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«Follow us!»: Selfie, Hashtag, Usualness

Betont jung und modern möchte die neue ProSieben-Reportagereihe daherkommen. Das gelingt ihr zumindest auch - mehr als ein weiteres Privatsender-Magazin springt letztendlich dennoch nicht heraus. Da helfen auch all die Instagrams, Selfies und Hashtags nicht.

Quoten des ersten Teils der Wissensoffensive

  • «Uncovered»: 1,03 Mio. (5,1% / 11,2%) -> Schwankungen insgesamt recht hoch (zwischen schwachen 8,3% und tollen 14,4%)
  • «10 Fakten»: 0,74 Mio. (6,3% / 12,1%) -> Topstart mit der ersten Folge (15,1%), danach lagen die Zielgruppen-Werte in etwa auf «Uncovered»-Niveau
Durchschnittliche Werte der jeweils vier Folgen.
Sommerpause heißt insbesondere bei vielen Privatsendern, das Programm in den Standby-Modus zu schalten und das Publikum mit abgestandener Ware abzuspeisen. Bei ProSieben ist das in diesem Jahr zumindest am späten Montagabend gänzlich anders: Da «Circus HalliGalli» in der Sommerpause ist und «The Big Bang Theory» mit vier alten Folgen zur Primetime für die Programmverantwortlichen dann doch ausreichend präsent ist, versucht man sich in diesen Wochen mit dem ambitionierten Unterfangen, Dokus und Reportagen an den Mann zu bringen. In den vergangenen Wochen gelang dies erfreulich gut (siehe auch Infobox), nun sollen es drei Wochen lang zwei weitere Formate richten - «Inside» mit Stefan Gödde (lesen Sie hier unser Interview mit ihm) und dann gegen 23:15 Uhr eben «Follow us! Das ProSieben-Reportermagazin», das mit einem "unmittelbaren, ehrlichen und authentischen Storytelling" und einer Bildsprache, die "Hand-Made, direkt und oft in Selfie-Optik" daherkommt und mal wieder anders und irgendwie geiler sein möchte als alles, was es bislang so gab.

Nicht selten entpuppen sich solche Formulierungen in Pressetexten dann relativ schnell als Luftnummern für Formate, die de facto schlicht inhaltsleer und belanglos sind. Ganz so hart sollte man mit diesem Neustart vielleicht nicht ins Gericht gehen, doch von einem Meilenstein des dokumentarischen Narrativs ist man hier dennoch weit entfernt. Das Konzept: Vier junge Reporter im Alter zwischen 26 und 33 Jahren nehmen sich in jeder Folge je ein Thema vor, das sie dann "unter ihrem persönlichen Blickwinkel" behandeln wollen. Und so reist einer der Reporter nach Island, um einen der "Strongest Men" der Welt zu treffen, einer besucht einen jungen Südkoreaner, der Geld damit verdient, dass er live vor einer Online-Community Berge von Essen verputzt, eine Dame geht dem Phänomen "Rich Kids of Instagram" auf den Grund und im vierten und letzten Beitrag schließlich besucht eine weitere Reporterin eine texanische Ranch, auf der Tiere gegen Geld bejagt werden können.


Innovation? Bleibt aus. Inhalt? Naja.


Eine durchaus vielfältige Themenauswahl also, bei der man als Zuschauer gespannt darauf sein kann, ob und wie es den Machern gelingt, sie in irgendeinen Zusammenhang miteinander zu bringen. Ernüchternderweise stellt sich aber die Frage nach dem Wie erst gar nicht, da es am Ob schon scheitert: Das einzige verbindende Element der vier Reporter ist jenes, dass vor und hin und wieder auch während der Beiträge in einen Raum geschaltet wird, in dem sich das Quartett befindet. Von dem charmanten, aber viel zu selten eingesetzten Element abgesehen, dass sich die vier jungen Fernsehmacher ab und an über ihre Erlebnisse austauschen und einander Fragen stellen, ist die Sendung ansonsten mehr oder minder als typisches privates Magazin ohne Studio-Moderation zu bezeichnen.

