Die guten Zeiten sind vorbei
Cast & Crew
- Regie: Peter Atencio
- Drehbuch: Dave Callaham
- Produzenten: David W. Zucker, Ridley Scott, Jean-Claude van Damme u. a.
- Musik: Joseph Trapanese
- Darsteller: Jean-Claude Van Damme, Kat Foster, Moises Arias, Phylicia Rashad u. a.
Ein Mann, der kaum mehr als Schatten seiner selbst durchgeht. Ein Mann, der sich in seinem zynischen, lebensverneinenden Anfangsmonolog wie ein Bruder von Kevin Spaceys Lester Burnham aus «American Beauty» inszeniert, und dabei offenlegt, wie wenig er sich selbst ernst nehmen oder ertragen kann. Ein Mann, der in seiner feudalen aber auch tristen Villa umgeben von Produkten seiner eigenen Kollektion dahinvegetiert, jedoch mit einem kleinen Elektroroller zur Straße fahren muss, um seine Zeitung mit einem Teleskopgreifer aufzuheben.
Nein – dieser Mann kann doch nicht wirklich der einst gefeierte Actionheld Jean-Claude van Damme sein? Als er später mit Cap, Brille und Dreitagebart in einem Diner sitzt, verwechselt ihn der nerdige Kellner dann auch glatt mit einem anderen gescheiterten Ex-Star: Nicholas Cage. Nur um kurz darauf noch einen nachzulegen, und den ebenfalls abgehalfterten Val Kilmer in ihm zu erkennen glaubt.
Van Damme spielt die frustrierte Version seiner selbst mit lakonischem Charme und kaum erkennbaren Regungen. Diese reichen jedoch aus, um den Ton der Serie perfekt zu setzen. Hier hat jemand größten Spaß daran, sich und sein wirkliches Leben genüsslich zu sezieren und durch den Kakao zu ziehen.
Der hier gezeigte Van Damme hat sich inzwischen vollständig aus dem Showgeschäft zurückgezogen und trauert verweichlicht und um Jahre gealtert seiner Ex-Flamme hinterher. Als diese ihn in besagter Diner-Szene erneut abblitzen lässt und zu einem Auftrag nach Bulgarien aufbricht, beschließt van Damme sein Leben neu zu justieren – und seinen Ruhestand zu beenden.
Direct-to-Oblivion
Zugestanden – man muss in den Achtzigern und Neunzigern schon ein ausgeprägtes Faible für das Genre besessen haben, um freiwillig mehr als einen Film mit Michael Dudikoff, Dolph Lundgren, Jean-Claude van Damme oder ähnlichen Null-Mimen der guten alten Ära simpler Hau-drauf-Stoffe zu konsumieren. Für die verschiedenen Akteure waren diese zwei Jahrzehnte mehrheitlich die beste Zeit – danach ging es über kleinere Rollen, B-Movies oder Direct-to-DVD-Produktionen langsam aber sicher dem Ende entgegen.
Auch besagter Jean-Claude van Damme hatte seine Zeit im Rampenlicht genau zu dieser Zeit. «Bloodsport», «Universal Soldier», «Timecop» oder «Street Fighter» blieben im Gedächtnis. Dann jedoch dauerte es bis ins Jahr 2012, als man ihn für «The Expendables 2» und somit für die große Leinwand wiederentdeckte und gar in zwei «Kung Fu Panda»-Filmen Synchronarbeit verrichten ließ. Dennoch: Van Damme war festgelegt und konnte einfach nicht aus den engen Fesseln seiner Rollenklischees ausbrechen – mit einer Ausnahme: Als er 2008 im belgischen Crime-Drama «JCVD» als leicht entrückte Version seiner selbst mitwirkte und damit nicht nur Kritiker überzeugte, legte er in gewisser Weise das Fundament für die nun vorliegende Serie.
Altersweise, Altersmilde, Altersgut
Somit könnte man annehmen, die Serie folge einem alternden Ex-Hollywood-Star zurück in die große Maschinerie des Filmemachens – auf der Suche nach sich selbst und seiner großen Liebe. Alleine diese Versatzstücke hätten vermutlich ausgereicht, um Gedanken an Hank Moody (auf seinem ewigen Weg zurück zum Erfolgsautor und dem Kampf um seine große Liebe) aufkommen zu lassen.
