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«Celebrity Deathmatch hits Germany»: Das große Promi-Sterben

Christian Richter erinnert an all die Fernsehmomente, die längst im Schleier der Vergessenheit untergegangen sind. Folge 323: «Celebrity Deathmatch hits Germany» - Die teuerste und brutalste Sendung von MTV, in der die größten deutschen Stars elendig verreckten.

Liebe Fernsehgemeinde, heute beschäftigen wir uns tatsächlich mal mit einigen Todesfällen.

«Celebrity Deathmatch hits Germany» wurde am 21. Juni 2001 auf MTV geboren und bildete die deutsche Variante der beliebten amerikanischen Serie, die in ihrem Heimatland bereits seit 1998 für viel Aufsehen gesorgt hatte. Schließlich traten darin Prominente in einem Boxring zu einem unerbittlichen und brutalen Kampf an, bei dem die abgerissenen Körperteile nur so umher flogen und das Blut literweise spritzte. Möglich war dies, weil in den Sequenzen die Stars nicht selbst, sondern ihre Abbilder als animierte Knetfiguren aufeinander losgingen.

Begonnen hatte der Hype am Neujahrstag 1998 in Form eines einmaligen Events, in dem der Musiker Marylin Manson gegen den Massenmörder Charles Manson antrat. Dieses Experiment fand einen derart großen Zuspruch, dass daraus bald eine eigene Reihe entstehen sollte, in der sich nun regelmäßig große Stars gegenseitig an die Gurgel gingen. So prügelte sich Jack Nicholson mit Leonardo DiCaprio, Sean Connery mit Roger Moore, die Beastie Boys mit den Backstreet Boys, Robert De Niro mit Al Pacino oder Hillary Clinton mit Monica Lewinsky. Dabei waren sämtliche Paarungen von Vorfällen, Berichten oder Meinungen aus der Klatschpresse inspiriert, welche zugleich die Dramaturgie der jeweiligen Kämpfe vorgaben. Spannend blieb stets, wer am Ende überlebte und folglich in der Gunst von MTV etwas höher stand. Die meisten Promis nahmen an all dem wenig Anstoß und freuten sich stattdessen über die damit verbundene Anerkennung, da eine Berücksichtigung in der Sendung schnell als Adelung und Beweis für die eigene Relevanz in der Zielgruppe galt.

Schon ein Jahr nach ihrer US-Premiere fanden die Knet-Animationen ihren Weg nach Deutschland, wo sie mit Untertiteln versehen am späten Abend bei MTV Germany zu sehen waren und sich ebenfalls in kürzester Zeit großer Beliebtheit erfreuten. Das war insofern wichtig, als dass sich der Kanal seit Jahren einen vergleichbar erbarmungslosen Zweikampf mit dem Konkurrenten Viva, um die Vorherrschaft auf dem deutschen Musikfernsehmarkt lieferte und schon seit Jahren stetig unterlag. Um auch in Deutschland endlich die weltweite Führung durchzusetzen, ordnete die damalige Geschäftsführerin Christiane zu Salm eine stärkere Orientierung des Programms am deutschen Markt an sowie eine Fokussierung auf ein reiferes Publikum, für das Viva zu bunt und flippig war.

Die Schwaben bringen alle um


Aus beiden parallelen Entwicklungen wuchs dann die naheliegende Idee, dass das deutsche MTV ein eigenes «Celebrity Deathmatch» brauche, in dem anstelle amerikanischer Promis heimische Stars gegeneinander kämpfen würden. Dafür holte man sich vom Mutterkonzern die offizielle Erlaubnis für die erste lokale Adaption des Konzepts und bezog sogar die Puppen aus den Original-Studios, die diese zuvor anhand von zugesandten Foto und Videomaterial modelliert hatten. Mit der Umsetzung dieses ambitionierten Vorhabens wurde das Stuttgarter Unternehmen „Film Bilder“ von Andy Kaiser beauftragt, der zugleich die Rolle des Regisseurs übernahm. Dort traf man in Abstimmung mit den Verantwortlichen von MTV ebenso die Entscheidung, welche deutschen Personen für die blutigen Schlachten geeignet waren. "Es sind Stars, die wir ausnahmslos sympathisch finden, die gut ins MTV-Programm passen und von denen wir sicher sein konnten, dass sie auch nach der einjährigen Produktionszeit noch wichtig sind", erklärte dazu Elmar Giglinger, Programmchef von MTV Deutschland, im Tagesspiegel. Letztlich fiel die Wahl unter anderem auf folgende Konstellationen:

Anke Engelke vs. Sabrina Setlur
Harald Schmidt vs. Stefan Raab
Stefan Kretzschmar vs. Mario Basler
Udo Lindenberg vs. Harald Juhnke
Michael Schumacher vs. Boris Becker
Campino vs. Bela B.
Herbert Grönemeyer vs. Marius Müller-Westernhagen
Sven Väth vs. Westbam
Thomas Gottschalk vs. Kai Pflaume
Xavier Naidoo vs. Thomas D.


