«Stranger Things» schickt den Zuschauer auf einen atmosphärischen Nostalgie-Trip durch das Mystery-Genre der 80er Jahre und bringt uns eine hervorragende Winona Ryder zurück. Die Kritik zur Serie.
Cast & Crew
- Idee: Matt & Ross Duffer
- Executive Producer: Matt & Ross Duffer, Iain Paterson
- Regie: Matt & Ross Duffer, Shawn Levy
- Musik: Kyle Dixon, Michael Stein
- Cast: Winona Ryder, David Harbour, Finn Wolfhard, Millie Bobby Brown, Gaten Matarazzo, Caleb McLaughlin, Natalia Dyer, Charlie Heaton, Noah Schnapp
Würde man für jede 80er-Referenz, die in
«Stranger Things» vorkommt, einen Euro bekommen, wäre der nächste Sommerurlaub wohl bezahlt. Die neue Mystery-Serie aus dem Hause Netflix ist eine große Neuinterpretation all jener Produktionen, die für die Fiction-Kultur der 80er Jahre prägend waren. Die amerikanische Kleinstadt Hawkins in Indiana erfährt im Jahr 1983 ungewöhnliche Ereignisse. Als der kleine Will Byers (Noah Schnapp) auf einem militärischen Sperrgelände einem Monster begegnet und danach in seinem Gartenhaus spurlos verschwindet, machen sich seine Freunde auf, um ihn zu finden. Voller kindlicher Naivität und bewaffnet mit einer Steinschleuder wollen Mike, Lucas und Dustin ihren verschwundenen Freund aufspüren – eine Reise, die ihre Freundschaft mehrmals auf die Probe stellt und sie mit der Sterblichkeit konfrontiert.
Doch statt ihres Freundes finden sie ein traumatisiertes, kahlgeschorenes Mädchen in einem zerrissenen Krankenhauskittel. Eleven (Millie Bobby Brown), so wie das Kind von der Regierung benannt wurde, besitzt übernatürliche Kräfte und sollte den Forschern helfen, ein Portal in eine andere Dimension zu öffnen – doch das Experiment ging schief und entfesselte ein Ungeheuer, das von nun an die Kleinstadt terrorisiert.
Das erste große Projekt der Duffer-Brüder
Die Story von «Stranger Things» beinhaltet nichts grundlegend Neues. Eine Regierungsverschwörung mit dubiosen Experimenten, eine Gruppe Dungeons & Dragons spielender Nerds, eine zugegebenermaßen etwas unnötige Teenie-Romanze von Mikes Schwester Nancy (Natalia Dyer) sowie ein gruseliges Monster. Das alles hat man irgendwann schon gesehen – doch das ist kein Malus. Denn die Showrunner Matt Duffer und Ross Duffer, die schon ein paar Mystery-Erfahrungen bei «Wayward Pines» sammeln durften und von denen wir in Zukunft bestimmt noch einiges hören werden, kreierten mit ihrem ersten großen Projekt «Stranger Things» eine große und szenisch authentische Genre-Hommage an die 80er Jahre: „Wir waren ganz besessen von ihren Büchern und Filmen, weil sich ihre Geschichten um Leute drehten, die uns bekannt vorkamen", erzählt Ross Duffer. „Und plötzlich tauchen die Monster, das Übernatürliche und die UFOs auf und du hast das Gefühl, mittendrin zu sein und es selbst zu erleben. Wir wurden von so vielen Dingen geprägt – Filmen, Videospielen und Büchern. Das haben wir alles in einen Mixer geworfen und ordentlich vermischt."
Die Vorbilder: Stephen King, Steven Spielberg, John Carpenter
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Wir haben so viel Nostalgie für diese Ära und sie bedeutet uns so viel. Wir wollten etwas im Fernsehen wiederauferstehen lassen, das den klassischen Filmen ähnelt, die wir in unserer Jugend so geliebt haben: die Filme von Spielberg und John Carpenter oder auch die Romane von Stephen King.
