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Morgens um Drei im Weißen Haus

Hillary Clinton blickt auf eine Geschichte desaströser Wahlwerbespots zurück. Ihr neuester ist dagegen ein dramaturgischer Geniestreich.

Es ist drei Uhr morgens. Im Weißen Haus klingelt ein Telefon. Wer soll rangehen?

Diese Frage hat Hillary Clinton vor acht Jahren im Vorwahlkampf in einem Wahlwerbespot stellen lassen, der zu einem bekanntesten der amerikanischen Geschichte wurde. Und der sie einiges gekostet hat. Denn wie sie mit diesem pathetischen Szenario ein bisschen passiv-aggressiv auf die vermeintliche Unerfahrenheit ihres Gegenkandidaten Barack Obama abzielen wollte, kam bei den Wählern nicht an, und bei den Pundits noch weniger.

Wahlwerbespots sind eine amerikanische Kunstform. Sie müssen kurz sein und dabei präzise, müssen auf engem Raum viele Informationen enthalten und dürfen gleichzeitig nicht zu penetrant reißerisch oder gehetzt wirken, müssen eine Haltung transportieren und dabei noch gut erzählt sein.

So wie der Neueste von Hillary Clinton, erst wenige Stunden alt und in vielerlei Hinsicht geradezu mustergültig. Er hat viel zu sagen, ist dabei aber nicht überfrachtet. Anstatt ein Wahlprogramm herunterzubeten, setzt er auf die Transportierung einer Haltung, einer progressiven Einstellung, er vermittelt Aufrichtigkeit und verheißt eine glorreiche Zukunft mit einer Präsidentin Clinton.

Der Geniestreich: Statt die polarisierenden Positionen ihres Kontrahenten Donald Trump didaktisch auseinanderzunehmen, schlägt sie ihn mit seinen eigenen Waffen, wohlwissend dass sich die besten Wahlerfolge erzielen lassen, wenn man den politischen Gegner dadurch demontieren kann, indem man ihn zitiert. Der Schuss von Trumps dezidierter politischer Inkorrektheit, von seinem vermeintlichen Plain Speaking geht in diesem Spot brachial nach hinten los – der Spott ist ihm sicher, die Entrüstung sowieso. Gleichsam impliziert das kurze Video: Wer für ihn stimmt, wird sich einmal schämen müssen. Statt eines negativen Attack Ads gelingt die Ummünzung der Fehler des Gegners in einen positiven Gegenentwurf, in die Verheißung einer glorreichen Zukunft mit dem richtigen Kandidaten im Weißen Haus.

In bester amerikanischer Wahlwerbe-Tradition.
15.07.2016 12:30 Uhr Kurz-URL: qmde.de/86846
Julian Miller

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360 Grad

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Es gibt 1 Kommentar zum Artikel
Sentinel2003
15.07.2016 14:03 Uhr 1
Ich hoffe, das Sie es packt!!
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