Die Produzenten ließen es sich jedoch nicht nehmen, noch ein zweites Versatzstück in den Mix zu werfen, das zwar ebenfalls nicht neu ist, hier aber durch die Vermengung mit einer realen Person einen ganz eigenen Charme entwickelt: Wir erfahren, dass Jean-Claude van Damme neben seiner Betätigung als Schauspieler schon lange als eine Art Spezialagent aktiv war – und seine Filmkarriere somit stets vornehmlich als Tarnung benutzte. Herrlich verrückt. Sicher werden an dieser Stelle dann auch Assoziationen zu «Chuck» geweckt. Die Story um den tölpelhaften Computerspezialist, der unfreiwillig in Spionagegeschichten gezogen wird, fortan ein Doppelleben führt und um die Gunst seiner Kollegin buhlt, klingt dem Setting von «Jean-Claude van Johnson» definitiv nicht unähnlich.
What can we do to make it fly?
Die Frage, ob ein derartiges Konzept in Serienform tragfähig ist, darf sicherlich gestellt werden. Was geschieht, wenn man einen Protagonisten über Jahre hinweg letztlich erfolglos hinter der gleichen Frau herlaufen lässt (siehe erneut «Californication» oder «Chuck») ist bekannt. Die Muster wiederholen sich, die Vorgänge büßen drastisch an Relevanz ein.
Diese Story alleine wird die Show also nicht tragen können, taugt aber immerhin als emotionaler roter Faden – zeigt van Damme in der sensiblen letzten Szene des Piloten doch, wie tief dieser Verlust ihn bewegt. Nebenbei ein auch schauspielerisch überraschend starker Moment.
Viel eher könnte das Augenmerk auf die Traumfabrik Hollywood gerichtet werden. Der Start mit dem herrlich verdrehten Remake von «Tom Sawyer und Huckleberry Finn» machte da bereits einen guten Anfang. An dieser Front könnte van Damme von einem filmischen Desaster ins nächste taumeln und dabei den einen oder anderen faustdicken Seitenhieb und bissigen Kommentar auf die Probleme des heutigen Filmgeschäfts verteilen. Es gibt doch bestimmt irgendeinen Historienfilm über die Sklavenbewegung, in dem alle farbigen Charaktere mit Weißen besetzt wurden?
Zudem kann man selbstverständlich auch weiterhin van Dammes Kernkompetenz nutzen und ihn krachende Spezialeinsätze mit irren Stunts, Humor und coolen Sprüchen rund um den Erdball erleben lassen.
Auch die persönliche Geschichte des Hauptdarstellers könnte man in Rückblenden ausloten, die Emotionalität der Figur ergründen und im Bereich Humor auch weiterhin seine eigenen filmischen Werke zitieren, nachstellen und persiflieren. Auftritte prominenter Gaststarts als sie selbst in van Dammes Filmen oder anderem Kontext sind zudem mehr als denkbar.
Potential ist mehr als genug vorhanden. Wenn das Produzententeam darf, will und kann haben wir es hier mit einem echten Überraschungshit zu tun.
Fazit
Amazon hat endlich einmal richtig geliefert: «Jean-Claude van Johnson» erfindet zwar gar nichts neu, erfrischt aber mit einem unterhaltsamen Flickenteppich und einem herrlich selbstironischen Star. Die Optik ist edel und hochwertig, die Zitierfreude und die vielen Anspielungen treffsicher. Sollte diese Perle von den Zuschauern grünes Licht erhalten und Amazon in Serie gehen, wäre das ein tolles Geschenk für die Fans und Jean-Claude van Damme. Auf in den zweiten Frühling!
Der Pilotfilm steht bei Amazon Prime im Rahmen der diesjährigen Pilotseason zum Abruf bereit. Wahlweise mit Untertiteln.
Es gibt 12 Kommentare zum Artikel
31.08.2016 09:22 Uhr 10
Das habe ich nirgendwo geschrieben. Du interpretierst zu viel.
@kauai:
Es handelt sich dabei um eine subjektive These, die ich mir im Rahmen dieser Besprechung erlaubt habe - nicht um die Bibel. Dass mir persönlich Bosch und TMITHC nicht als absolute Volltreffer durchgehen ist eben auch nur subjektiv.
31.08.2016 11:02 Uhr 11
Ok, kann ich mit leben! Finde es allerdings etwas vorschnell, das schon nach nur einer Pilotepisode so zu formulieren. Warten wir Mal ab, wie sich das Ganze dann in Serie schlagen wird, falls es dazu kommt.
01.09.2016 10:37 Uhr 12