Erstmals seit zwei Jahren musste RTL seine Marktführung beim jungen Publikum an die EM-Hauptsender ARD und ZDF abtreten - zumindest aber deutlich knapper als im Juni 2014. Generell war das Senderfeld in klare Gewinner und Verlierer aufgeteilt.
Die Fußball-Europameisterschaft dominierte die Berichterstattung ebenso deutlich wie das Geschehen auf dem TV-Markt - wobei die ersten vier Plätze erwartungsgemäß die deutsche Nationalmannschaft für sich beanspruchte. Das Höchste der Quoten-Gefüle waren bisher 28,11 Millionen Zuschauer und Marktanteile von 81,2 Prozent des Gesamtpublikums sowie 85,5 Prozent der 14- bis 49-Jährigen. Die drei Vorrunden-Partien hatten zuvor auf 25,48 bis 27,32 Millionen zu verweisen. Und auch dahinter platzierten sich diverse Fußball-Liveübertragungen sowie Nachrichten-Sendungen, die im unmittelbaren Zusammenhang mit dem runden Leder auf die Zuschauer losgelassen wurden. Das noch immer stärkste Spiel ohne deutsche Beteiligung war das allererste zwischen Frankreich und Rumänien, das auf 15,47 Millionen gelangte.
Das stärkste Angebot fernab des Fußballs war derweil einmal mehr der «Tatort», der auf seinem gewohnten Sonntagabend-Sendeplatz am 5. Juni auf vergleichsweise unspektakuläre 8,10 Millionen Zuschauer und 25,0 Prozent Marktanteil gelangte. Nochmal deutlich weiter hinten ist die stärkste Austrahlung auf einem Privatsender zu finden, die RTL mit seinem Promi-Special von «Wer wird Millionär?» für sich beanspruchte. Am letzten Fußball-losen Montag verzeichnete das Quiz 6,15 Millionen Fernsehende und tolle 23,8 Prozent Marktanteil, auch in der werberelevanten Zielgruppe standen hier sehr gute 21,9 Prozent auf dem Papier. Darüber hinaus gelang es nur «Let's Dance», zum Staffelfinale die Fünf-Millionenmarke knapp zu überbieten.
Und was haben die restlichen Sender so getrieben? Im Großen und Ganzen gar nicht mal so viel, verfehlten sie doch unisono die Drei-Millionenhürde. Am besten lief - Überraschung! - auch hier die EM mit bis zu 2,93 Millionen Fernsehende in Sat.1, wobei die Quoten der hier ausgestrahlten Spiele doch erheblich schwankten. Für ProSieben fuhr die Free-TV-Premiere «Planet der Affen - Revolution» angesichts von 2,54 Millionen die mit Abstand höchste Reichweite ein, hinsichtlich der Marktanteile hatte man sich von einem solch namhaften Film aber vielleicht sogar etwas mehr versprochen. Ohne Wenn und Aber grandios waren hingegen die 2,59 Millionen, die sich am ersten Samstag des Monats die Hochzeit von Daniela Katzenberger bei RTL II ansahen - und dem Sender famose 10,2 Prozent des Gesamtpublikums und sogar 15,3 Prozent der Zielgruppe bescherten. VOX punktete am meisten mit «Grill den Henssler», bei kabel eins lief ein Bud-Spencer-Abend anlässlich dessen Todes am erfolgreichsten.
Alle Zuschauer (Juni 2016)
ALLE ZUSCHAUER (JUNI)
16,0
12,1
17,1
12,0
8,3
9,8
3,2
3,8
4,6
5,3
6,6
7,4
4,4
5,4
3,6
4,0
Marktanteile in % | Juni 2016 ggü. Mai 2016
Es ist nun sicherlich nicht die Sensation schlechthin, dass die Fußball-Europameisterschaft den beiden ausstrahlenden Sendern die besten Werte seit dem letzten Großturnier - der WM 2014 - bescherte. Dabei angelte sich das ZDF wieder die alleinige Marktführung und lag angesichts von 17,1 Prozent doch noch ein deutliches Stück vor dem öffentlich-rechtlichen Mitbewerber Das Erste, das auf 16,0 Prozent gelangte. Mit weitem Abstand dahinter auf Rand drei landete RTL mit gerade einmal 8,3 Prozent, was aufgrund fehlender EM-Übertragungsrechte dann eben dem schlechtesten Wert seit zwei Jahren entsprach. Verglichen mit dem Quoten-Niveau im Zuge der beiden vergangenen Fußball-Großturniere ergaben sich leichte Verluste gegenüber der WM 2014, wo 17,4 bzw. 17,6 Prozent für ARD und ZDF zu Buche standen, aber unterm Strich leichte Zugewinne gegenüber den 15,9 und 15,5 Prozent von 2012. RTL blieb in etwa auf den 8,4 Prozent des Junis vor zwei Jahren und dürfte sehnsuchtsvoll zurückblicken auf die 10,6 Prozent, die vor vier Jahren sogar mit häufiger Fußball-Konkurrenz im Durchschnitt möglich gewesen waren.
