Wahrlich keine Mogelpackung. RTL II zeigt mit seinem neuen Format «Lecker Schmecker Wollny» eine Koch-Dokusoap mit Mama Wollny. Das Ergebnis ist genau das, was davon zu erwarten steht.
«Lecker Schmecker Wollny»-Themen
- Auftaktfolge (14.7.): Hits mit Hack
- 21.7.: Silvia, der Grillmeister
- 28.7.: Alles Pizza oder was?
- 4.8.: Dreierlei Burger
In der erzählerisch verspielten, von Meta-Humor durchzogenen Sitcom «Arrested Development» gibt es einen mühevoll aufgebauten Gag, der letztlich darin endet, dass Jason Bateman alias Michael Bluth eine zerknitterte, braune Papiertüte mit der Aufschrift „Tote Taube. Nicht essen.“ aus einem Kühlschrank nimmt. Er blickt neugierig hinein und einen Wimpernschlag später schaut er irritiert-enttäuscht-ernüchtert auf, um staubtrocken zu sagen: „Ich weiß nicht, was ich erwartet habe.“
Eben dieses Szenario wiederholte sich während der Premiere von «Lecker Schmecker Wollny» in einer nicht näher definierten Stube. Irgendwo in der Bundesrepublik Deutschland. Nur, dass das Schauspiel nicht so schmerzfrei und kurz vonstattenging wie in «Arrested Development». Der Blick in die metaphorische braune Papiertüte nahm eine ganze Stunde wertvoller Lebenszeit ein, statt bloß einen Sekundenbruchteil. Und anders als Batemans Sitcomrolle, die aus freien Stücken einem Anflug von Neugier nachgab, wurde der Verfasser dieser Zeilen damit beauftragt, doch mal reinzuschauen. Davon abgesehen? Exakt derselbe Ablauf! TV-Kritiker schaltet Fernseher ein. Sieht eine Sendung mit dem Titel «Lecker Schmecker Wollny – Silvias beste Schnäppchenrezepte». Das, was von seiner Seele übrigblieb, darf daraufhin resigniert feststellen: „Ich weiß nicht, was ich erwartet habe.“ Was eigentlich heißen soll: „Doch. Ich weiß, was ich erwartet habe. Genau das. Und nun fühle ich mich dumm, weil ein Teil von mir geglaubt hat, dass mich vielleicht keine tote Taube erwartet.“
«Lecker Schmecker Wollny» ist genau das, was von einer Kochsendung mit Vielfachmutter und RTL-II-Dokusoap-Protagonistin Silvia Wollny zu erwarten steht. Eine Schar an Kindern unterschiedlichen Alters mit auffälligen Namen. Eine im Zentrum des Geschehens stehende Frau, die nach vielen Jahren vor den Fernsehkameras längst nicht mehr so unverfälscht-authentisch rüberkommt, wie es sich die Produzenten wohl einbilden. Denn ihre auf Lacher und Fremdscham hingebogenen Kommentare gen Kamera wirken trotz Grammatikschwäche nun einmal genau so: Auf eine Reaktion des TV-Publikums zurecht gelegt. Und ein Christian Rach würde gewiss die Nase rümpfen, tatsächlich aber reichen die Kochkünste von Frau Wollny, um als „Passable Hausfrau-und-Mutter-Kocherei, die man sich ab und zu gönnen kann“ durchzugehen. Siehe da: Um die tote Taube schwirren also wenigstens keine Fliegen herum.