Inwiefern Harald Juhnke „gut ins MTV-Programm passen“ würde, blieb genauso offen, wie die Frage warum Anke Engelke ausgerechnet gegen Sabrina Setlur antreten musste, die weder über eine gemeinsame Vergangenheit verfügten noch sich öffentlich gestritten hatten.

Um jeglichen juristischen Schwierigkeiten aus dem Weg zu gehen, versicherte Giglinger vorab, dass es in den Auseinandersetzungen „keine Tiefschläge geben“ werde. Stattdessen wären sie als ironische Überspitzungen zu verstehen, weswegen die Duellanten auch mit den typischen Waffen ihrer Branche antreten würden. Dementsprechend ließ der DJ Sven Väth einen Bombenhagel aus Ecstasy-Pillen auf Westbam niederregnen, zerquetschte Harald Schmidt seinen Widersacher Stefan Raab mit seinem großen Gehirn, schlug Harald Juhnke auf Udo Lindenberg mit einer Schnapsflasche ein, bekam Xavier Naidoo sein Weihrauchfass von Thomas D in den Hals gesteckt und überfuhr Michael Schumacher seinen Gegner mit einem dornenbestückten Go-Kart. Wo also das amerikanische Original trotz seiner Derbheit mit unterschwelligem Humor glänzte, suhlte sich der deutsche Abklatsch in den plattesten und abgedroschensten Klischees.

Mit fliegenden Brüsten und toten Hosen


Dass sich Sabrina Setlur und Anke Engelke wiederum keifend in einem großen Schlammbad raufen mussten und sich gegenseitig ihre Brüste abrissen, hatte wenig mit ihren jeweiligen Persönlichkeiten zu tun, als vielmehr mit der schlichten Tatsache, dass sie die einzigen Frauen im deutschen Feld waren. Zu diesem Sexismus passte ebenso die Ankündigung des Kommentators: „Die beiden Kontrahentinnen wollen beweisen, was Wissenschaftler für unmöglich halten, dass schöne Frauen Qualität liefern können.“ Im Umkehrschluss nahm das Team während der Dreharbeiten aus Angst vor Fanprotesten Abstand von der ursprünglich geplanten Kastration von Campino und verpasst ihm deshalb doch keine buchstäbliche tote Hose. So kann Emanzipation auch verstanden werden.

Zu dieser schwachen Qualität trugen zusätzlich ein paar Änderungen am Format bei, die aus finanziellen und organisatorischen Gründen nötig waren. Dazu gehörte zuerst der Austausch des kultigen Kommentatoren-Duos Johnny Gomez und Nick Diamond durch den blassen Harry Huber, der anscheinend weniger amerikanisch und mehr deutschtümelnd wirken sollte. Fataler erwies sich die Entscheidung, die Begegnungen auf anderthalb Minuten zu verkürzen, wodurch es überhaupt nicht möglich war, eine halbwegs sinnvolle Dramaturgie aufzubauen. Zum Vergleich, in der Vorlage dauerten die Kämpfe in der Regel sieben Minuten.

Am Ende entstanden auf diese Weise elf kurze Filme, die lediglich eine kombinierte Gesamtlänge von einer knappen Viertelstunde hatten. Und dennoch entwickelte sich das Projekt mit seiner Entstehungszeit von über einem Jahr, der Beteiligung von rund 30 Animatoren und einem Budget von mehreren Hundertausenden D-Mark laut Elmar Giglinger zur „aufwändigsten und teuersten Produktion“, die der Sender „je auf dem Schirm“ hatte.