Innovativ ist das Dargebotene also schon einmal eher nicht, aber wie sieht es denn inhaltlich aus? Nunja, durchwachsen. Auf der einen Seite hat man schon recht spannende Menschen mit interessanten Talenten und Tätigkeiten an Land gezogen, das muss man den Verantwortlichen lassen. Leider kommen sie aber kaum dazu, diese Basis für gewinnbringende Beiträge zu nutzen, die mehr als nur grobe und oberflächliche Einblicke ermöglichen. Kaum hat man mit den charismatischen Isländern zu sympathisieren begonnen, schon wird man nach Südkorea verfrachtet. Kaum beginnt man sich Gedanken über die ethischen Fragen zu machen, die im letzten Beitrag über die US-Ranch unumgänglich ist, schon setzt die Reporterin zum finalen Verbal-Zeigefinger an, dass man doch bitte nicht so doppelzüngig sein solle, das Abschießen von Tieren in Frage zu stellen, wenn man selbst weiterhin Fleisch isst - sie jedenfalls habe für sich beschlossen, gar keine Tiere mehr zu essen.


Sie mögen Musik nur, wenn sie laut ist


Das Reporter-Team von «Follow us!»

  • Adventure-Traveler Fabian Sixtus Körner (33)
  • Filmemacherin Nicola von Leffern (29)
  • Digital-Expertin Rike Kaltheuner (26)
  • Tech-Junkie Baris Öztürk (29)
Auffälliger als die im Vorfeld so angepriesene Selfie-Optik, die zumeist eher den Eindruck eines zweitklassigen Found-Footage-Streifens vermittelt und ansonsten kaum gewinnbringend genutzt wird, fällt überdies die musikalische Untermalung aus. Nahezu keine Einstellung kommt ohne recht deutlich zu vernehmendes Popstück im Hintergrund aus - oftmals gar so penetrant, dass man die Stimme der parallel dazu monologisierenden Reporter nur noch schwerlich vernimmt. Es scheint ein wenig, als fürchte sich das Format vor Momenten der Stille und setzt deshalb besonders inflationär auf Hintergrundsounds. Auch das vermittelt nicht unbedingt den Eindruck, hier eine besonders seriöse Reportage bestaunen zu können. Wie man eine moderne, durchaus auch auf audiovisuelle Qualitäten fokussierte ProSieben-Sendung mit dokumentarischen Inhalten konzipieren kann, die auch inhaltlich was zu bieten hat, stellte zuletzt Thilo Mischke in «Uncovered» unter Beweis (hier unsere Kritik zur ersten Folge).

Wie hat Ihnen der Auftakt von «Follow us!» gefallen?
Sehr gut, ich freue mich schon auf die weiteren Folgen.
28,3%
War in Ordnung, da kann man zumindest mal reinschauen.
21,7%
Ganz mies, das muss ich nicht noch einmal sehen.
19,6%
Habe es (noch) nicht gesehen.
30,4%


«Follow us!» dagegen ist unterm Strich einfach durchschnittliche TV-Kost, mit der sich der Unterföhringer Sender wahrlich keinen Zacken aus der Krone bricht, aber eben kaum über das Niveau der Vorabend-Magazine hinaus reicht. Die Aufmachung ist modern und wirkt jung und unverbraucht, gleichzeitig aber auch relativ mutlos und vor allem ähnlich oberflächlich wie die Aufbereitung des gefilmten Materials. Man wird das Gefühl nicht los, durch die einzelnen Beiträge gehetzt zu werden, um sich ja nicht zu tief in die Materie hineinfühlen zu müssen. Ob das reicht, um gegen Olympia einen Stich zu sehen? Das dürfte nicht zuletzt von der Performance der Gödde-Sendung im Vorfeld abhängen, denn als "Dranbleiber" ist das neue «Reportermagazin» durchaus geeignet, als "Einschalter" hingegen kaum - was ziemlich gut das Image der bereits genannten Magazine im deutschen Fernsehen trifft.

«Follow us! Das ProSieben-Reportermagazin» läuft an den kommenden beiden Montagabenden jeweils um 23:15 Uhr, bis es am 29. August dann mit «Circus HalliGalli» und einem neuen «Duell um die Geld» weitergeht.
09.08.2016 01:20 Uhr Kurz-URL: qmde.de/87346
Manuel Nunez Sanchez

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Tags

Circus HalliGalli Duell um die Geld Follow us! Inside Reportermagazin The Big Bang Theory Uncovered

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Es gibt 1 Kommentar zum Artikel
Familie Tschiep
09.08.2016 13:53 Uhr 1
Von guter Information erwarte ich ein kritisch-differenzierter Blick auf ein Thema, der auch die Hintergründe beleuchtet und den Zuschauer neue Einsichten beschert. Da ist die Verpackung weniger wichtig. Und englische Titel sind nicht jugendlich, sondern nur albern.



Für mich scheint das eher Unterhaltung gewesen zu sein.
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