„Ist doch alles nur Spaß“, wiegeln die Einen ab. „Das ist herabwürdigend“, klagen die Anderen an – und werden daher als Spaßpolizei bezeichnet. Gehen Comedyfilme nur mit Beleidigung? Ein Statement.
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Ich mache mir Sorgen wegen Robert. Er verschafft mir ordentlich Kopfzerbrechen. Und dabei ist er nicht einmal echt. Also, er ist schon echt. Er heißt nur nicht Robert. Er hat viele Namen. Robert ist ein Amalgam verschiedener Freunde, Bekannte und Kollegen. Und dieser Robert ist eigentlich eine ganz nette Type. Bis er bei Facebook die Hitliste der
zehn 80er-Komödien, die heute nicht mehr gemacht werden können teilt und mit dem Kommentar „Weil Filmemacher heute alles Pussys sind“ garniert. Oder wenn er in ein Gespräch über die Komödien des bisherigen Jahres poltert: „Alles Scheiße, weil viel zu glattgebügelt! Alle haben Panik, mit Witzen aufzuregen, was soll das?!“
Robert ist sonst eine aufgeschlossene und reflektierte Person. In Gesprächen über Politik würde er niemals einen auf Donald Trump machen, irgendwelche demografischen Gruppen beleidigen und dann die Schnute verziehend, mit den Schultern zuckend in die Runde gucken: „Das wird man ja wohl mal sagen dürfen!“ Und noch viel weniger würde er im hetzerischen AfD-Duktus klagen: „In meinem Land kann ich nicht mehr sagen, was ich will, und das muss sich ändern, liebe Blutsbrüder!“ Wirklich. Robert ist vollkommen dufte. Nur sobald es darum geht, wie in fiktionalen Medien gescherzt werden sollte, fabriziert er Unsinn wie: „Also
ich habe mich noch nie wegen eines Films gekränkt gefühlt, also sollen sich die ganzen Frauen und Schwarzen und Schwulen mal nicht so anstellen!“ Oder: „Ich bin ja voll für ‚Gleiche Rechte für jeden‘, aber lasst mir meine Filme endlich in Ruhe! Da ziehe ich die Grenze!“
Das Imageproblem: Es gilt als lahm, nett zu sein
Ich fürchte (oder hoffe?), dass Robert nicht aus Überzeugung solch ein Humor-Nazi ist. Ich hoffe (fürchte?), dass er naiv darauf reinfällt, wie der Diskurs über mediale, politische Korrektheit gemeinhin aufgezogen wird. Denn die Charakterschwein-Seite der Debatte hat einfach das unterhaltsamere Auftreten. Wer will schon stundenlang
Bechdel-Test-Ergebnisse studieren, wenn er den Gesichtszirkus eines Donald „Lasst mich sagen, was mir in den Sinn kommt!“ Trump bestaunen kann?
Haare spalten oder haarsträubend eigensinnig sein? Letzteres wirkt einfach cooler! So lassen sich leider viele von der „Lass mich doch meine kleinen Witzlein machen!“-Seite einlullen. Wie Robert: „Wenn ich anfangen muss, darüber nachzudenken, ob ich einen homophoben Witz machen darf, dann habe ich ja gar keinen Spaß mehr!“ Hut ab, liebe „Politisch korrekt ist langweilig!“-Lobby. Ihr habt es geschafft, dass selbst nette Menschen dafür argumentieren, gemein sein zu dürfen. Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen: Es ist angeblich unlustig, für weniger Gemeinheiten zu sein.
Es ist kein Kampf für weniger Gags, sondern einer für mehr Spaß an Comedy
Dieses „Jetzt lasst uns einfach! Was ist schon schlimm daran?!“-Denken ist einfach absurd. Noch schlimmer ist, dass jene, die gegen Mobbing-Humor sind, als Spielverderber gelten. Sich gegen homophobe, frauenfeindliche, rassistische oder sonstwie abwertende Witze auszusprechen, bedeutet nicht, gegen Spaß zu sein. Es bedeutet, gegen
schlechte Späße zu sein.