Stell‘ Dir vor, es ist Skandal und niemanden interessiert‘s


Angesichts dieses Aufwands war es nötig, dass die Show möglichst viel Aufmerksamkeit in der Presse erzeugte. Wohl deshalb entschied man sich neben all den Film-, Fernseh- und Musikstars mit Bundeskanzler Gerhard Schröder und Außenminister Joschka Fischer auch zwei amtierende Politiker gegeneinander antreten zu lassen. Auf diese Weise konnte man sich abseits der Jugendpresse einiger Berichte gewiss sein, gab es doch zwei Jahre zuvor bereits eine breite öffentliche Diskussion, um den Auftritt einer Handpuppe in der Gestalt von Schröder in der Erotikshow «Peep!». Diese war mit Brustpiercings und Sado-Maso-Klamotten versehen, berichtete über das angebliche Sexleben des Kanzlers und brachte dadurch die müßige Frage nach der Grenze von Satire erneut auf. Und davor sorgte die RTL-Serie «Wie war ich, Doris?» für einen ähnlichen Rummel, in der Gerhard Schröders Ehe-Alltag zum Gegenstand einer Sitcom erhoben wurde.

Anfangs schien die Rechnung aufzugehen, denn schon zwei Monate vor der Ausstrahlung tauchten die ersten Schlagzeilen auf, welche die Sendung als „mörderisches und blutiges Puppen-Massaker, das kein Mensch überlebt“ beschrieben. Bloß wollten weder Gerhard Schröder noch das Kanzleramt diesmal auf die Provokation anspringen. Wie Giglinger selbst berichtete, habe es zwar ein Telefonat mit dem Kanzleramt gegeben, dieses wäre aber im „beiderseitigen Einverständnis“ beendet worden. Vielmehr sei man dort gespannt gewesen, wie das Resultat aussehen werde. Nur Peter Struck, der damalige Fraktionsvorsitzende der SPD, ließ sich diesbezüglich zu einer Aussage verleiten: “Es gibt offenbar immer noch Möglichkeiten, schlechten Geschmack im Fernsehen zu unterbieten.“ Einzig dieser allgemein gehaltene Satz ließ sich anschließend in ausnahmslos jedem Bericht finden und sollte die angebliche Kontroverse um das Format belegen.

Letztlich stellte sich das Ergebnis wie so oft als harmlos heraus. Der eigentliche Fight war ebenso lieblos und flach wie die anderen deutschen Duelle. Zunächst bewarfen sich die beiden Volksvertreter gegenseitig mit Zigarren und Steinen, bis ein damals politisch viel diskutierter Eurofighter die Angelegenheit kurzerhand beendete. Auch in diesem Segment zeigte sich, wie stark das Gefälle zwischen Kopie und Original war. Sogar unter den jugendlichen MTV-Zuschauern fanden die einheimischen Kloppereien kaum einen Anklang, wie sich noch heute in zahlreichen Foreneinträgen nachvollziehen lässt.

Der erhoffte Impuls verpuffte angesichts dieser Mängel schnell und konnte MTV nicht den benötigten Vortrieb bescheren. Das lag nicht zuletzt daran, dass man sich entschied, sämtliche deutsche Ausgaben im Rahmen einer Sonderprogrammierung innerhalb einer Stunde zu versenden. Danach versteckten sich die kurzen Clips zwischen den weiterhin laufenden regulären Ausstrahlungen, verschwanden aber dort recht schnell wieder. In den USA wurde die Produktion von den Vorfällen in Deutschland ungestört noch bis ins Jahr 2002 fortgesetzt, bevor sie einer verstärkten Konzentration auf Reality-Reihen vorerst zum Opfer fiel. Allerdings erwies sie sich als derart populär, dass sie zwischen den Jahren 2006 und 2008 eine Wiederbelebung für zwei weitere Staffeln erfuhr. Dies sollte jedoch nicht ihr letztes Lebenszeichen sein, da im Zuge einer erneuten Rückbesinnung auf frühere Hits das amerikanische MTV im April 2015 ankündigte, abermals neue Folgen herstellen zu lassen. Planungen für weitere deutsche Varianten waren indessen nie damit verbunden.

Möge die Show in Frieden ruhen!

Die nächste Ausgabe des Fernsehfriedhofs erscheint am Donnerstag, den 13. Oktober 2016.
29.09.2016 11:05 Uhr Kurz-URL: qmde.de/88396
Christian Richter

super
schade


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Celebrity Deathmatch Celebrity Deathmatch hits Germany Fernsehfriedhof Peep! Wie war ich Doris?

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