in einer anderen Beziehung eine echte Wohltat für jeden Menschen, der seine abendliche Unterhaltung nicht mit einer quiekenden Despotin auf dem Königsthron verbringen möchte, die über sich gegenseitig kalkuliert angiftende dürre Zicken urteilt. Der Umgangston ist hier nämlich schon ein deutlich anderer - im Sinne von konstruktiver, wertschätzender und innerhalb der Jury auch weitaus gleichberechtigter. So mit gegenseitigem Respekt und Anstand, so richtig linksgrünversifft eben, fast komplett ohne Gepolter und der Stereotypisierung, die sich ProSieben mit seiner Model-Show berechtigterweise immer wieder vorwerfen lassen muss. Aber - das ist die andere, bittere Seite der Medaille - die besagte Model-Show eben auch sehr erfolgreich gemacht hat, während andere Genre-Vertreter mit einer weniger fragwürdigen Ausrichtung schon längst wieder in den Untiefen des TV-Nirwanas verschwunden sind.

Und genau hier schließt sich die vielleicht wichtigste Frage an: Gibt es genug Menschen, die sich solch eine Sendung ansehen wollen? Auf RTL II, das vor einem guten Jahr mit einer ähnlich angenehm aufgemachten, aber wenig innovativen und letztlich auch etwas drögen «Popstars»-Neuauflage völlig in die Nesseln gesetzt hatte? Denn im Gegensatz zu den «Löwen», zu «Sing meinen Song» oder «The Voice», die als leuchtende Gegenbeispiele dafür gelten können, dass man seinem Publikum zwingend aufdringliches Geschrei und Drama anbieten muss, hat die neue Model-Suche eben nicht diese konzeptionelle Eigenständigkeit vorzuweisen, keinen dramaturgisch spannenden Kniff wie die "Blind Auditions", keine nie da gewesene Lagerfeuer-Atmosphäre mit nationalen Top-Musikern und auch kein im Fernsehen vernachlässigtes Thema wie die Unternehmens- und Gründerkultur.

Wie hat euch der Auftakt von «Curvy Supermodel» gefallen?
Sehr gut, ich freue mich schon auf die weiteren Folgen.
29,9%
War in Ordnung, da kann man zumindest mal reinschauen.
29,9%
Ganz mies, das muss ich nicht noch einmal sehen.
10,2%
Habe es (noch) nicht gesehen.
29,9%


Fazit


Unterm Strich muss «Curvy Supermodel» darauf hoffen, dass die Suche nach einem fülligeren Model so viele Klappergestell-Gelangweilte vor die Fernseher lockt, dass trotz des bedauerlicherweise vorherrschenden konzeptionellen Konservatismus genug Menschen an dem televisionären Findungsprozess interessiert sind, um die Sendung zum Erfolg zu machen. Man verlässt sich sehr stark darauf, dass "curvy" als Marke und Botschaft eines modernen, weniger nach plumpen Oberflächlichkeiten und überzeichneten Idealmaßen gierenden Frauenbildes den Zeitgeist auf den Punkt trifft und hat Protagonisten und Fernsehmacher arbeiten lassen, die diese Philosophie augenscheinlich auch wirklich leben. Auch wenn man natürlich die Frage aufwerfen kann, ob die Oberflächlichkeit denn nicht erst dann besiegt ist, wenn fülligere und dünnere Damen in ein und derselben Show auftreten können, ohne dass hier die Körpermaße zum Faktor werden, geht die Grundintention in jedem Fall in eine angenehmere Richtung als beim Platzhirsch des Model-Castings. Nur ob das reicht, um das RTL-II-Publikum mitzureißen? Fraglich. Vielleicht hätte man sich auch an anderer Stelle etwas mutiger zeigen sollen, gegen vermeintliche ungeschriebene Gesetze zu verstoßen.
06.10.2016 00:00 Uhr Kurz-URL: qmde.de/88536
Manuel Nunez Sanchez

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Curvy Supermodel Die Höhle der Löwen GNTM Germany's Next Topmodel Löwen Popstars Sing meinen Song The Voice

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Es gibt 3 Kommentare zum Artikel
Gnutzhasi
06.10.2016 09:51 Uhr 1
The Voice und kein Geschrei ? Nimmt sich schlußendlich nicht so viel von DSDS ! Für Geschrei sorgt bei Curvy leider die Mabuse. Ansonsten war das recht professionell.
Fernsehfohlen
07.10.2016 13:40 Uhr 2


Worauf beziehst du dich denn bei "kein Geschrei"? Was die Publikumsreaktionen angeht, würde ich dir zustimmen, dass sie (vor allem in den Blind Auditions) mitunter da ähnlich übertrieben und dauer-euphorisiert daherkommen, was aber den Umgang der Kandidaten miteinander und den Sachlichkeitsgrad der Jury-Urteile bezüglich der Performances angeht, ist "The Voice" da doch ein deutliches Stück sachlicher und weniger auf Krawall gebürstet.
Gnutzhasi
10.10.2016 16:33 Uhr 3
Ich denke da an Nena, das Silbermond-Teil etc. Die männlichen Teilnehmer in der Jury waren allerdings ruhiger.
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