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Die Kritiker: «Tatort - Der König der Gosse»

Besser als die durchwachsene Auftaktfolge, aber immer noch zu viel More of the Same. Unsere Vorab-Kritik zur zweiten «Tatort»-Folge aus Dresden:

Cast & Crew

Vor der Kamera:
Alwara Höfels als Oberkommissarin Henni Sieland
Karin Hanczewski als Oberkommissarin Karin Gorniak
Martin Brambach als Kommissariatsleiter Peter Michael Schnabel
Jule Böwe als Wiebke Lohkamp
Arved Birnbaum als Hansi
David Bredin als Platte
Urs Jucker als Hajo Taubert

Hinter der Kamera:
Produktion: Wiedemann & Berg Television
Drehbuch: Ralf Husmann und Mika Kallwass
Regie: Dror Zahavi
Kamera: Gero Steffen
Produzentin: Nanni Erben
Es beginnt gewöhnungsbedürftig: Drei Obdachlose, ob vom Alkohol oder anderen Substanzen völlig neben der Spur, quatschen das aus der Auftaktfolge bekannte Gespann aus Henni Sieland (Alwara Höfels), Karin Gorniak (Karin Hanczewski) und Peter Michael Schnabel (Martin Brambach) an einem Tatort voll: Der Sozialunternehmer Hans-Martin Taubert sei von der Brücke gestoßen worden. Seit einiger Zeit habe er Drohmails erhalten und die Penner seien seine Security gewesen.

Das hat freilich nicht so funktioniert wie geplant, und nun wird Taubert mit schwersten Verletzungen in die Klinik abtransportiert. Ob er überleben wird, weiß man nicht. Doch schnell stoßen Sieland, Gorniak und Schnabel auf mögliche Feinde, die sich Taubert nicht nur in seiner Funktion als Sozialunternehmer gemacht hat, in der er für gutes Geld Obdachlose, jugendliche Kriminelle, Flüchtlinge und andere Mitbürger aus marginalisierten Gruppen in seinen Häusern untergebracht hat. Tauberts Bruder Hajo (Urs Jucker), zu dem das Verhältnis immer schwierig gewesen ist, schuldet ihm eine große Geldsumme und wird sie mit seinen zwielichtigen Geschäften nicht in absehbarer Zeit zusammenkratzen können. Das hat, so sagt es auch die Obdachlosen-Security aus, schon zu Spannungen zwischen den beiden geführt.

Als das Ermittlerteam beim schwerverletzten Taubert in der Klinik auftaucht, dröhnen dort gerade die Warnsignale. Jemand hatte sich an den Schläuchen und den medizinischen Geräten zu schaffen gemacht, offensichtlich um Tauberts Leben endgültig ein Ende zu setzen: Die «Tatort»-Gang kann Hajo und einen der Obdachlosen festsetzen; die beiden beschuldigen sich gegenseitig.

Privat macht Kommissar Schnabel (Sie erinnern sich aus der letzten Folge: der alte sexistische Mann von gestern, der gerne poltert, dass früher alles besser gewesen sei) einer Kollegin aus der Betrugsabteilung Avancen, die den Mordermittlern ein bisschen zuarbeitet, während die alleinerziehende Gorniak ihren in Schwierigkeiten geratenen Teenagersohn bei den Kollegen raushauen muss und Sieland sich von ihrem Partner zunehmend entfremdet.

Zumindest diese Nebenhandlungsstränge im privaten Umfeld der Hauptfiguren sind in „Der König der Gosse“ auch für «Tatort»-Verhältnisse etwas generisch gewählt. Umso auffallender ist die flapsige, in ihrer Absurdität fast komödiantische Eröffnung, in der die drei angeschickerten Penner von einem Schnösel ein Handy erpressen, die Polizei rufen und die ankommenden Einsatzkräfte mit Unsinn zuquatschen.

Flapsig ist der Duktus auch an anderen Stellen, was dann oft weniger stört als in den ersten Szenen, in denen die Figuren unangenehm der Lächerlichkeit preisgeben. Gorniak und Sieland sind immer noch sehr damit beschäftigt, sich in zugespitzten Dialogen über ihre schwierigen privaten Lebenslagen auszukotzen: Doch die klingen nicht mehr so gewollt keck wie in der diesbezüglich eher misslungen Auftaktfolge, während alle drei (überlebenden) Hauptprotagonisten an Vielschichtigkeit gewinnen konnten und nun psychologisch sinniger und dramaturgisch interessanter geführt werden.

Trotzdem ist das immer noch zu viel More of the Same: Zu oft wenden sich Plots in beliebige Allgemeinplätze, zu oft mäandrieren sich die Dialoge in plumpe, uninspirierte Soundbites, zu fahrig, zu unglaubwürdig winden sich die Ereignisse, damit am Schluss das herauskommt, was man sich als Thema zum Anerzählen ausgesucht hatte: die entrückte Gerechtigkeit, in der ein Kind aus gutem Hause mit wesentlich mehr davonkommt als ein verwahrloster Penner, und die fehlende Solidarität innerhalb der marginalisierten, ausgegrenzten Gruppe, deren einzelne Mitglieder beim geringsten Anreiz wieder alles mitmachen, was dieser Staat und diese Gesellschaft von ihr fordern. Ein großes Thema soll im Kleinen erzählt werden – doch es ist vielleicht ein bisschen sehr groß für einen Sonntagabendkrimi, der nicht in Dortmund oder Wien spielt, und wird zu plump, zu aufgesetzt in diesen Stoff verwoben.

Das Erste zeigt «Tatort – Der König der Gosse» am Sonntag, den 2. Oktober um 20.15 Uhr.
30.09.2016 12:30 Uhr Kurz-URL: qmde.de/88418
Julian Miller

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Der König der Gosse Tatort Tatort – Der König der Gosse

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