Es fängt schon in unser aller Alltag an. Robert und ich sitzen mit einer Handvoll Freunde in einem Restaurant, warten darauf, dass die Bedienung endlich auftaucht und unsere Bestellung aufnimmt. Der Diskussionsstoff scheint aufgebraucht. Irgendwer schlägt vor, dass wir uns Witze erzählen könnten. Robert packt die Gelegenheit beim Schopfe: „Was macht eine Blondine wenn sie zu viel Wasser gekocht hat? Naa? Naaa?? Naa??? Ganz einfach: Sie friert es ein, denn heißes Wasser kann man immer gebrauchen!“ Das Ergebnis dieses vermeintlichen Superbrüllers: Dahin gegähnte „Hö … hö … hööööä“-Lacher.
Und das ist ein Problem mit diesem Humor, das nicht genug besprochen wird: Selbst in einem apolitischen Vakuum ist dieser Witz schlecht. Er ist abgedroschen, vorhersehbar und austauschbar. Praktisch jeder Blondinenwitz, Ostfriesenwitz und jeder ach-so-subversive Männerwitz, der nach zehn Blondinenwitzen in gemischter Runde als vermeintlich geniale Rache von den anwesenden Frauen erzählt wird, läuft auf eine von Beginn an angekündigte Pointe hinaus: „Harr, harr, harr, wow, die Gruppe, zu der ich nicht gehöre, ist abartig dumm!“ Das ist schlicht und ergreifend nicht besonders komisch.
Nun leben wir obendrein nicht in einem apolitischen Vakuum. Klar, ich würde niemals behaupten, dass ein einzelner Blondinenwitz jemandes Leben zur Hölle macht. Nur bleibt es nicht bei einem. Wohl fast jede Blondine kann also ganze Bände mit ihren Erfahrungen füllen: Von Pausenhofgesprächen, gemütlichen Cocktailrunden und entspannten Grillabenden, die irgendwann in Blondinenwitzgefechte mündeten. Stets gepaart mit beschwichtigenden Kommentaren: „Ach, du weißt doch, dass wir das nicht so meinen.“ „Wir denken nicht
wirklich, Blondinen sind dumm.“ „Jetzt guck nicht so beleidigt. Wir meinen ja nicht
dich!
Du bist nicht doof.“ „Ich weiß auch nicht, wieso es immer Blondinenwitze sind, aber nimm es nicht persönlich, die Witze handeln halt von Blondinen. Ist doch alles harmlos!“
Liebe Geschlechtsgenossen. Und ja, ich adressiere gezielt euch, weil ihr es in gefühlt neun von zehn Fällen seid, die mit den Blondinenwitzen ankommen: Ja, ihr meint es nicht so. Und ihr habt sie irgendwo aufgeschnappt und die Pointe ist ja so putzig und so weiter. Mag ja alles sein. Aber würde es euch nicht ankotzen, alle paar Wochen auf einer Feier mit höchster Selbstverständlichkeit Witze zu hören wie die nun folgenden?
„Warum trinken dicke Männer jeden Tag ein Glas 'Fairy Ultra'? Weil es das kleine Wunder gegen Fett ist!“
„Wie nennt man das, wenn ein Mann dem anderen ins Ohr pustet? Datentransfer!“
„Warum macht der Mann das Fenster auf? Damit er sehen kann, was dahinter ist!“
„Wie nennt man einen Mann mit Grips im Kopf? Eine Frau!“
„Was ist ein Mann ohne seinen Schwanz? Dumm
und unfickbar!“
„Was stinkt, kann nicht denken und findet sich selber supergeil? Ein Mann!“
„Wie nennt man einen Mann in Salzsäure? Ein gelöstes Problem!“
So, und das Spiel spielen wir nun noch zehn, zwanzig, dreißig, vierzig Jahre weiter. Erwartet bloß nicht, dass die Gags mit der Zeit besser werden! Es geht bei diesen Witzen nie um eine smarte Wende, sondern allein darum, eine Abgrenzung zu machen. Meistens läuft es auf „Haha, dumm!“, manchmal auch auf „Bah, wie eklig“ oder „Tz, wie minderwertig!“ hinaus. Na, hübsche Vorstellung? Tja …
Das ist Humor, der nur auf Feindseligkeit beruht. Und nun kommt der große Schocker: Wer kein normalgewichtiger, heterosexueller, weißer Mann mit gesellschaftlich angesehenem Beruf ist, wird diese Art von Humor nicht bloß in flachen, „Ach, komm, ist doch nur ein Spaß!“-Partywitzlein erdulden müssen. Sondern obendrein in einer schier endlosen Parade an Stand-up-Auftritten, Fernsehserien und Kinofilmen.
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30.08.2016 12:20 Uhr 1