Das Geschehen in der zweiten Reihe lässt sich recht simpel zusammenfassen - es ging deutlich bergab für nahezu alle größeren Privatsender. Den höchsten durchschnittlichen Anteil am Gesamtmarkt hatte hier noch Sat.1 vorzuweisen, was aber keineswegs Grund zum Jubeln für den Bällchensender ist - immerhin waren die verzeichneten 6,6 Prozent nochmal deutlich schlechter als die 7,2 Prozent aus 2014, die damals bereits ein historisches Tief manifestierten. ProSieben zog sich da mit 4,4 Prozent historisch betrachtet etwas besser aus der Affäre, verlor dafür aber gegenüber dem Vormonat deutlicher und fiel überdies wieder hinter VOX zurück, das mit 4,6 Prozent sogar etwas besser performte als im Juni 2014. Ganz hinten landeten standesgemäß kabel eins und RTL II, die im Rahmen der vergangenen Weltmeisterschaft auf jeweils 3,4 Prozent gelangt waren.
Dass ARD und ZDF nicht nur die Werte der sechs größten Privatsender erheblich nach unten bugsiert haben, sondern auch den kleineren Sendern schadeten, deutet der Gesamt-Marktanteil aller großen Sender an: Der lag nämlich im Juni bei 63,8 Prozent und somit deutlich höher als in der gesamten abgelaufenen Saison, wo niemals mehr als 60,7 Prozent zu Buche gestanden hatten. Doch verglichen mit den letzten beiden Großturnier-Monaten ist dieser Wert gar nicht mal so beeindruckend: Im Zuge der Euro 2012 waren die großen Sender noch auf 68,6 Prozent gelangt, bei der WM 2014 auf immerhin 66,6 Prozent.
14- bis 49-Jährige (Juni 2016)
14- BIS 49-JÄHRIGE (JUNI)
12,5
7,6
12,6
5,8
10,6
12,4
5,2
6,0
5,9
6,9
7,7
9,2
8,8
10,9
5,0
5,4
Marktanteile in % | Juni 2016 ggü. Mai 2016
Als ARD und ZDF vor zwei Jahren im Gleichschritt an RTL vorbeigezogen waren, hatte dieser Umstand noch eine historische Dimension - immerhin war es den Kölnern zuvor selbst bei noch so harter Fußball-Konkurrenz über viele Jahre hinweg stets gelungen, umterm Strich die Oberhand zu behalten. Angesichts der kritischen Gesamt-Entwicklung von RTL sowie dessen längst nicht mehr unantastbaren Status' hält sich die Überraschung diesmal hingegen in deutlich enger gefassten Grenzen, dass es den Öffentlich-Rechtlichen abermals geglückt ist, allerdings etwas knapper als 2014: Das ZDF fiel im direkten Juni-Vergleich von 13,4 auf 12,6 Prozent zurück, Das Erste sogar von 14,1 auf 12,5 Prozent. Damit können die Mainzer tatsächlich einmal auf eine Marktführerschaft beim sonst so störrischen jungen Publikum verweisen. Und RTL? Hielt sich immerhin als einziger Privatsender in der Zweistelligkeit, musste sich angesichts von nur 10,6 Prozent jedoch mit einem ähnlich tristen Marktanteil begnügen wie schon vor zwei Jahren, als 10,6 Prozent zu Buche gestanden hatten.
Ähnlich erging es ProSieben, das mit 8,8 Prozent ähnlich wie die private Konkurrenz weit hinter der Saison-Normalität rangierte, im Vergleich zum WM-Juni zuletzt allerdings einigermaßen die Stellung hielt - damals wurden 8,9 Prozent erzielt. Sat.1 dagegen machte überhaupt nichts aus seinem kleinen Stückchen vom EM-Kuchen und hatte sich mit gerade einmal 7,7 Prozent zu begnügen, was noch einmal weniger waren als die einst generierten 7,8 Prozent. Auch RTL II verschlechterte sich mit 5,2 statt 5,6 Prozent deutlich, während sich kabel eins recht konstant hielt und VOX sogar ein leichtes Plus von 5,7 auf 5,9 Prozent einfuhr - alles natürlich im Vergleich zum Juni vor zwei Jahren, im Vergleich mit den Vormonaten fielen die Sender reihenweise zurück.