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Showrunner Matt Duffer
Viele Parallelen gibt es dabei zu den Romanvorlagen von Stephen King: die amerikanische Kleinstadt, die sich plötzlich übernatürlichen Phänomenen ausgesetzt sieht und die fortschreitende Erkenntnis, dass es nicht mehr mit rechten Dingen zugeht. Das Erwachsenwerden und der Verlust der eigenen Unschuld ist ein zentrales Thema in «Stranger Things», wobei die Ähnlichkeiten zu einer der wichtigsten Coming-of-Age-Verfilmungen eines Stephen King-Romans nicht zu übersehen sind. Nicht umsonst mussten alle Anwärter auf die Kinderrollen mit Szenen aus «Stand By Me» vorsprechen. Das Ergebnis: stark gecastete und authentische Kinderschauspieler, die der Serie neben den Thriller-Momenten einen unschuldigen Charme geben.
Daneben waren auch die Produktionen von Steven Spielberg ein großer Hort der Inspiration. «Die Goonies», «Es» oder «Poltergeist» seien genannt. Und selbst die angedeuteten Ähnlichkeiten zwischen dem Mädchen Eleven und «E.T» können als Anspielung auf das Werk des Altmeisters verstanden werden. Problemlos lassen sich auch Parallelen zu neueren Produktionen wie «Akte X», «Fringe» oder «Super 8» finden.
Binge-Garantie
Nicht zu vergessen die Hommage an die großen Filme von John Carpenter wie «The Thing» und «Nightmare», die sich vor allem auch in der musikalischen Gestaltung ausdrückt. Die tonale Untermalung von «Stranger Things» leistet einen immensen Beitrag zur düster-atmosphärischen und melancholischen Stimmung der Serie. Orientiert haben sich die beiden bisher unbekannten Komponisten Kyle Dixon und Michael Stein neben Carpenter an Tangerine Dream oder Vangelis. Die Mischung aus dezenten Elektro-Klängen, die spannende wie entspannte Szenen gleichermaßen unterstützen, sowie der kluge in die Story eingebundene Einsatz der damaligen Popmusik (u.a. „Africa“ von Toto) sind eine der großen Stärken der Serie.
Das Schöne an «Stranger Things»: Man kann die insgesamt acht Folgen der Mystery-Serie problemlos an einem Stück durchschauen – vor allem, weil die Serie nicht so komplex ist wie beispielsweise «Sense8». Durch die übergreifende Spannungskurve, ständige Szenenwechsel und immer wieder eingestreute Mini-Höhepunkte lässt die erste große Produktion der Duffer-Brüder keine großen Pausen zu. Eine bewusste Entscheidung der beiden Showrunner: „Das Fernsehen wird zunehmend filmischer und wir waren begeistert von der Idee, einen ‚verlängerten Film‘ zu machen“, so Matt Duffer. Neben der stetigen Spannung ist «Stranger Things» streckenweise wirklich emotional und muss man sich als Zuschauer durchaus die eine oder andere Träne verdrücken.
Winona Ryder brilliert
Vor allem in jenen Momenten, in denen Winona Ryder in ihrer Rolle als Joyce Bryers von ihren Gefühlen überwältigt wird. In mitreißender Art und Weise nähert sich die alleinerziehende Mutter zunehmend dem Wahn und erkennt schnell, dass sie beispielsweise mittels der Lichter in ihrem Haus mit Will kommunizieren kann. Sie ist eine der wenigen, die zahlreiche Solo-Szenen bekommen hat – und das zu recht. In einer der größten Rollen seit ihrem Karriereknick Anfang des Jahrtausends brilliert die 45-jährige als verzweifelte und labile Mutter: ihre brechende Stimme, panische Schreikrämpfe, Nervenzusammenbrüche – das alles spielt Winona Ryder mit Bravur. Ihre Leistung ist das Sahnehäubchen auf einer tollen Serie. Neben ihr überzeugt auch David Harbour als Chief Hopper, der anfänglich sehr pragmatisch auf Wills Verschwinden reagiert, aber zunehmend Zweifel bekommt und auf eigene Faust gegen die Regierung ermittelt.
Fazit: Im Gegensatz zu Netflix-Serien wie «Fuller House» ist «Stranger Things» kein reines Nostalgie-Remake, sondern vielmehr eine atmosphärische und spannende Neuinterpretation des Mystery- und Horror-Genres der 80er Jahre – mit einer fantastischen Winona Ryder in einer der Hauptrollen. Nicht nur für die Fans der damaligen Filme ist «Stranger Things» Pflichtprogramm. Auch nachfolgende Generationen werden ihre Freude an der Serie haben und sich nicht von den Bildschirmen lösen können.
Die erste Staffel «Stranger Things» ist seit dem 15. Juli vollständig auf Netflix abrufbar.
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