Und das, obwohl sich die Macher der Dokusoap bemüht haben, das Schlimmste heraufzubeschwören: Zu Beginn der Sendung zählen die Wollny-Nachkommen absurde Rezeptideen ihrer Mutter auf. Eines der Wollny-Kinder (man mag es dem hierfür verantwortlichen Schreiberling verzeihen, dass er irgendwann den Überblick verloren hat) wird sogar ganz gezielt genutzt, um falsche Spannung zu erzeugen. Immer und immer und immer wieder unterbricht ein Interviewschnipsel die «Lecker Schmecker Wollny»-Premiere: Das Kind hätte ja schon ab und zu Angst, wenn Mama kocht. Und, ja, Berliner Hipster, Vegan-Koch Attila Hildmann und angehende Ernährungswissenschaftler werden von dieser Sendung Albträume bekommen: Mehrere Kilo Hack werden hier verarbeitet. Etwa mit Nudeln gefüllt, mit Ketchup-Frischkäse-Soße gewürzt und in „einem Klecks Margarine“ (der eher einem kleinen Berg Margarine glich) gebraten. Gesund ist anders. Nachhaltig ist anders. Der Kaloriengehalt von Mama Wollnys Drei-Gänge-Menü wird nicht mit einem einzigen Wort kommentiert.
Aber, ja, sind wir mal ehrlich: Eine Mittelklasse-Hauptspeise für eine hungrige Fleischesserfamilie kann man schlechter und ideenloser dahinbrutzeln als Frau Wollny. Auch wenn ihre gebackenen Hackspieße in Panade und ihre mit Kohlenhydraten gefüllte Frikadellen wohl genauso wenig derart köstliche Ideen sind, dass sie einen Platz im Primetime-Fernsehen verdient hätten. Nein. RTL II hat es mit dieser Sendung allein auf extrem seichtes Entertainment abgesehen: Frau Wollny soll für neun Personen kochen und dafür maximal „45 Euros“ ausgeben. Anbiedern an die vermeintliche Zielgruppe. Und bloß viele Versprecher in die finale Schnittfassung reinnehmen, damit sich der Zuschauer überlegen fühlen kann. Da weiß der Kritiker glatt nicht, ob er nun Mitleid mit der gut gelaunten Silvia haben oder denken soll: „Wer das so lange mitmacht und vor der Kamera forcierte Sprüche wie ‚ Hack ist ja genau wie Essigreiniger. Da putze ich auch alles mit.‘ vom Stapel lässt, weiß, worauf er sich einlässt.“
Übrigens: Dieser Spruch. Allein in den ersten knapp zehn Sendeminuten fiel er gleich drei Mal. Denn Clips müssen ja wiederholt werden. Da weiß man schon, was die Verantwortlichen vom Publikum denken. Die Regeln der Wollny-Wette („höchstens 45 Euros oder ich arbeite einen Tag in der Metzgerei“) wollen auch bis zum Überkochen wiederholt werden. Und damit das Ganze den Anschein der programmtechnischen Relevanz hat, und nicht wie das Ausschlachten der Marke Wollny wirkt, gibt es noch wertvolle Spartipps. Beim Eierkaufen immer nachgucken, ob sie noch ganz sind! Reste gerne wiederverwerten, wenn man sparen will!
Dabei ist Mama Wollny tatsächlich fähig, vernünftige Ratschläge für Sparfüchse zu geben: Bei Fleisch bloß nicht dem Drang nachgeben, zum Discounter zu gehen! Das Hack dort ist voller Wasser, das beim Kochen verdampft, so dass man zwar wenig für viel Rohware bezahlt. Beim frisch gewölften Fleisch vom guten Metzger des Vertrauens landet am Ende aber mehr Essen auf dem Teller. Das ist jedoch auch die einzige kluge Idee aus dem Munde Silvia Wollnys, die es in die fertige Sendung geschafft hat.
Was Primetime-Dokusoaps über „völlig normale Menschen“ anbelangt, ist «Lecker Schmecker Wollny» nicht die allerletzte Ausschussware. Aber mehr als ein Discount-Tiefkühlprodukt ist sie auch nicht. Wenigstens ist die Sendung ehrlich: Sie ist genau das, was man sich unter ihr vorstellt. Ein Grund mehr, sie nicht einzuschalten. Nach dem Gucken ist man ja auch nur genauso kluk als wie zuvor.
«Lecker Schmecker Wollny» ist donnerstags ab 21.15 Uhr bei RTL II zu sehen.
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