Alles in allem kamen die "Großen" auf 68,3 Prozent, was auch hier einem deutlich höheren Wert entsprach als zu jedem Zeitpunkt der vergangenen TV-Saison (maximal 64,8 Prozent waren hier drin). Gleichwohl misslang es ihnen erstmals, im Kontext einer Fußball-WM oder -EM die 70-Prozent-Hürde zu nehmen: Bei der Weltmeisterschaft in Brasilien hatten sich noch im Schnitt 70,9 Prozent der jungen Konsumenten für die acht Sendeanstalten entschieden, im Rahmen der EM 2012 waren es 73,0 Prozent.
Alle Zuschauer (Fernsehjahr)
ALLE ZUSCHAUER (GESAMTES JAHR)
12,1
11,6
12,9
12,4
10,0
10,2
3,5
3,5
5,1
5,2
7,5
7,6
5,2
5,3
3,8
3,8
Marktanteile in % | Sep 2015 – Jun. 2016 ggü. Sep. 2015 – Mai 2016
Das deutliche Fußball-Plus sorgt dafür, dass die öffentlich-rechtlichen Anstalten dank eines einzigen Monats ihre Werte gegenüber der Kernsaison (September bis Mai) deutlich steigern können: So baut das ZDF seine Vorherrschaft von 12,4 auf 12,9X Prozent aus, während sich Das Erste von 11,6 auf 12,1 Prozent verbessert. Klarer Verlierer ist einmal mehr RTL als größter Vertreter der Privaten, das sich von 10,2 auf genau zehn Prozent verschlechtert und nun massiv gefährdet ist, in der Jahresbilanz (also von September bis August) doch noch in die Einstelligkeit abzurutschen. Umso ängstlicher dürfte man werden, wenn man auf die Sommermonate 2015 zurückblickt: Ganz ohne Fußball-Konkurrenz hatte man hier nur rund neun Prozent verbucht - was nun definitiv nicht mehr für das Erreichen der Zielmarke zehn Prozent reichen würde.
Dahinter lesen sich die Verluste gegenüber der Hauptsaison recht überschaubar, haben allerdings in einigen Fällen durchaus historischen Charakter - da eben schon ohne Einbezug der Juni-Werte viele Sender so schwach unterwegs waren wie seit Jahren nicht mehr. Dies gilt insbesondere für Sat.1, das schon im Vorjahr mit 8,1 Prozent einen neuen Tiefststand erreicht hatte und nun munter weiter auf dem Weg ins Quoten-Verderben ist. Zusammen genommen liegen die großen Sender bei 60,1 Prozent und somit an der Schwelle zur 60-Prozentmarke, die bei Berücksichtigung der zurückliegenden neun Monate vor dem Juni mit 59,5 Prozent erstmals überhaupt verfehlt worden war.
14- bis 49-Jährige (Fernsehjahr)
14- BIS 49-JÄHRIGE (GESAMTES JAHR)
7,3
6,7
6,5
5,8
12,9
13,2
5,7
5,8
6,6
6,7
8,9
9,0
10,7
10,9
5,1
5,2
Marktanteile in % | Sep 2015 – Jun. 2016 ggü. Sep. 2015 – Mai 2016
Noch stärker als beim Gesamtpublikum profitieren die Öffentlich-Rechtlichen bei den 14- bis 49-Jährigen - was schlicht und ergreifend damit zusammenhängt, dass sie hier gemeinhin deutlich schwächer unterwegs sind und ein wirklich starker Monat schon mal dazu führen kann, dass die Gesamtbilanz um mehr als einen halben Prozentpunkt nach oben zeigt. RTL flutscht aufgrund des schwachen Junis von 13,2 auf 12,9 Prozent, ProSieben schließt sich diesem Weg mit 10,7 statt 10,9 Prozent an, während die kleineren Privaten mit jeweils 0,1 Prozentpunkt Verlust davon kommen - nicht zuletzt deshalb, weil sie im Vergleich zu RTL und ProSieben einfach gar nicht so viel zu verlieren haben. Auf die Jahresbilanz wirkt sich die EM summa summarum auch hier positiv aus: Kamen nach dem März nur 63,3 Prozent zustande, sind es nach derzeitigem Stand 63,7 Prozent.
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